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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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der sprach mir göttlichen Trost in die Seele. Gottes unerforschlicher Wille hat vielleicht, ja ganz gewiß, es so gefügt; beten Sie ihn in Demuth an. Vergebens ist das nicht geschehen, und die unergründliche Weisheit des Herrn wird Sie nicht ungetröstet lassen. Erziehen Sie dieses Kind in der Furcht des Herrn und zu seinem Wohlgefallen."

"Dies beruhigte mich, gleichwohl erkundigte ich mich oft sehr lebhaft bei meinem Mann, welcher, wie dir, geliebter Leonardus, bekannt ist, die Geschäfte jener hohen Familie in Amsterdam besorgte, nach derselben, so daß Herr Adrianus mich sogar einmal eine neugierige Frau schalt; aber denke dir, wie mir zu Muthe wurde, als mir die Kunde ward, jenes Kind der vornehmen Dame, mein Kind -- sei damals nur in der ersten Verwirrung für todt gehalten worden, es lebe und verspreche fröhlich heranzuwachsen. Wie freute sich darüber mein Mutterherz! Aber sollte ich nun reden? Sollte ich nun jene Mutter mit einer Eröffnung betrüben, die damals die Verwechselung gar nicht wahrgenommen hatte, denn die Amme des Kindes, wenn diese den Irrthum wirklich inne geworden war, hatte jedenfalls die anders gezeichnete Wäsche erkannt, dieselbe beseitigt und geschwiegen, sonst wären wohl Briefe an uns gelangt."

"Fort und fort erkundigte ich mich lange Jahre hindurch nach jenem Sohn, denn ich liebte ihn, mußte ihn lieben, ich hatte ihn ja unter meinem Herzen getragen, aber ich liebte nicht minder dich, mein Leonardus, und verkürzt warst du auch nicht erheblich. Der Reichthum des Hauses van der Valck überwog den jenes Hauses, zumal dasselbe später durch die französische Revolution unendlich und viel an Kapitalien verlor, die in Frankreich angelegt waren und das Vermögen sich durch mehrere Erben theilte, du aber unser einziges Kind bliebst, und wenn du auch kein Graf geworden bist, so ist der Adel unseres Hauses wohl so alt, wie jener des gräflichen; unser Wappen-Falke im purpurrothen Felde ist so viel werth, wie das Wappen jener Familie; unsere Vorfahren waren auch Grafen, die Grafschaft Valckenburg, zum Herzogthum Brabant gehörend, umfaßte ein weites Land, Stadt und Schloß Valckenburg, auf Französisch Fauquemont, an der Geul waren die Herrensitze. Du hast dich, lieber Leonardus, unseres Namens daher nicht zu schämen und wirst deiner alten Mutter, obschon sie nur deine Pflegemutter war, nicht zürnen, daß sie dich so geliebt hat,

der sprach mir göttlichen Trost in die Seele. Gottes unerforschlicher Wille hat vielleicht, ja ganz gewiß, es so gefügt; beten Sie ihn in Demuth an. Vergebens ist das nicht geschehen, und die unergründliche Weisheit des Herrn wird Sie nicht ungetröstet lassen. Erziehen Sie dieses Kind in der Furcht des Herrn und zu seinem Wohlgefallen.“

„Dies beruhigte mich, gleichwohl erkundigte ich mich oft sehr lebhaft bei meinem Mann, welcher, wie dir, geliebter Leonardus, bekannt ist, die Geschäfte jener hohen Familie in Amsterdam besorgte, nach derselben, so daß Herr Adrianus mich sogar einmal eine neugierige Frau schalt; aber denke dir, wie mir zu Muthe wurde, als mir die Kunde ward, jenes Kind der vornehmen Dame, mein Kind — sei damals nur in der ersten Verwirrung für todt gehalten worden, es lebe und verspreche fröhlich heranzuwachsen. Wie freute sich darüber mein Mutterherz! Aber sollte ich nun reden? Sollte ich nun jene Mutter mit einer Eröffnung betrüben, die damals die Verwechselung gar nicht wahrgenommen hatte, denn die Amme des Kindes, wenn diese den Irrthum wirklich inne geworden war, hatte jedenfalls die anders gezeichnete Wäsche erkannt, dieselbe beseitigt und geschwiegen, sonst wären wohl Briefe an uns gelangt.“

„Fort und fort erkundigte ich mich lange Jahre hindurch nach jenem Sohn, denn ich liebte ihn, mußte ihn lieben, ich hatte ihn ja unter meinem Herzen getragen, aber ich liebte nicht minder dich, mein Leonardus, und verkürzt warst du auch nicht erheblich. Der Reichthum des Hauses van der Valck überwog den jenes Hauses, zumal dasselbe später durch die französische Revolution unendlich und viel an Kapitalien verlor, die in Frankreich angelegt waren und das Vermögen sich durch mehrere Erben theilte, du aber unser einziges Kind bliebst, und wenn du auch kein Graf geworden bist, so ist der Adel unseres Hauses wohl so alt, wie jener des gräflichen; unser Wappen-Falke im purpurrothen Felde ist so viel werth, wie das Wappen jener Familie; unsere Vorfahren waren auch Grafen, die Grafschaft Valckenburg, zum Herzogthum Brabant gehörend, umfaßte ein weites Land, Stadt und Schloß Valckenburg, auf Französisch Fauquemont, an der Geul waren die Herrensitze. Du hast dich, lieber Leonardus, unseres Namens daher nicht zu schämen und wirst deiner alten Mutter, obschon sie nur deine Pflegemutter war, nicht zürnen, daß sie dich so geliebt hat,

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[426/0430] der sprach mir göttlichen Trost in die Seele. Gottes unerforschlicher Wille hat vielleicht, ja ganz gewiß, es so gefügt; beten Sie ihn in Demuth an. Vergebens ist das nicht geschehen, und die unergründliche Weisheit des Herrn wird Sie nicht ungetröstet lassen. Erziehen Sie dieses Kind in der Furcht des Herrn und zu seinem Wohlgefallen.“ „Dies beruhigte mich, gleichwohl erkundigte ich mich oft sehr lebhaft bei meinem Mann, welcher, wie dir, geliebter Leonardus, bekannt ist, die Geschäfte jener hohen Familie in Amsterdam besorgte, nach derselben, so daß Herr Adrianus mich sogar einmal eine neugierige Frau schalt; aber denke dir, wie mir zu Muthe wurde, als mir die Kunde ward, jenes Kind der vornehmen Dame, mein Kind — sei damals nur in der ersten Verwirrung für todt gehalten worden, es lebe und verspreche fröhlich heranzuwachsen. Wie freute sich darüber mein Mutterherz! Aber sollte ich nun reden? Sollte ich nun jene Mutter mit einer Eröffnung betrüben, die damals die Verwechselung gar nicht wahrgenommen hatte, denn die Amme des Kindes, wenn diese den Irrthum wirklich inne geworden war, hatte jedenfalls die anders gezeichnete Wäsche erkannt, dieselbe beseitigt und geschwiegen, sonst wären wohl Briefe an uns gelangt.“ „Fort und fort erkundigte ich mich lange Jahre hindurch nach jenem Sohn, denn ich liebte ihn, mußte ihn lieben, ich hatte ihn ja unter meinem Herzen getragen, aber ich liebte nicht minder dich, mein Leonardus, und verkürzt warst du auch nicht erheblich. Der Reichthum des Hauses van der Valck überwog den jenes Hauses, zumal dasselbe später durch die französische Revolution unendlich und viel an Kapitalien verlor, die in Frankreich angelegt waren und das Vermögen sich durch mehrere Erben theilte, du aber unser einziges Kind bliebst, und wenn du auch kein Graf geworden bist, so ist der Adel unseres Hauses wohl so alt, wie jener des gräflichen; unser Wappen-Falke im purpurrothen Felde ist so viel werth, wie das Wappen jener Familie; unsere Vorfahren waren auch Grafen, die Grafschaft Valckenburg, zum Herzogthum Brabant gehörend, umfaßte ein weites Land, Stadt und Schloß Valckenburg, auf Französisch Fauquemont, an der Geul waren die Herrensitze. Du hast dich, lieber Leonardus, unseres Namens daher nicht zu schämen und wirst deiner alten Mutter, obschon sie nur deine Pflegemutter war, nicht zürnen, daß sie dich so geliebt hat,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/430>, abgerufen am 29.04.2024.