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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
noch mehr durch seine Kunst- und Gewerbethätigkeit, durch Handel
und Industrie hervorragte und dadurch seinen Ruhm lange nach dem
Verluste seiner politischen Selbständigkeit bewahrte, die Etrusker,
als ein Mischlingsvolk dar. Die ethnische Grundlage bildet ein Stamm,
der in seiner eigenen Sprache Rasin-na (Rasena1) genannt wurde,
den wir zuerst im unteren Pothal ansässig finden und der von Nor-
den her eingewandert sein soll. Die Etrusker breiteten sich süd-
wärts über einen grossen Teil Italiens aus, sie unterwarfen und ver-
nichteten die früher in dem toskanischen Gebiete ansässigen Ligurer
(Ligyer) und behaupteten viele Jahrhunderte hindurch die Suprematie
in Italien. Dies geht aus den vielen etruskischen Namen von Städten,
Flüssen und Bergen hervor. Das Meer, welches die Westküste Italiens
bespült, wurde nach ihnen das Tyrrhenische genannt, und ebenso ist
der Name des Adriatischen Meeres von der alten etruskischen Kolonie
"Hatria"2) herzuleiten. Den Namen der Etrusker, die auch Tyrrhener,
Tursenen und Tusker genannt wurden, haben wir als "Tursi" (Turischa)
bereits um 1300 v. Chr. in der ägyptischen Inschrift, welche über den
Kriegszug der Mittelmeervölker gegen Menephta berichtet, kennen
gelernt. Also schon damals müssen die Etrusker das herrschende
Volk in Italien und der Schiffahrt wohl kundig gewesen sein3); wenn
nicht, wie manche annehmen, Tursi (Tyrsener, Tyrrhener) der
Name der Pelasger Mittelgriechenlands gewesen ist. Dunker verwirft
überhaupt die Übersetzung Turischa mit Tursi, Tusker, hält die
Turischa vielmehr für ein libysches Volk4). Jedenfalls stand schon
damals das Volk in Verbindung mit Griechenland und Westasien. Die
Phönizier legten in ältester Zeit Kolonieen in Italien an, besonders
auf Sizilien und an den Mündungen des Po. Durch letztere wur-
den sie Nachbarn der Etrusker und traten in innigen Handelsver-
kehr mit ihnen, denn es ist kaum zu bezweifeln, dass in jener
fernen Zeit, ehe Massilia am Ausflusse der Rhone blühte und den
Überlandhandel an sich gezogen hatte, ehe die Phönizier den Wasser-
weg durch die Säulen des Herkules nach Norden entdeckt hatten, der
nordische Handel und zwar besonders der Handel mit Bernstein und
Zinn dem Pothal (dem Eridanos) folgte und an den Kolonieen an
seinen verzweigten Mündungen in das Adriatische Meer seinen End-
und Übergangspunkt für den Seehandel fand. Ein reger Verkehr
herrschte damals am unteren Po, dessen Hauptmündung sich beträcht-
lich südlicher wie heute befand. Unter den sieben alten Mündungen

1) Rasenai, Dionys. v. Hal. I, 30, vielleicht Räthier s. Livius V, 32, 11.
2) Livius V, 33.
3) Müller, Etrusker I, 73.
4) Dunker a. a. O. I, S. 152, Anmerk. 1.

Italien und die Römer.
noch mehr durch seine Kunst- und Gewerbethätigkeit, durch Handel
und Industrie hervorragte und dadurch seinen Ruhm lange nach dem
Verluste seiner politischen Selbständigkeit bewahrte, die Etrusker,
als ein Mischlingsvolk dar. Die ethnische Grundlage bildet ein Stamm,
der in seiner eigenen Sprache Rasin-na (Rasena1) genannt wurde,
den wir zuerst im unteren Pothal ansässig finden und der von Nor-
den her eingewandert sein soll. Die Etrusker breiteten sich süd-
wärts über einen groſsen Teil Italiens aus, sie unterwarfen und ver-
nichteten die früher in dem toskanischen Gebiete ansässigen Ligurer
(Ligyer) und behaupteten viele Jahrhunderte hindurch die Suprematie
in Italien. Dies geht aus den vielen etruskischen Namen von Städten,
Flüssen und Bergen hervor. Das Meer, welches die Westküste Italiens
bespült, wurde nach ihnen das Tyrrhenische genannt, und ebenso ist
der Name des Adriatischen Meeres von der alten etruskischen Kolonie
„Hatria“2) herzuleiten. Den Namen der Etrusker, die auch Tyrrhener,
Tursenen und Tusker genannt wurden, haben wir als „Tursi“ (Turischa)
bereits um 1300 v. Chr. in der ägyptischen Inschrift, welche über den
Kriegszug der Mittelmeervölker gegen Menephta berichtet, kennen
gelernt. Also schon damals müssen die Etrusker das herrschende
Volk in Italien und der Schiffahrt wohl kundig gewesen sein3); wenn
nicht, wie manche annehmen, Tursi (Tyrsener, Tyrrhener) der
Name der Pelasger Mittelgriechenlands gewesen ist. Dunker verwirft
überhaupt die Übersetzung Turischa mit Tursi, Tusker, hält die
Turischa vielmehr für ein libysches Volk4). Jedenfalls stand schon
damals das Volk in Verbindung mit Griechenland und Westasien. Die
Phönizier legten in ältester Zeit Kolonieen in Italien an, besonders
auf Sizilien und an den Mündungen des Po. Durch letztere wur-
den sie Nachbarn der Etrusker und traten in innigen Handelsver-
kehr mit ihnen, denn es ist kaum zu bezweifeln, daſs in jener
fernen Zeit, ehe Massilia am Ausflusse der Rhone blühte und den
Überlandhandel an sich gezogen hatte, ehe die Phönizier den Wasser-
weg durch die Säulen des Herkules nach Norden entdeckt hatten, der
nordische Handel und zwar besonders der Handel mit Bernstein und
Zinn dem Pothal (dem Eridanos) folgte und an den Kolonieen an
seinen verzweigten Mündungen in das Adriatische Meer seinen End-
und Übergangspunkt für den Seehandel fand. Ein reger Verkehr
herrschte damals am unteren Po, dessen Hauptmündung sich beträcht-
lich südlicher wie heute befand. Unter den sieben alten Mündungen

1) Ῥασέναι, Dionys. v. Hal. I, 30, vielleicht Räthier s. Livius V, 32, 11.
2) Livius V, 33.
3) Müller, Etrusker I, 73.
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[468/0490] Italien und die Römer. noch mehr durch seine Kunst- und Gewerbethätigkeit, durch Handel und Industrie hervorragte und dadurch seinen Ruhm lange nach dem Verluste seiner politischen Selbständigkeit bewahrte, die Etrusker, als ein Mischlingsvolk dar. Die ethnische Grundlage bildet ein Stamm, der in seiner eigenen Sprache Rasin-na (Rasena 1) genannt wurde, den wir zuerst im unteren Pothal ansässig finden und der von Nor- den her eingewandert sein soll. Die Etrusker breiteten sich süd- wärts über einen groſsen Teil Italiens aus, sie unterwarfen und ver- nichteten die früher in dem toskanischen Gebiete ansässigen Ligurer (Ligyer) und behaupteten viele Jahrhunderte hindurch die Suprematie in Italien. Dies geht aus den vielen etruskischen Namen von Städten, Flüssen und Bergen hervor. Das Meer, welches die Westküste Italiens bespült, wurde nach ihnen das Tyrrhenische genannt, und ebenso ist der Name des Adriatischen Meeres von der alten etruskischen Kolonie „Hatria“ 2) herzuleiten. Den Namen der Etrusker, die auch Tyrrhener, Tursenen und Tusker genannt wurden, haben wir als „Tursi“ (Turischa) bereits um 1300 v. Chr. in der ägyptischen Inschrift, welche über den Kriegszug der Mittelmeervölker gegen Menephta berichtet, kennen gelernt. Also schon damals müssen die Etrusker das herrschende Volk in Italien und der Schiffahrt wohl kundig gewesen sein 3); wenn nicht, wie manche annehmen, Tursi (Tyrsener, Tyrrhener) der Name der Pelasger Mittelgriechenlands gewesen ist. Dunker verwirft überhaupt die Übersetzung Turischa mit Tursi, Tusker, hält die Turischa vielmehr für ein libysches Volk 4). Jedenfalls stand schon damals das Volk in Verbindung mit Griechenland und Westasien. Die Phönizier legten in ältester Zeit Kolonieen in Italien an, besonders auf Sizilien und an den Mündungen des Po. Durch letztere wur- den sie Nachbarn der Etrusker und traten in innigen Handelsver- kehr mit ihnen, denn es ist kaum zu bezweifeln, daſs in jener fernen Zeit, ehe Massilia am Ausflusse der Rhone blühte und den Überlandhandel an sich gezogen hatte, ehe die Phönizier den Wasser- weg durch die Säulen des Herkules nach Norden entdeckt hatten, der nordische Handel und zwar besonders der Handel mit Bernstein und Zinn dem Pothal (dem Eridanos) folgte und an den Kolonieen an seinen verzweigten Mündungen in das Adriatische Meer seinen End- und Übergangspunkt für den Seehandel fand. Ein reger Verkehr herrschte damals am unteren Po, dessen Hauptmündung sich beträcht- lich südlicher wie heute befand. Unter den sieben alten Mündungen 1) Ῥασέναι, Dionys. v. Hal. I, 30, vielleicht Räthier s. Livius V, 32, 11. 2) Livius V, 33. 3) Müller, Etrusker I, 73. 4) Dunker a. a. O. I, S. 152, Anmerk. 1.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/490>, abgerufen am 04.05.2024.