Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sorgfältige Kontrolle. Dieselbe drückte sich aus durch das Meister-
zeichen und durch die als Zwang eingeführte Abstempelung. Es gab
vereidigte "städtische Zeichenmeister" und das Kontrollzeichen war
damals das Wappen der Fürsten von Ravensberg. Die Fabrikmarken
oder richtiger das Meisterzeichen hat bei keiner früheren Industrie
eine so wichtige Rolle gespielt, als wie bei der Klingenschmiederei.
Eine echte "Wolfsklinge" zu besitzen, war der Stolz eines deutschen,
wehrhaften Mannes und da ist es nun eigentümlich, dass sich Solingen
und Passau über die Priorität des Wolfszeichens als Schwertmarke
streiten können. Passau, welches ein sehr alter Schwertschmiedeplatz
war, hat dabei den Vorteil der bestimmten historischen Überlieferung.

In einer alten Passauer Chronik wird berichtet, dass der Passauer
Schwertschmiedezunft im Jahre 1349 das Wolfszeichen verliehen
worden sei. Die Stelle lautet:

Als man 1, 3, 4 und 9 gezählt,
Hat man Passau gar wohl gewöllt;
Herzog Albrecht umb diese Zeit,
Die Klingenschmiede hat befait,
Begabt mit dem Wolfszeichen;
Seitdem Niemand solch' Wehre scharff
In Österreich sonst machen darff,
Mit Zeichen -- desgleichen.

Das Passauer Wappenbild ist ein silberner Wolf in rotem Felde
und dürfte das Wolfszeichen wohl hiervon abzuleiten sein. Das
Zeichen Fig. 114, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf
hat, wurde auf den Klingen eingraviert und mit Messing eingelegt 1).

Indessen sind Passauer Klingen mit diesem Zeichen von so hohem
Alter kaum bekannt, während man Solinger Wolfsklingen viel häufiger
in den grösseren Waffensammlungen findet, so besonders zahlreich
in dem Historischen Museum zu Dresden, auf der Feste Koburg und
im Berliner Zeughause 2). Die Gestalt des "Wolfes" war meist roh,
nur durch wenige Hiebe, Striche oder Punkte (siehe Fig. 115) dar-
gestellt 3). Dass es ursprünglich das Fabrikzeichen eines durch seine
Klingen berühmten Solinger Meisters namens Wolf war, der um das
Jahr 1414 gelebt haben soll, ist nur eine Sage, indem sich das
Wolfszeichen (Fig. 115 a) bereits auf einem dem 13. Jahrhundert an-

1) Siehe Wendelin Böheim, Waffenkunde 1890, S. 252.
2) Siehe Ge-
schichte der Solinger Klingenindustrie von Rudolf Gronau.
3) Siehe R. Gronau,
a. a. O., S. 17.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
sorgfältige Kontrolle. Dieselbe drückte sich aus durch das Meister-
zeichen und durch die als Zwang eingeführte Abstempelung. Es gab
vereidigte „städtische Zeichenmeister“ und das Kontrollzeichen war
damals das Wappen der Fürsten von Ravensberg. Die Fabrikmarken
oder richtiger das Meisterzeichen hat bei keiner früheren Industrie
eine so wichtige Rolle gespielt, als wie bei der Klingenschmiederei.
Eine echte „Wolfsklinge“ zu besitzen, war der Stolz eines deutschen,
wehrhaften Mannes und da ist es nun eigentümlich, daſs sich Solingen
und Passau über die Priorität des Wolfszeichens als Schwertmarke
streiten können. Passau, welches ein sehr alter Schwertschmiedeplatz
war, hat dabei den Vorteil der bestimmten historischen Überlieferung.

In einer alten Passauer Chronik wird berichtet, daſs der Passauer
Schwertschmiedezunft im Jahre 1349 das Wolfszeichen verliehen
worden sei. Die Stelle lautet:

Als man 1, 3, 4 und 9 gezählt,
Hat man Passau gar wohl gewöllt;
Herzog Albrecht umb diese Zeit,
Die Klingenschmiede hat befait,
Begabt mit dem Wolfszeichen;
Seitdem Niemand solch’ Wehre scharff
In Österreich sonst machen darff,
Mit Zeichen — desgleichen.

Das Passauer Wappenbild ist ein silberner Wolf in rotem Felde
und dürfte das Wolfszeichen wohl hiervon abzuleiten sein. Das
Zeichen Fig. 114, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf
hat, wurde auf den Klingen eingraviert und mit Messing eingelegt 1).

Indessen sind Passauer Klingen mit diesem Zeichen von so hohem
Alter kaum bekannt, während man Solinger Wolfsklingen viel häufiger
in den gröſseren Waffensammlungen findet, so besonders zahlreich
in dem Historischen Museum zu Dresden, auf der Feste Koburg und
im Berliner Zeughause 2). Die Gestalt des „Wolfes“ war meist roh,
nur durch wenige Hiebe, Striche oder Punkte (siehe Fig. 115) dar-
gestellt 3). Daſs es ursprünglich das Fabrikzeichen eines durch seine
Klingen berühmten Solinger Meisters namens Wolf war, der um das
Jahr 1414 gelebt haben soll, ist nur eine Sage, indem sich das
Wolfszeichen (Fig. 115 a) bereits auf einem dem 13. Jahrhundert an-

1) Siehe Wendelin Böheim, Waffenkunde 1890, S. 252.
2) Siehe Ge-
schichte der Solinger Klingenindustrie von Rudolf Gronau.
3) Siehe R. Gronau,
a. a. O., S. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0414" n="394"/><fw place="top" type="header">Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.</fw><lb/>
sorgfältige Kontrolle. Dieselbe drückte sich aus durch das Meister-<lb/>
zeichen und durch die als Zwang eingeführte Abstempelung. Es gab<lb/>
vereidigte &#x201E;städtische Zeichenmeister&#x201C; und das Kontrollzeichen war<lb/>
damals das Wappen der Fürsten von Ravensberg. Die Fabrikmarken<lb/>
oder richtiger das Meisterzeichen hat bei keiner früheren Industrie<lb/>
eine so wichtige Rolle gespielt, als wie bei der Klingenschmiederei.<lb/>
Eine echte &#x201E;Wolfsklinge&#x201C; zu besitzen, war der Stolz eines deutschen,<lb/>
wehrhaften Mannes und da ist es nun eigentümlich, da&#x017F;s sich Solingen<lb/>
und Passau über die Priorität des Wolfszeichens als Schwertmarke<lb/>
streiten können. Passau, welches ein sehr alter Schwertschmiedeplatz<lb/>
war, hat dabei den Vorteil der bestimmten historischen Überlieferung.</p><lb/>
              <p>In einer alten Passauer Chronik wird berichtet, da&#x017F;s der Passauer<lb/>
Schwertschmiedezunft im Jahre 1349 das Wolfszeichen verliehen<lb/>
worden sei. Die Stelle lautet:</p><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Als man 1, 3, 4 und 9 gezählt,</l><lb/>
                <l>Hat man Passau gar wohl gewöllt;</l><lb/>
                <l>Herzog Albrecht umb diese Zeit,</l><lb/>
                <l>Die Klingenschmiede hat befait,</l><lb/>
                <l>Begabt mit dem <hi rendition="#g">Wolfszeichen</hi>;</l><lb/>
                <l>Seitdem Niemand solch&#x2019; Wehre scharff</l><lb/>
                <l>In Österreich sonst machen darff,</l><lb/>
                <l>Mit Zeichen &#x2014; desgleichen.</l>
              </lg><lb/>
              <p>Das Passauer Wappenbild ist ein silberner Wolf in rotem Felde<lb/>
und dürfte das Wolfszeichen wohl hiervon abzuleiten sein. Das<lb/>
Zeichen Fig. 114, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf<lb/>
hat, wurde auf den Klingen eingraviert und mit Messing eingelegt <note place="foot" n="1)">Siehe <hi rendition="#g">Wendelin Böheim</hi>, Waffenkunde 1890, S. 252.</note>.</p><lb/>
              <p>Indessen sind Passauer Klingen mit diesem Zeichen von so hohem<lb/>
Alter kaum bekannt, während man Solinger Wolfsklingen viel häufiger<lb/>
in den grö&#x017F;seren Waffensammlungen findet, so besonders zahlreich<lb/>
in dem Historischen Museum zu Dresden, auf der Feste Koburg und<lb/>
im Berliner Zeughause <note place="foot" n="2)">Siehe Ge-<lb/>
schichte der Solinger Klingenindustrie von <hi rendition="#g">Rudolf Gronau</hi>.</note>. Die Gestalt des &#x201E;Wolfes&#x201C; war meist roh,<lb/>
nur durch wenige Hiebe, Striche oder Punkte (siehe Fig. 115) dar-<lb/>
gestellt <note place="foot" n="3)">Siehe R. <hi rendition="#g">Gronau</hi>,<lb/>
a. a. O., S. 17.</note>. Da&#x017F;s es ursprünglich das Fabrikzeichen eines durch seine<lb/>
Klingen berühmten Solinger Meisters namens <hi rendition="#g">Wolf</hi> war, der um das<lb/>
Jahr 1414 gelebt haben soll, ist nur eine Sage, indem sich das<lb/>
Wolfszeichen (Fig. 115 <hi rendition="#i">a</hi>) bereits auf einem dem 13. Jahrhundert an-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0414] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. sorgfältige Kontrolle. Dieselbe drückte sich aus durch das Meister- zeichen und durch die als Zwang eingeführte Abstempelung. Es gab vereidigte „städtische Zeichenmeister“ und das Kontrollzeichen war damals das Wappen der Fürsten von Ravensberg. Die Fabrikmarken oder richtiger das Meisterzeichen hat bei keiner früheren Industrie eine so wichtige Rolle gespielt, als wie bei der Klingenschmiederei. Eine echte „Wolfsklinge“ zu besitzen, war der Stolz eines deutschen, wehrhaften Mannes und da ist es nun eigentümlich, daſs sich Solingen und Passau über die Priorität des Wolfszeichens als Schwertmarke streiten können. Passau, welches ein sehr alter Schwertschmiedeplatz war, hat dabei den Vorteil der bestimmten historischen Überlieferung. In einer alten Passauer Chronik wird berichtet, daſs der Passauer Schwertschmiedezunft im Jahre 1349 das Wolfszeichen verliehen worden sei. Die Stelle lautet: Als man 1, 3, 4 und 9 gezählt, Hat man Passau gar wohl gewöllt; Herzog Albrecht umb diese Zeit, Die Klingenschmiede hat befait, Begabt mit dem Wolfszeichen; Seitdem Niemand solch’ Wehre scharff In Österreich sonst machen darff, Mit Zeichen — desgleichen. Das Passauer Wappenbild ist ein silberner Wolf in rotem Felde und dürfte das Wolfszeichen wohl hiervon abzuleiten sein. Das Zeichen Fig. 114, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf hat, wurde auf den Klingen eingraviert und mit Messing eingelegt 1). Indessen sind Passauer Klingen mit diesem Zeichen von so hohem Alter kaum bekannt, während man Solinger Wolfsklingen viel häufiger in den gröſseren Waffensammlungen findet, so besonders zahlreich in dem Historischen Museum zu Dresden, auf der Feste Koburg und im Berliner Zeughause 2). Die Gestalt des „Wolfes“ war meist roh, nur durch wenige Hiebe, Striche oder Punkte (siehe Fig. 115) dar- gestellt 3). Daſs es ursprünglich das Fabrikzeichen eines durch seine Klingen berühmten Solinger Meisters namens Wolf war, der um das Jahr 1414 gelebt haben soll, ist nur eine Sage, indem sich das Wolfszeichen (Fig. 115 a) bereits auf einem dem 13. Jahrhundert an- 1) Siehe Wendelin Böheim, Waffenkunde 1890, S. 252. 2) Siehe Ge- schichte der Solinger Klingenindustrie von Rudolf Gronau. 3) Siehe R. Gronau, a. a. O., S. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/414
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/414>, abgerufen am 29.04.2024.