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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Klemens des Jahres 1361 ein Schloss vor den dortigen Rat gebracht
habe, welches so subtil und nett gearbeitet war, dass es nebst dem
Schlüssel eine Fliege mit ihren Beinen, so weit der Rathaustisch war,
ziehen konnte. Er habe dasselbe etlichemal auf- und zugeschlossen,
um zu zeigen, dass es praktikabel sei 1).

Hier sei auch das vielberühmte und viel bestrittene Kunstwerk
des Regiomontanus erwähnt, welcher für den Einzug Kaiser
Maximilians I. in Nürnberg einen Adler und eine Fliege von Eisen
verfertigte, welche wirklich geflogen sein sollen 2).

Die Schlosser waren in ihrem Gewerbe nahe verwandt mit den
Grossuhrmachern, mit denen sie auch späterhin eine Zunft
bildeten, und sie verfertigten wie diese mancherlei mechanische
Kunstwerke
, durch welche sie oft grösseren Ruhm erwarben, als
durch ihre Schlösser. So machte der Schlosser Hans Schlotheim
in Augsburg für Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert ein Schiff
mit Figuren, die sich durch ein compliciertes Räderwerk von selbst
bewegten 3). Er wurde überboten von Caspar Werner 4), wahr-
scheinlich zu Strassburg gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren.
Dieser machte ein Schiff von 3/4 Ellen Länge, das durch ein Uhr-
werk aufgezogen, auf dem Tisch herumfuhr. An der Spitze desselben
befand sich ein Kind, welches ruderte und dabei den Kopf hin und
her bewegte. Am Hinterteil stand ein anderes, in Gestalt eines Amor,
welches einen Pfeil auf ein bestimmtes Ziel abschoss. In der Mitte
des Fahrzeuges sass eine weibliche Figur, die nach dem Takte das
Hackbrett schlug.

Berühmter und heute noch bewundert ist die Uhr der Frauen-
kirche zu Nürnberg mit dem sogenannten "Männleinlaufen". Diese
Bezeichnung hat der Volkswitz dem Werk gegeben, weil sich mit dem
Schlage der vollen Stunden die sieben Kurfürsten um den in der
Mitte auf dem Throne sitzenden Kaiser bewegen und sich vor ihm
verneigen. Die Figuren sind fast einen Meter hoch und von Sebastian
Linthenast
aus Kupfer verfertigt. Dagegen ist alles Übrige, das
eiserne Triebwerk, sowie der ganze Entwurf, von Georg Heuss 5).
Nach seinem Vertrage mit dem Kirchenmeister Sebald Schreiner

1) Bauer, Histor. Raritätenkabinet. 4. Bd., S. 228.
2) Siehe Wagenseil, de civitate Norimberg, p. 152. Rami scholae mathem.
L. II, 62.
3) Siehe aus der Geschichte der Schlosserei von Dr. Walter Waechsle in
der deutschen Schlosserzeitung 1883, S. 57.
4) Neudörfer 1547, a. a. O., S. 78.
5) Nach Neudörfer 1547; ed. Lochner, S. 69: Hanns Heuss.

Die Schlosserei im 16. Jahrhundert.
Klemens des Jahres 1361 ein Schloſs vor den dortigen Rat gebracht
habe, welches so subtil und nett gearbeitet war, daſs es nebst dem
Schlüssel eine Fliege mit ihren Beinen, so weit der Rathaustisch war,
ziehen konnte. Er habe dasſelbe etlichemal auf- und zugeschlossen,
um zu zeigen, daſs es praktikabel sei 1).

Hier sei auch das vielberühmte und viel bestrittene Kunstwerk
des Regiomontanus erwähnt, welcher für den Einzug Kaiser
Maximilians I. in Nürnberg einen Adler und eine Fliege von Eisen
verfertigte, welche wirklich geflogen sein sollen 2).

Die Schlosser waren in ihrem Gewerbe nahe verwandt mit den
Groſsuhrmachern, mit denen sie auch späterhin eine Zunft
bildeten, und sie verfertigten wie diese mancherlei mechanische
Kunstwerke
, durch welche sie oft gröſseren Ruhm erwarben, als
durch ihre Schlösser. So machte der Schlosser Hans Schlotheim
in Augsburg für Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert ein Schiff
mit Figuren, die sich durch ein compliciertes Räderwerk von selbst
bewegten 3). Er wurde überboten von Caspar Werner 4), wahr-
scheinlich zu Straſsburg gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren.
Dieser machte ein Schiff von ¾ Ellen Länge, das durch ein Uhr-
werk aufgezogen, auf dem Tisch herumfuhr. An der Spitze desſelben
befand sich ein Kind, welches ruderte und dabei den Kopf hin und
her bewegte. Am Hinterteil stand ein anderes, in Gestalt eines Amor,
welches einen Pfeil auf ein bestimmtes Ziel abschoſs. In der Mitte
des Fahrzeuges saſs eine weibliche Figur, die nach dem Takte das
Hackbrett schlug.

Berühmter und heute noch bewundert ist die Uhr der Frauen-
kirche zu Nürnberg mit dem sogenannten „Männleinlaufen“. Diese
Bezeichnung hat der Volkswitz dem Werk gegeben, weil sich mit dem
Schlage der vollen Stunden die sieben Kurfürsten um den in der
Mitte auf dem Throne sitzenden Kaiser bewegen und sich vor ihm
verneigen. Die Figuren sind fast einen Meter hoch und von Sebastian
Linthenast
aus Kupfer verfertigt. Dagegen ist alles Übrige, das
eiserne Triebwerk, sowie der ganze Entwurf, von Georg Heuſs 5).
Nach seinem Vertrage mit dem Kirchenmeister Sebald Schreiner

1) Bauer, Histor. Raritätenkabinet. 4. Bd., S. 228.
2) Siehe Wagenseil, de civitate Norimberg, p. 152. Rami scholae mathem.
L. II, 62.
3) Siehe aus der Geschichte der Schlosserei von Dr. Walter Waechsle in
der deutschen Schlosserzeitung 1883, S. 57.
4) Neudörfer 1547, a. a. O., S. 78.
5) Nach Neudörfer 1547; ed. Lochner, S. 69: Hanns Heuſs.
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[470/0490] Die Schlosserei im 16. Jahrhundert. Klemens des Jahres 1361 ein Schloſs vor den dortigen Rat gebracht habe, welches so subtil und nett gearbeitet war, daſs es nebst dem Schlüssel eine Fliege mit ihren Beinen, so weit der Rathaustisch war, ziehen konnte. Er habe dasſelbe etlichemal auf- und zugeschlossen, um zu zeigen, daſs es praktikabel sei 1). Hier sei auch das vielberühmte und viel bestrittene Kunstwerk des Regiomontanus erwähnt, welcher für den Einzug Kaiser Maximilians I. in Nürnberg einen Adler und eine Fliege von Eisen verfertigte, welche wirklich geflogen sein sollen 2). Die Schlosser waren in ihrem Gewerbe nahe verwandt mit den Groſsuhrmachern, mit denen sie auch späterhin eine Zunft bildeten, und sie verfertigten wie diese mancherlei mechanische Kunstwerke, durch welche sie oft gröſseren Ruhm erwarben, als durch ihre Schlösser. So machte der Schlosser Hans Schlotheim in Augsburg für Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert ein Schiff mit Figuren, die sich durch ein compliciertes Räderwerk von selbst bewegten 3). Er wurde überboten von Caspar Werner 4), wahr- scheinlich zu Straſsburg gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren. Dieser machte ein Schiff von ¾ Ellen Länge, das durch ein Uhr- werk aufgezogen, auf dem Tisch herumfuhr. An der Spitze desſelben befand sich ein Kind, welches ruderte und dabei den Kopf hin und her bewegte. Am Hinterteil stand ein anderes, in Gestalt eines Amor, welches einen Pfeil auf ein bestimmtes Ziel abschoſs. In der Mitte des Fahrzeuges saſs eine weibliche Figur, die nach dem Takte das Hackbrett schlug. Berühmter und heute noch bewundert ist die Uhr der Frauen- kirche zu Nürnberg mit dem sogenannten „Männleinlaufen“. Diese Bezeichnung hat der Volkswitz dem Werk gegeben, weil sich mit dem Schlage der vollen Stunden die sieben Kurfürsten um den in der Mitte auf dem Throne sitzenden Kaiser bewegen und sich vor ihm verneigen. Die Figuren sind fast einen Meter hoch und von Sebastian Linthenast aus Kupfer verfertigt. Dagegen ist alles Übrige, das eiserne Triebwerk, sowie der ganze Entwurf, von Georg Heuſs 5). Nach seinem Vertrage mit dem Kirchenmeister Sebald Schreiner 1) Bauer, Histor. Raritätenkabinet. 4. Bd., S. 228. 2) Siehe Wagenseil, de civitate Norimberg, p. 152. Rami scholae mathem. L. II, 62. 3) Siehe aus der Geschichte der Schlosserei von Dr. Walter Waechsle in der deutschen Schlosserzeitung 1883, S. 57. 4) Neudörfer 1547, a. a. O., S. 78. 5) Nach Neudörfer 1547; ed. Lochner, S. 69: Hanns Heuſs.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/490>, abgerufen am 29.04.2024.