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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Nagelschmiede.
Nägel in einen steinernen Krug oder Topf, in dem sich Essig und
Kupferwasser befand, liess sie in dieser Beize 24 Stunden bei dem
Feuer der Esse stehen, wobei man nur von Zeit zu Zeit umschüttelte.
Dadurch lösen sich Rost und Hammerschlag ab, das blanke Eisen
kommt zum Vorschein. Alsdann bringt man die Nägel in einen
eisernen Topf, worin sich etwa 1/2 Pfund Talg und 1/2 Pfund Probe-
zinn befinden, setzt diesen aufs Feuer und schüttelt fortwährend um,
damit sie sich überall gleichmässig verzinnen und nicht zusammen-
kleben. Hierauf kommen sie in einen andern Topf mit heisser Seifen-
siederlauge, worin sie am Feuer erhitzt und umgeschüttelt werden,
um den anklebenden Talg u. s. w. davon abzubringen. Aus dieser
Lauge werden die Nägel in einen Beutel mit feinen Sägespänen gethan
und darin durch Schütteln gereinigt und getrocknet.

Ein Hauptteil des Meisterstücks der Weissnagelschmiede bestand
darin, ein halbes oder ein ganzes Tausend ganz kleiner, verzinnter
Nägel zu machen, welche, auf das Wasser geworfen, darauf schwimmen
mussten.

Das Examen der Nagelschmiede bei der Meisterprüfung in Koblenz
dauerte drei Tage und war schon im 16. Jahrhundert folgendes
Meisterstück vorgeschrieben: Am ersten Tage musste der Schmied
1500 kleine Nägelchen fertigen, die in eine gemeine Hühnereierschale
gelegt werden konnten. Am andern Tage hatte er folgende Nagel-
formenlöcher darzustellen: ein ganzes Saumspeicherloch, ein halbes
Saumspeicherloch, ein Massspeicherloch, ein Scharnägelloch, ein Gesenk-
nägelloch, ein Hofnägelloch, ein Schlossnägelloch und ein Schuhnägel-
loch; am dritten Tage musste er aus 7 kg Eisen 1000 Sandellen liefern,
die jedoch nur 10 Pfund wiegen durften 1).

Die Schwarz- wie die Weissnagelschmiede hatten fünf- bis sechs-
jährige Lehrzeit, und waren ein geschenktes Handwerk, d. h. sie
durften überall bei den Zunftbrüdern ein Geschenk verlangen.



1) Siehe W. A. Günther, Topograph. Gesch. d. Stadt Koblenz, S. 444.

Nagelschmiede.
Nägel in einen steinernen Krug oder Topf, in dem sich Essig und
Kupferwasser befand, lieſs sie in dieser Beize 24 Stunden bei dem
Feuer der Esse stehen, wobei man nur von Zeit zu Zeit umschüttelte.
Dadurch lösen sich Rost und Hammerschlag ab, das blanke Eisen
kommt zum Vorschein. Alsdann bringt man die Nägel in einen
eisernen Topf, worin sich etwa ½ Pfund Talg und ½ Pfund Probe-
zinn befinden, setzt diesen aufs Feuer und schüttelt fortwährend um,
damit sie sich überall gleichmäſsig verzinnen und nicht zusammen-
kleben. Hierauf kommen sie in einen andern Topf mit heiſser Seifen-
siederlauge, worin sie am Feuer erhitzt und umgeschüttelt werden,
um den anklebenden Talg u. s. w. davon abzubringen. Aus dieser
Lauge werden die Nägel in einen Beutel mit feinen Sägespänen gethan
und darin durch Schütteln gereinigt und getrocknet.

Ein Hauptteil des Meisterstücks der Weiſsnagelschmiede bestand
darin, ein halbes oder ein ganzes Tausend ganz kleiner, verzinnter
Nägel zu machen, welche, auf das Wasser geworfen, darauf schwimmen
muſsten.

Das Examen der Nagelschmiede bei der Meisterprüfung in Koblenz
dauerte drei Tage und war schon im 16. Jahrhundert folgendes
Meisterstück vorgeschrieben: Am ersten Tage muſste der Schmied
1500 kleine Nägelchen fertigen, die in eine gemeine Hühnereierschale
gelegt werden konnten. Am andern Tage hatte er folgende Nagel-
formenlöcher darzustellen: ein ganzes Saumspeicherloch, ein halbes
Saumspeicherloch, ein Maſsspeicherloch, ein Scharnägelloch, ein Gesenk-
nägelloch, ein Hofnägelloch, ein Schloſsnägelloch und ein Schuhnägel-
loch; am dritten Tage muſste er aus 7 kg Eisen 1000 Sandellen liefern,
die jedoch nur 10 Pfund wiegen durften 1).

Die Schwarz- wie die Weiſsnagelschmiede hatten fünf- bis sechs-
jährige Lehrzeit, und waren ein geschenktes Handwerk, d. h. sie
durften überall bei den Zunftbrüdern ein Geschenk verlangen.



1) Siehe W. A. Günther, Topograph. Gesch. d. Stadt Koblenz, S. 444.
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[498/0518] Nagelschmiede. Nägel in einen steinernen Krug oder Topf, in dem sich Essig und Kupferwasser befand, lieſs sie in dieser Beize 24 Stunden bei dem Feuer der Esse stehen, wobei man nur von Zeit zu Zeit umschüttelte. Dadurch lösen sich Rost und Hammerschlag ab, das blanke Eisen kommt zum Vorschein. Alsdann bringt man die Nägel in einen eisernen Topf, worin sich etwa ½ Pfund Talg und ½ Pfund Probe- zinn befinden, setzt diesen aufs Feuer und schüttelt fortwährend um, damit sie sich überall gleichmäſsig verzinnen und nicht zusammen- kleben. Hierauf kommen sie in einen andern Topf mit heiſser Seifen- siederlauge, worin sie am Feuer erhitzt und umgeschüttelt werden, um den anklebenden Talg u. s. w. davon abzubringen. Aus dieser Lauge werden die Nägel in einen Beutel mit feinen Sägespänen gethan und darin durch Schütteln gereinigt und getrocknet. Ein Hauptteil des Meisterstücks der Weiſsnagelschmiede bestand darin, ein halbes oder ein ganzes Tausend ganz kleiner, verzinnter Nägel zu machen, welche, auf das Wasser geworfen, darauf schwimmen muſsten. Das Examen der Nagelschmiede bei der Meisterprüfung in Koblenz dauerte drei Tage und war schon im 16. Jahrhundert folgendes Meisterstück vorgeschrieben: Am ersten Tage muſste der Schmied 1500 kleine Nägelchen fertigen, die in eine gemeine Hühnereierschale gelegt werden konnten. Am andern Tage hatte er folgende Nagel- formenlöcher darzustellen: ein ganzes Saumspeicherloch, ein halbes Saumspeicherloch, ein Maſsspeicherloch, ein Scharnägelloch, ein Gesenk- nägelloch, ein Hofnägelloch, ein Schloſsnägelloch und ein Schuhnägel- loch; am dritten Tage muſste er aus 7 kg Eisen 1000 Sandellen liefern, die jedoch nur 10 Pfund wiegen durften 1). Die Schwarz- wie die Weiſsnagelschmiede hatten fünf- bis sechs- jährige Lehrzeit, und waren ein geschenktes Handwerk, d. h. sie durften überall bei den Zunftbrüdern ein Geschenk verlangen. 1) Siehe W. A. Günther, Topograph. Gesch. d. Stadt Koblenz, S. 444.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/518>, abgerufen am 27.04.2024.