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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.

Faustinus Verantius, genannt Sicenus, war ein Dalmatier,
geboren zu Sebenico, gestorben 1617. Er schrieb: Logica nova suis
instrumentis formata et recognita, Venet. 1616 und Machinae novae
addita declaratione etc. ib. fol. Im letztgenannten Werke beschrieb er
bereits eiserne Hängebrücken und artesische Brunnen.

In Deutschland erschien Zeisings Theatrum Machinarum 1636
und G. Andr. Boeklers Schauplatz von Maschinen 1673. Beide
stützten sich auf ihre italienischen Vorgänger, namentlich ist Boek-
lers
Buch nur ein Nachdruck aus Ramelli und aus Stradas Ab-
riss. Origineller ist das Werk von Caspar Schott, Mechanica
hydraulica-pneumatica. Herbipol. 1657. Derselbe machte sich um
die Konstruktion der Feuerspritzen verdient.

Während von Männern der Wissenschaft die praktische Mechanik
in Deutschland im 17. Jahrhundert im ganzen nur wenig gepflegt
wurde, verdanken wir den zunftmässigen Praktikern in Deutschland
verschiedene wichtige Erfindungen von dauerndem Wert. Nürnberg
war nach wie vor die Hochschule zunftmässiger Mechaniker. Von
diesen war der berühmteste Hans Hautsch, der höchst merkwürdige
Fuhrwerke zum Selbstbetrieb, ähnlich den späteren Draisinen, kon-
struierte. Von ihm schreibt Neudörfer: "Hanns Hautsch, Zirkul-
schmid, ein inventiöser und künstlicher Mann, hat mit seinen Söhnen
den Wagen gemacht, den man durch verborgenes Ziehwerk ohne
Stoss, wohin man gewollt, ja gar bergauf leiten können, welchen
anno 1650 Ihr fürstliche Durchlaucht, Herr Carl Gustav, der Cron
Schweden Generalissimus, von ihm um 800 Thlr. gekauft, nach
Schweden geführt und zu seinem Einzug gebraucht. -- Dieser Hautsch
hat auch ein Haus 1) mit zweiundsiebzigerlei Handwerken zugerichtet,
deren jedes in seinem besonderen Gemach durch Federn und Zug-
werk auf einmal und zugleich das seinige gethan; -- hat auch ein
Spritzwerk, in Feuergefahr zu gebrauchen, auf eine besondere Art
künstlich erfunden und gemacht, welches grosse Ströme Wasser in
die 100 Schuh mit grosser Gewalt treibt und seithero dem König von
Dänemark verkauft."

Er erfand ferner einen selbst fahr- und lenkbaren Krankenstuhl,
welchen Doppelmeyer abgebildet hat. Dieser bemerkt noch zu dem
oben erwähnten grossen vierräderigen Wagen, dass Hautsch mit dem-
selben 2000 Schritt in der Stunde bergauf und -ab um Nürnberg

1) Ein mechanisches Spielwerk. Er machte übrigens zwei dergleichen, das
eine kam nach Dänemark, das andere nach Florenz.
Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert.

Faustinus Verantius, genannt Sicenus, war ein Dalmatier,
geboren zu Sebenico, gestorben 1617. Er schrieb: Logica nova suis
instrumentis formata et recognita, Venet. 1616 und Machinae novae
addita declaratione etc. ib. fol. Im letztgenannten Werke beschrieb er
bereits eiserne Hängebrücken und artesische Brunnen.

In Deutschland erschien Zeisings Theatrum Machinarum 1636
und G. Andr. Boeklers Schauplatz von Maschinen 1673. Beide
stützten sich auf ihre italienischen Vorgänger, namentlich ist Boek-
lers
Buch nur ein Nachdruck aus Ramelli und aus Stradas Ab-
riſs. Origineller ist das Werk von Caspar Schott, Mechanica
hydraulica-pneumatica. Herbipol. 1657. Derselbe machte sich um
die Konstruktion der Feuerspritzen verdient.

Während von Männern der Wissenschaft die praktische Mechanik
in Deutschland im 17. Jahrhundert im ganzen nur wenig gepflegt
wurde, verdanken wir den zunftmäſsigen Praktikern in Deutschland
verschiedene wichtige Erfindungen von dauerndem Wert. Nürnberg
war nach wie vor die Hochschule zunftmäſsiger Mechaniker. Von
diesen war der berühmteste Hans Hautsch, der höchst merkwürdige
Fuhrwerke zum Selbstbetrieb, ähnlich den späteren Draisinen, kon-
struierte. Von ihm schreibt Neudörfer: „Hanns Hautsch, Zirkul-
schmid, ein inventiöser und künstlicher Mann, hat mit seinen Söhnen
den Wagen gemacht, den man durch verborgenes Ziehwerk ohne
Stoſs, wohin man gewollt, ja gar bergauf leiten können, welchen
anno 1650 Ihr fürstliche Durchlaucht, Herr Carl Gustav, der Cron
Schweden Generalissimus, von ihm um 800 Thlr. gekauft, nach
Schweden geführt und zu seinem Einzug gebraucht. — Dieser Hautsch
hat auch ein Haus 1) mit zweiundsiebzigerlei Handwerken zugerichtet,
deren jedes in seinem besonderen Gemach durch Federn und Zug-
werk auf einmal und zugleich das seinige gethan; — hat auch ein
Spritzwerk, in Feuergefahr zu gebrauchen, auf eine besondere Art
künstlich erfunden und gemacht, welches groſse Ströme Wasser in
die 100 Schuh mit groſser Gewalt treibt und seithero dem König von
Dänemark verkauft.“

Er erfand ferner einen selbst fahr- und lenkbaren Krankenstuhl,
welchen Doppelmeyer abgebildet hat. Dieser bemerkt noch zu dem
oben erwähnten groſsen vierräderigen Wagen, daſs Hautsch mit dem-
selben 2000 Schritt in der Stunde bergauf und -ab um Nürnberg

1) Ein mechanisches Spielwerk. Er machte übrigens zwei dergleichen, das
eine kam nach Dänemark, das andere nach Florenz.
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[918/0940] Physik und Mechanik im 17. Jahrhundert. Faustinus Verantius, genannt Sicenus, war ein Dalmatier, geboren zu Sebenico, gestorben 1617. Er schrieb: Logica nova suis instrumentis formata et recognita, Venet. 1616 und Machinae novae addita declaratione etc. ib. fol. Im letztgenannten Werke beschrieb er bereits eiserne Hängebrücken und artesische Brunnen. In Deutschland erschien Zeisings Theatrum Machinarum 1636 und G. Andr. Boeklers Schauplatz von Maschinen 1673. Beide stützten sich auf ihre italienischen Vorgänger, namentlich ist Boek- lers Buch nur ein Nachdruck aus Ramelli und aus Stradas Ab- riſs. Origineller ist das Werk von Caspar Schott, Mechanica hydraulica-pneumatica. Herbipol. 1657. Derselbe machte sich um die Konstruktion der Feuerspritzen verdient. Während von Männern der Wissenschaft die praktische Mechanik in Deutschland im 17. Jahrhundert im ganzen nur wenig gepflegt wurde, verdanken wir den zunftmäſsigen Praktikern in Deutschland verschiedene wichtige Erfindungen von dauerndem Wert. Nürnberg war nach wie vor die Hochschule zunftmäſsiger Mechaniker. Von diesen war der berühmteste Hans Hautsch, der höchst merkwürdige Fuhrwerke zum Selbstbetrieb, ähnlich den späteren Draisinen, kon- struierte. Von ihm schreibt Neudörfer: „Hanns Hautsch, Zirkul- schmid, ein inventiöser und künstlicher Mann, hat mit seinen Söhnen den Wagen gemacht, den man durch verborgenes Ziehwerk ohne Stoſs, wohin man gewollt, ja gar bergauf leiten können, welchen anno 1650 Ihr fürstliche Durchlaucht, Herr Carl Gustav, der Cron Schweden Generalissimus, von ihm um 800 Thlr. gekauft, nach Schweden geführt und zu seinem Einzug gebraucht. — Dieser Hautsch hat auch ein Haus 1) mit zweiundsiebzigerlei Handwerken zugerichtet, deren jedes in seinem besonderen Gemach durch Federn und Zug- werk auf einmal und zugleich das seinige gethan; — hat auch ein Spritzwerk, in Feuergefahr zu gebrauchen, auf eine besondere Art künstlich erfunden und gemacht, welches groſse Ströme Wasser in die 100 Schuh mit groſser Gewalt treibt und seithero dem König von Dänemark verkauft.“ Er erfand ferner einen selbst fahr- und lenkbaren Krankenstuhl, welchen Doppelmeyer abgebildet hat. Dieser bemerkt noch zu dem oben erwähnten groſsen vierräderigen Wagen, daſs Hautsch mit dem- selben 2000 Schritt in der Stunde bergauf und -ab um Nürnberg 1) Ein mechanisches Spielwerk. Er machte übrigens zwei dergleichen, das eine kam nach Dänemark, das andere nach Florenz.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 918. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/940>, abgerufen am 30.04.2024.