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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Chemie im 17. Jahrhundert.

"Das dritte principium activum ist das Saltz, welches sich
spüren lässt, wenn die flüchtigen Wesen in Rauch davongangen, weil
es beständig bei den Erden verbleibet, von welchen, wenn es durch
Auslaugung und Ausdünstung geschieden, alsdann überkommt man es
wie einen Leib, so leicht zu pulverisiren, welches seine Trockene be-
zeuget; deswegen es die Feuchtigkeit so stark an sich ziehet, dass es
in Kurzem zu Oel wird oder in einen liquorem sich verwandelt. Das
Salz wird durchs Feuer gereinigt und ist unverbrennlich, es hält den
spiritum an sich, bewahret den Schwefel vom Verbrennen und ist
ihnen anstatt des Fundamentes; es verursacht den Unterschied des
Geschmackes und macht die Dinge, worin es überflüssig ist, dauer-
hafftig und schier unvergänglich; zum Exempel der Eichbaum, welcher
viel Salz und wenig Oel hat, dauert lange und viel andre dergleichen
mixta mehr."

Nach Glasers Auffassung sind aber die drei Principien nur
Kräfte, welche sich an indifferenten Substraten bethätigen. Er
schreibt Kap. V: "Von den leidenden principiis, dem phlegmate und
den Erden." Darin führt er als ein principium passivum zunächst
das Wasser auf, welches er das vornehmste nennt. Es ist schädlich
durch zuviel und weil es leicht fault; nützlich aber, weil es das Salz
auflöst und es dadurch mit dem Geist und Öl vereinigt. Es mässigt
die Schärfe des Salzes und des Geistes und fördert das Brennen des
Öles. Das andere principium passivum ist die Erde, die gering ge-
achtet wird, aber nützlich ist, weil sie das Salz, das sonst leicht vom
Wasser gelöst und fortgeführt würde, fest hält. Wenn sie ganz der
andern principiorum beraubt ist, wird sie verdammte Erde ge-
nannt (!).

Von solchen Anschauungen konnte die Technik nicht viel Nutzen
ziehen.

Über den chemischen Vorgang der Verwandlung von Eisen in
Stahl äussert sich ein andrer berühmter Chemiker jener Zeit,
N. Lemery, in seinen Cours de Chymie (1675) folgendermassen 1):
"Das Eisen ist ein sehr poröses Metall, zusammengesetzt aus vitrioli-
schem Salz, Schwefel und Erde, schlecht verbunden und gemischt. Man
wandelt es in Stahl um mit Hilfe von Horn- und Hufspänen, die man

1) Le fer est un metal fort poreux, compose de sel vitriolique, de soulfre et
de terre mal liez et digerez ensemble. -- On le reduit en acier par le moyen des
cornes ou des ongles d'animaux, avec lesquelles on le stratifie et en suite on le
calcine; ces matieres contenant beaucoup de sel volatile, qui est Alcali, tuent
les acides du fer qui tenoient ses pores ouverts et le rendent plus compacte.
Die Chemie im 17. Jahrhundert.

„Das dritte principium activum ist das Saltz, welches sich
spüren läſst, wenn die flüchtigen Wesen in Rauch davongangen, weil
es beständig bei den Erden verbleibet, von welchen, wenn es durch
Auslaugung und Ausdünstung geschieden, alsdann überkommt man es
wie einen Leib, so leicht zu pulverisiren, welches seine Trockene be-
zeuget; deswegen es die Feuchtigkeit so stark an sich ziehet, daſs es
in Kurzem zu Oel wird oder in einen liquorem sich verwandelt. Das
Salz wird durchs Feuer gereinigt und ist unverbrennlich, es hält den
spiritum an sich, bewahret den Schwefel vom Verbrennen und ist
ihnen anstatt des Fundamentes; es verursacht den Unterschied des
Geschmackes und macht die Dinge, worin es überflüssig ist, dauer-
hafftig und schier unvergänglich; zum Exempel der Eichbaum, welcher
viel Salz und wenig Oel hat, dauert lange und viel andre dergleichen
mixta mehr.“

Nach Glasers Auffassung sind aber die drei Principien nur
Kräfte, welche sich an indifferenten Substraten bethätigen. Er
schreibt Kap. V: „Von den leidenden principiis, dem phlegmate und
den Erden.“ Darin führt er als ein principium passivum zunächst
das Wasser auf, welches er das vornehmste nennt. Es ist schädlich
durch zuviel und weil es leicht fault; nützlich aber, weil es das Salz
auflöst und es dadurch mit dem Geist und Öl vereinigt. Es mäſsigt
die Schärfe des Salzes und des Geistes und fördert das Brennen des
Öles. Das andere principium passivum ist die Erde, die gering ge-
achtet wird, aber nützlich ist, weil sie das Salz, das sonst leicht vom
Wasser gelöst und fortgeführt würde, fest hält. Wenn sie ganz der
andern principiorum beraubt ist, wird sie verdammte Erde ge-
nannt (!).

Von solchen Anschauungen konnte die Technik nicht viel Nutzen
ziehen.

Über den chemischen Vorgang der Verwandlung von Eisen in
Stahl äuſsert sich ein andrer berühmter Chemiker jener Zeit,
N. Lemery, in seinen Cours de Chymie (1675) folgendermaſsen 1):
„Das Eisen ist ein sehr poröses Metall, zusammengesetzt aus vitrioli-
schem Salz, Schwefel und Erde, schlecht verbunden und gemischt. Man
wandelt es in Stahl um mit Hilfe von Horn- und Hufspänen, die man

1) Le fer est un métal fort poreux, composé de sel vitriolique, de soulfre et
de terre mal liez et digerez ensemble. — On le reduit en acier par le moyen des
cornes ou des ongles d’animaux, avec lesquelles on le stratifie et en suite on le
calcine; ces matiéres contenant beaucoup de sel volatile, qui est Alcali, tuent
les acides du fer qui tenoient ses pores ouverts et le rendent plus compacte.
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[964/0986] Die Chemie im 17. Jahrhundert. „Das dritte principium activum ist das Saltz, welches sich spüren läſst, wenn die flüchtigen Wesen in Rauch davongangen, weil es beständig bei den Erden verbleibet, von welchen, wenn es durch Auslaugung und Ausdünstung geschieden, alsdann überkommt man es wie einen Leib, so leicht zu pulverisiren, welches seine Trockene be- zeuget; deswegen es die Feuchtigkeit so stark an sich ziehet, daſs es in Kurzem zu Oel wird oder in einen liquorem sich verwandelt. Das Salz wird durchs Feuer gereinigt und ist unverbrennlich, es hält den spiritum an sich, bewahret den Schwefel vom Verbrennen und ist ihnen anstatt des Fundamentes; es verursacht den Unterschied des Geschmackes und macht die Dinge, worin es überflüssig ist, dauer- hafftig und schier unvergänglich; zum Exempel der Eichbaum, welcher viel Salz und wenig Oel hat, dauert lange und viel andre dergleichen mixta mehr.“ Nach Glasers Auffassung sind aber die drei Principien nur Kräfte, welche sich an indifferenten Substraten bethätigen. Er schreibt Kap. V: „Von den leidenden principiis, dem phlegmate und den Erden.“ Darin führt er als ein principium passivum zunächst das Wasser auf, welches er das vornehmste nennt. Es ist schädlich durch zuviel und weil es leicht fault; nützlich aber, weil es das Salz auflöst und es dadurch mit dem Geist und Öl vereinigt. Es mäſsigt die Schärfe des Salzes und des Geistes und fördert das Brennen des Öles. Das andere principium passivum ist die Erde, die gering ge- achtet wird, aber nützlich ist, weil sie das Salz, das sonst leicht vom Wasser gelöst und fortgeführt würde, fest hält. Wenn sie ganz der andern principiorum beraubt ist, wird sie verdammte Erde ge- nannt (!). Von solchen Anschauungen konnte die Technik nicht viel Nutzen ziehen. Über den chemischen Vorgang der Verwandlung von Eisen in Stahl äuſsert sich ein andrer berühmter Chemiker jener Zeit, N. Lemery, in seinen Cours de Chymie (1675) folgendermaſsen 1): „Das Eisen ist ein sehr poröses Metall, zusammengesetzt aus vitrioli- schem Salz, Schwefel und Erde, schlecht verbunden und gemischt. Man wandelt es in Stahl um mit Hilfe von Horn- und Hufspänen, die man 1) Le fer est un métal fort poreux, composé de sel vitriolique, de soulfre et de terre mal liez et digerez ensemble. — On le reduit en acier par le moyen des cornes ou des ongles d’animaux, avec lesquelles on le stratifie et en suite on le calcine; ces matiéres contenant beaucoup de sel volatile, qui est Alcali, tuent les acides du fer qui tenoient ses pores ouverts et le rendent plus compacte.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 964. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/986>, abgerufen am 30.04.2024.