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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Lothringen bis 1766.
gehörten die von Hayingen (Hayange) 1), welche gegen Ende des
17. Jahrhunderts Isabella von Lenoncourt, die zum zweitenmal
geheiratet hatte, besass. Nach ihrem Tode entstanden Erbstreitig-
keiten. Die Eisenwerke wurden der Tochter aus erster Ehe, welche
sich mit einem Baron de Vienne vermählt hatte, zugesprochen,
was durch einen Vergleich 1703 bestätigt wurde. -- Neben diesen
alten Werken hatte Rudolf Hullin in den Jahren 1665 bis 1677
neuere Eisenwerke angelegt, welche nach seinem Tode in den Besitz
seiner Töchter und Schwiegersöhne, der Herren le Comte und de
Ridonet
übergingen. Diese gerieten in Geldverlegenheit und ver-
kauften am 26. März 1704 die Eisenwerke für 3208 L. T. und ein
Geschenk von 15 Livr. Gold "für die Damen" an Jean Martin
Wendel
.

Jean Martin, der eigentliche Gründer des Eisenadels de
Wendel
, war ein hochbegabter Mann, gewandt in Geschäften und
ein erfahrener Eisenhüttenmann. Im Jahre 1710 erscheint er schon
als "Seigneur de Hayange". Er kaufte am 19. Februar dieses Jahres
verschiedene alte Eisenwerke unterhalb Hayange, die noch von dem
Marquis von Marolles herrührten (maiures de vieilles forges, four-
neaux et dependances appelles Marolles) 2), und am 22. ein Eisenwerk
eines Herrn von Bienassises für 780 Livr. Er baute die Werke
um und führte viele Verbesserungen ein. Sein geschäftlicher Erfolg
war so gross, dass er bei seinem Tode ein Vermögen von 700000 Livr.
hinterliess.

1719 erhielt Pierre Aubry, Bürger zu Rambervilliers, die Kon-
zession, im Bezirk von Gennanvoy einen Hochofen zu errichten. Dieser
Hochofen stand 1850 noch im Betrieb.

Im August 1720 hatte sich eine grosse Bergbau- und Hütten-
gesellschaft für Lothringen gebildet 3). Dieselbe erhielt von Herzog
Leopold für 10 Jahre die Erlaubnis, überall Fabriken zu errichten,
Holz gegen Zahlung aus den fürstlichen Waldungen zu beziehen, Be-
freiung von Abgaben und Kriegsdienst u. s. w. Von der Herrschaft
sollten besondere Richter eingesetzt werden, die in allen Streitfällen
bis zu 50 Frcs. erkennen sollten. Diese Gesellschaft hatte aber keinen

1) Das Folgende nach gefälligen Mitteilungen der Herren de Wendel zu
Hayingen.
2) Nach einer anderen Nachricht erwarb er den Hammer La Marolle im
September 1715 von Philippe du Conne, einem Erben des Marquis de Ma-
rolles
.
3) Lepage, a. a. O., p. 419.
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Lothringen bis 1766.
gehörten die von Hayingen (Hayange) 1), welche gegen Ende des
17. Jahrhunderts Isabella von Lenoncourt, die zum zweitenmal
geheiratet hatte, besaſs. Nach ihrem Tode entstanden Erbstreitig-
keiten. Die Eisenwerke wurden der Tochter aus erster Ehe, welche
sich mit einem Baron de Vienne vermählt hatte, zugesprochen,
was durch einen Vergleich 1703 bestätigt wurde. — Neben diesen
alten Werken hatte Rudolf Hullin in den Jahren 1665 bis 1677
neuere Eisenwerke angelegt, welche nach seinem Tode in den Besitz
seiner Töchter und Schwiegersöhne, der Herren le Comte und de
Ridonet
übergingen. Diese gerieten in Geldverlegenheit und ver-
kauften am 26. März 1704 die Eisenwerke für 3208 L. T. und ein
Geschenk von 15 Livr. Gold „für die Damen“ an Jean Martin
Wendel
.

Jean Martin, der eigentliche Gründer des Eisenadels de
Wendel
, war ein hochbegabter Mann, gewandt in Geschäften und
ein erfahrener Eisenhüttenmann. Im Jahre 1710 erscheint er schon
als „Seigneur de Hayange“. Er kaufte am 19. Februar dieses Jahres
verschiedene alte Eisenwerke unterhalb Hayange, die noch von dem
Marquis von Marolles herrührten (maiures de vieilles forges, four-
neaux et dépendances appellés Marolles) 2), und am 22. ein Eisenwerk
eines Herrn von Bienassises für 780 Livr. Er baute die Werke
um und führte viele Verbesserungen ein. Sein geschäftlicher Erfolg
war so groſs, daſs er bei seinem Tode ein Vermögen von 700000 Livr.
hinterlieſs.

1719 erhielt Pierre Aubry, Bürger zu Rambervilliers, die Kon-
zession, im Bezirk von Gennanvoy einen Hochofen zu errichten. Dieser
Hochofen stand 1850 noch im Betrieb.

Im August 1720 hatte sich eine groſse Bergbau- und Hütten-
gesellschaft für Lothringen gebildet 3). Dieselbe erhielt von Herzog
Leopold für 10 Jahre die Erlaubnis, überall Fabriken zu errichten,
Holz gegen Zahlung aus den fürstlichen Waldungen zu beziehen, Be-
freiung von Abgaben und Kriegsdienst u. s. w. Von der Herrschaft
sollten besondere Richter eingesetzt werden, die in allen Streitfällen
bis zu 50 Frcs. erkennen sollten. Diese Gesellschaft hatte aber keinen

1) Das Folgende nach gefälligen Mitteilungen der Herren de Wendel zu
Hayingen.
2) Nach einer anderen Nachricht erwarb er den Hammer La Marolle im
September 1715 von Philippe du Conne, einem Erben des Marquis de Ma-
rolles
.
3) Lepage, a. a. O., p. 419.
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[995/1009] Lothringen bis 1766. gehörten die von Hayingen (Hayange) 1), welche gegen Ende des 17. Jahrhunderts Isabella von Lenoncourt, die zum zweitenmal geheiratet hatte, besaſs. Nach ihrem Tode entstanden Erbstreitig- keiten. Die Eisenwerke wurden der Tochter aus erster Ehe, welche sich mit einem Baron de Vienne vermählt hatte, zugesprochen, was durch einen Vergleich 1703 bestätigt wurde. — Neben diesen alten Werken hatte Rudolf Hullin in den Jahren 1665 bis 1677 neuere Eisenwerke angelegt, welche nach seinem Tode in den Besitz seiner Töchter und Schwiegersöhne, der Herren le Comte und de Ridonet übergingen. Diese gerieten in Geldverlegenheit und ver- kauften am 26. März 1704 die Eisenwerke für 3208 L. T. und ein Geschenk von 15 Livr. Gold „für die Damen“ an Jean Martin Wendel. Jean Martin, der eigentliche Gründer des Eisenadels de Wendel, war ein hochbegabter Mann, gewandt in Geschäften und ein erfahrener Eisenhüttenmann. Im Jahre 1710 erscheint er schon als „Seigneur de Hayange“. Er kaufte am 19. Februar dieses Jahres verschiedene alte Eisenwerke unterhalb Hayange, die noch von dem Marquis von Marolles herrührten (maiures de vieilles forges, four- neaux et dépendances appellés Marolles) 2), und am 22. ein Eisenwerk eines Herrn von Bienassises für 780 Livr. Er baute die Werke um und führte viele Verbesserungen ein. Sein geschäftlicher Erfolg war so groſs, daſs er bei seinem Tode ein Vermögen von 700000 Livr. hinterlieſs. 1719 erhielt Pierre Aubry, Bürger zu Rambervilliers, die Kon- zession, im Bezirk von Gennanvoy einen Hochofen zu errichten. Dieser Hochofen stand 1850 noch im Betrieb. Im August 1720 hatte sich eine groſse Bergbau- und Hütten- gesellschaft für Lothringen gebildet 3). Dieselbe erhielt von Herzog Leopold für 10 Jahre die Erlaubnis, überall Fabriken zu errichten, Holz gegen Zahlung aus den fürstlichen Waldungen zu beziehen, Be- freiung von Abgaben und Kriegsdienst u. s. w. Von der Herrschaft sollten besondere Richter eingesetzt werden, die in allen Streitfällen bis zu 50 Frcs. erkennen sollten. Diese Gesellschaft hatte aber keinen 1) Das Folgende nach gefälligen Mitteilungen der Herren de Wendel zu Hayingen. 2) Nach einer anderen Nachricht erwarb er den Hammer La Marolle im September 1715 von Philippe du Conne, einem Erben des Marquis de Ma- rolles. 3) Lepage, a. a. O., p. 419. 63*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 995. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/1009>, abgerufen am 13.05.2024.