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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
zu denjenigen Errungenschaften, die, wie die Erfindung der Dampf-
maschine auf mechanischem Gebiet, weltbewegend gewirkt haben.
Auch auf die Chemie des Eisens und die Eisenindustrie ist dieses
Ereignis von der allergrössten Tragweite geworden und ist es deshalb
unsere Pflicht, die Entstehungsgeschichte der Entdeckung Lavoisiers
kurz zu schildern.

Wie jede Erfindung, ist sie nicht unvermittelt auf die Welt
gekommen, auch nicht nur in dem Kopfe eines Menschen entstanden.
Einer der ersten, der das Fundament der Phlogistonlehre, ohne es zu
ahnen, untergrub, war der englische Chemiker Black. Joseph Black,
1728 zu Bordeaux von englischen Eltern geboren, später Professor
der Chemie in Glasgow und danach in Edinburg, starb im Jahre
1799. Ausgezeichnet als Mensch und Gelehrter, hat er in verschiedener
Weise an der Kulturentwickelung des vorigen Jahrhunderts mit-
gearbeitet, nicht nur durch seine Arbeiten, sondern auch durch die
Anregung, die er anderen gab und unter diesen besonders dem grossen
James Watt, dessen Lehrer, Berater und treuer Freund er gewesen
ist, so lange er lebte. Der Ausgangspunkt dieses Freundschafts-
verhältnisses bildeten Blacks Vorlesungen über die von ihm entdeckte
Lehre von der latenten Wärme. Eine andere Arbeit "über die Kausti-
cität des Kalkes" war es, mit der er der Lehre vom Phlogiston einen
Stoss in das Herz versetzte. Nach der herrschenden Ansicht beruhte
die Kausticität des Kalkes auf der Aufnahme von Feuermaterie beim
Brennen. Diese Feuermaterie konnte der gebrannte Kalk an andere
Alkalien abgeben, welche dadurch selbst ätzend wurden, während der
Kalk seine ätzende Kraft verlor. Diese einfache, einleuchtende Theorie
gehörte zu den Fundamentalsätzen der phlogistischen Schule. Black
wies aber nach 1), dass sie falsch sei und von der Verbindung mit
einer Feuermaterie nicht die Rede sein kann 2). Er wies nach,
dass die milden Alkalien nicht einfache Substanzen, sondern Verbin-
dungen seien und dass die Kausticität ihnen nicht mitgeteilt würde
durch Verbindung mit einer Substanz, der Feuermaterie, sondern
durch Entziehung einer Substanz, der Kohlensäure, welche er als
"fixe Luft" bezeichnete. Er wies ferner nach, dass nichtätzender
Kalk an Gewicht verliert, wenn er zu ätzendem wird und schloss
daraus, dass der erstere den letzteren als Bestandteil in sich enthalte.
Er zeigte, dass die Alkalien in dem nicht ätzenden Zustande mit

1) Zuerst in seiner Inauguraldissertation 1754, dann gründlicher in einer
besonderen Abhandlung 1755.
2) Siehe Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. I, S. 328.
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Lavoisier und die antiphlogistische Chemie.
zu denjenigen Errungenschaften, die, wie die Erfindung der Dampf-
maschine auf mechanischem Gebiet, weltbewegend gewirkt haben.
Auch auf die Chemie des Eisens und die Eisenindustrie ist dieses
Ereignis von der allergröſsten Tragweite geworden und ist es deshalb
unsere Pflicht, die Entstehungsgeschichte der Entdeckung Lavoisiers
kurz zu schildern.

Wie jede Erfindung, ist sie nicht unvermittelt auf die Welt
gekommen, auch nicht nur in dem Kopfe eines Menschen entstanden.
Einer der ersten, der das Fundament der Phlogistonlehre, ohne es zu
ahnen, untergrub, war der englische Chemiker Black. Joseph Black,
1728 zu Bordeaux von englischen Eltern geboren, später Professor
der Chemie in Glasgow und danach in Edinburg, starb im Jahre
1799. Ausgezeichnet als Mensch und Gelehrter, hat er in verschiedener
Weise an der Kulturentwickelung des vorigen Jahrhunderts mit-
gearbeitet, nicht nur durch seine Arbeiten, sondern auch durch die
Anregung, die er anderen gab und unter diesen besonders dem groſsen
James Watt, dessen Lehrer, Berater und treuer Freund er gewesen
ist, so lange er lebte. Der Ausgangspunkt dieses Freundschafts-
verhältnisses bildeten Blacks Vorlesungen über die von ihm entdeckte
Lehre von der latenten Wärme. Eine andere Arbeit „über die Kausti-
cität des Kalkes“ war es, mit der er der Lehre vom Phlogiston einen
Stoſs in das Herz versetzte. Nach der herrschenden Ansicht beruhte
die Kausticität des Kalkes auf der Aufnahme von Feuermaterie beim
Brennen. Diese Feuermaterie konnte der gebrannte Kalk an andere
Alkalien abgeben, welche dadurch selbst ätzend wurden, während der
Kalk seine ätzende Kraft verlor. Diese einfache, einleuchtende Theorie
gehörte zu den Fundamentalsätzen der phlogistischen Schule. Black
wies aber nach 1), daſs sie falsch sei und von der Verbindung mit
einer Feuermaterie nicht die Rede sein kann 2). Er wies nach,
daſs die milden Alkalien nicht einfache Substanzen, sondern Verbin-
dungen seien und daſs die Kausticität ihnen nicht mitgeteilt würde
durch Verbindung mit einer Substanz, der Feuermaterie, sondern
durch Entziehung einer Substanz, der Kohlensäure, welche er als
„fixe Luft“ bezeichnete. Er wies ferner nach, daſs nichtätzender
Kalk an Gewicht verliert, wenn er zu ätzendem wird und schloſs
daraus, daſs der erstere den letzteren als Bestandteil in sich enthalte.
Er zeigte, daſs die Alkalien in dem nicht ätzenden Zustande mit

1) Zuerst in seiner Inauguraldissertation 1754, dann gründlicher in einer
besonderen Abhandlung 1755.
2) Siehe Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. I, S. 328.
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[627/0641] Lavoisier und die antiphlogistische Chemie. zu denjenigen Errungenschaften, die, wie die Erfindung der Dampf- maschine auf mechanischem Gebiet, weltbewegend gewirkt haben. Auch auf die Chemie des Eisens und die Eisenindustrie ist dieses Ereignis von der allergröſsten Tragweite geworden und ist es deshalb unsere Pflicht, die Entstehungsgeschichte der Entdeckung Lavoisiers kurz zu schildern. Wie jede Erfindung, ist sie nicht unvermittelt auf die Welt gekommen, auch nicht nur in dem Kopfe eines Menschen entstanden. Einer der ersten, der das Fundament der Phlogistonlehre, ohne es zu ahnen, untergrub, war der englische Chemiker Black. Joseph Black, 1728 zu Bordeaux von englischen Eltern geboren, später Professor der Chemie in Glasgow und danach in Edinburg, starb im Jahre 1799. Ausgezeichnet als Mensch und Gelehrter, hat er in verschiedener Weise an der Kulturentwickelung des vorigen Jahrhunderts mit- gearbeitet, nicht nur durch seine Arbeiten, sondern auch durch die Anregung, die er anderen gab und unter diesen besonders dem groſsen James Watt, dessen Lehrer, Berater und treuer Freund er gewesen ist, so lange er lebte. Der Ausgangspunkt dieses Freundschafts- verhältnisses bildeten Blacks Vorlesungen über die von ihm entdeckte Lehre von der latenten Wärme. Eine andere Arbeit „über die Kausti- cität des Kalkes“ war es, mit der er der Lehre vom Phlogiston einen Stoſs in das Herz versetzte. Nach der herrschenden Ansicht beruhte die Kausticität des Kalkes auf der Aufnahme von Feuermaterie beim Brennen. Diese Feuermaterie konnte der gebrannte Kalk an andere Alkalien abgeben, welche dadurch selbst ätzend wurden, während der Kalk seine ätzende Kraft verlor. Diese einfache, einleuchtende Theorie gehörte zu den Fundamentalsätzen der phlogistischen Schule. Black wies aber nach 1), daſs sie falsch sei und von der Verbindung mit einer Feuermaterie nicht die Rede sein kann 2). Er wies nach, daſs die milden Alkalien nicht einfache Substanzen, sondern Verbin- dungen seien und daſs die Kausticität ihnen nicht mitgeteilt würde durch Verbindung mit einer Substanz, der Feuermaterie, sondern durch Entziehung einer Substanz, der Kohlensäure, welche er als „fixe Luft“ bezeichnete. Er wies ferner nach, daſs nichtätzender Kalk an Gewicht verliert, wenn er zu ätzendem wird und schloſs daraus, daſs der erstere den letzteren als Bestandteil in sich enthalte. Er zeigte, daſs die Alkalien in dem nicht ätzenden Zustande mit 1) Zuerst in seiner Inauguraldissertation 1754, dann gründlicher in einer besonderen Abhandlung 1755. 2) Siehe Kopp, Geschichte der Chemie, Bd. I, S. 328. 40*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/641>, abgerufen am 30.04.2024.