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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Preussen 1801 bis 1815.
steigerten sich rasch, so dass die Anlagen fortwährend vergrössert
werden mussten. Ende Mai waren bereits 24 Mann bei der Waffen-
fabrikation beschäftigt. Im Juli war man soweit, dass man wöchent-
lich 30 Stück sämtlicher geforderter Armaturteile liefern konnte. Die
Fabrikation war sehr erschwert, weil man sich mit vorhandenen, für
den Zweck nicht eingerichteten und provisorischen Bauten behelfen
musste, indem die ganze Arbeit nur als eine vorübergehende ange-
sehen wurde. Auch riefen die Gebrüder Schickler von Spandau
ihre gelernten Arbeiter schon im Juli wieder zurück. Trotzdem machte
die Fabrikation, welche Karsten unablässig zu verbessern suchte,
von Monat zu Monat Fortschritte. Ende 1810 hatte die Armatur-
fabrik 35 Arbeiter und die Rohre wurden nicht mehr mit der Hand,
sondern mit Wasserhämmern geschmiedet. Während aber die Militär-
behörde bis Ende 1810 zufrieden gewesen war, wenn die Läufe nur
die Schussproben aushielten, steigerte sie auf einmal ihre Ansprüche
bedeutend. Es wurde ein neues Modell eingeführt, die Läufe leichter
und dünner vorgeschrieben und grosse Strenge bei der Abnahme
angeordnet. Vorübergehend war dies zum Nachteil der Fabrik; bei
dem eifrigen Streben und dem guten Willen der Arbeiter und der
Beamten wurden aber auch diese Schwierigkeiten überwunden und
in den Jahren 1811 und 1812 Waffen von vorzüglicher Güte geliefert.
So waren die schlesischen Werkstätten wohl vorbereitet, als im Jahre
1813 die Anforderungen durch die allgemeine Landesbewaffnung sich auf
einmal ausserordentlich steigerten. Jetzt mussten Waffen aller Art: ver-
schiedene Sorten Büchsen-, Karabiner-, Pistolenläufe, Pionier-, Husaren-
und Kürassiersäbelklingen geliefert werden. Aber die Geschicklichkeit
der Arbeiter war dieser schweren Aufgabe gewachsen. Die Armatur-
fabrikation beschäftigte 78 Mann als regelmässige Arbeiter, nämlich:
3 Plattinenschmiede, 10 Rohrschmiede, 27 Bohr- und Dreharbeiter,
8 Schleifer, 6 Bajonettschmiede, 2 Ladestockschmiede, 13 Garniseur-
arbeiter, 1 Kolber, 3 Bajonettausfeiler, 2 Härter, 1 Feilenhauer, 1 Be-
schauer, 1 Rohrschrauber. Mit diesen und den übrigen Hülfsmitteln
konnten etwa 5000 Musketengarnituren jährlich geliefert werden. Bis
zum August 1814 hatte die Armaturfabrik zu Malapane ungefähr
18000 vollständige Schiesswaffen der Armee geliefert. Am 8. Septbr.
1814 wurde die Malapaner Gewehrfabrik der Militär-Armaturverwaltung
übergeben und von dieser nach Neisse verlegt, nachdem Karsten die
Notwendigkeit der Gründung einer selbständigen Gewehrfabrik unter
Hinweis auf den Schaden, welche der Hüttenbetrieb von Malapane
durch diesen interimistischen Zustand erleide, dargelegt hatte.


Preuſsen 1801 bis 1815.
steigerten sich rasch, so daſs die Anlagen fortwährend vergröſsert
werden muſsten. Ende Mai waren bereits 24 Mann bei der Waffen-
fabrikation beschäftigt. Im Juli war man soweit, daſs man wöchent-
lich 30 Stück sämtlicher geforderter Armaturteile liefern konnte. Die
Fabrikation war sehr erschwert, weil man sich mit vorhandenen, für
den Zweck nicht eingerichteten und provisorischen Bauten behelfen
muſste, indem die ganze Arbeit nur als eine vorübergehende ange-
sehen wurde. Auch riefen die Gebrüder Schickler von Spandau
ihre gelernten Arbeiter schon im Juli wieder zurück. Trotzdem machte
die Fabrikation, welche Karsten unablässig zu verbessern suchte,
von Monat zu Monat Fortschritte. Ende 1810 hatte die Armatur-
fabrik 35 Arbeiter und die Rohre wurden nicht mehr mit der Hand,
sondern mit Wasserhämmern geschmiedet. Während aber die Militär-
behörde bis Ende 1810 zufrieden gewesen war, wenn die Läufe nur
die Schuſsproben aushielten, steigerte sie auf einmal ihre Ansprüche
bedeutend. Es wurde ein neues Modell eingeführt, die Läufe leichter
und dünner vorgeschrieben und groſse Strenge bei der Abnahme
angeordnet. Vorübergehend war dies zum Nachteil der Fabrik; bei
dem eifrigen Streben und dem guten Willen der Arbeiter und der
Beamten wurden aber auch diese Schwierigkeiten überwunden und
in den Jahren 1811 und 1812 Waffen von vorzüglicher Güte geliefert.
So waren die schlesischen Werkstätten wohl vorbereitet, als im Jahre
1813 die Anforderungen durch die allgemeine Landesbewaffnung sich auf
einmal auſserordentlich steigerten. Jetzt muſsten Waffen aller Art: ver-
schiedene Sorten Büchsen-, Karabiner-, Pistolenläufe, Pionier-, Husaren-
und Kürassiersäbelklingen geliefert werden. Aber die Geschicklichkeit
der Arbeiter war dieser schweren Aufgabe gewachsen. Die Armatur-
fabrikation beschäftigte 78 Mann als regelmäſsige Arbeiter, nämlich:
3 Plattinenschmiede, 10 Rohrschmiede, 27 Bohr- und Dreharbeiter,
8 Schleifer, 6 Bajonettschmiede, 2 Ladestockschmiede, 13 Garniseur-
arbeiter, 1 Kolber, 3 Bajonettausfeiler, 2 Härter, 1 Feilenhauer, 1 Be-
schauer, 1 Rohrschrauber. Mit diesen und den übrigen Hülfsmitteln
konnten etwa 5000 Musketengarnituren jährlich geliefert werden. Bis
zum August 1814 hatte die Armaturfabrik zu Malapane ungefähr
18000 vollständige Schieſswaffen der Armee geliefert. Am 8. Septbr.
1814 wurde die Malapaner Gewehrfabrik der Militär-Armaturverwaltung
übergeben und von dieser nach Neiſse verlegt, nachdem Karsten die
Notwendigkeit der Gründung einer selbständigen Gewehrfabrik unter
Hinweis auf den Schaden, welche der Hüttenbetrieb von Malapane
durch diesen interimistischen Zustand erleide, dargelegt hatte.


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[178/0194] Preuſsen 1801 bis 1815. steigerten sich rasch, so daſs die Anlagen fortwährend vergröſsert werden muſsten. Ende Mai waren bereits 24 Mann bei der Waffen- fabrikation beschäftigt. Im Juli war man soweit, daſs man wöchent- lich 30 Stück sämtlicher geforderter Armaturteile liefern konnte. Die Fabrikation war sehr erschwert, weil man sich mit vorhandenen, für den Zweck nicht eingerichteten und provisorischen Bauten behelfen muſste, indem die ganze Arbeit nur als eine vorübergehende ange- sehen wurde. Auch riefen die Gebrüder Schickler von Spandau ihre gelernten Arbeiter schon im Juli wieder zurück. Trotzdem machte die Fabrikation, welche Karsten unablässig zu verbessern suchte, von Monat zu Monat Fortschritte. Ende 1810 hatte die Armatur- fabrik 35 Arbeiter und die Rohre wurden nicht mehr mit der Hand, sondern mit Wasserhämmern geschmiedet. Während aber die Militär- behörde bis Ende 1810 zufrieden gewesen war, wenn die Läufe nur die Schuſsproben aushielten, steigerte sie auf einmal ihre Ansprüche bedeutend. Es wurde ein neues Modell eingeführt, die Läufe leichter und dünner vorgeschrieben und groſse Strenge bei der Abnahme angeordnet. Vorübergehend war dies zum Nachteil der Fabrik; bei dem eifrigen Streben und dem guten Willen der Arbeiter und der Beamten wurden aber auch diese Schwierigkeiten überwunden und in den Jahren 1811 und 1812 Waffen von vorzüglicher Güte geliefert. So waren die schlesischen Werkstätten wohl vorbereitet, als im Jahre 1813 die Anforderungen durch die allgemeine Landesbewaffnung sich auf einmal auſserordentlich steigerten. Jetzt muſsten Waffen aller Art: ver- schiedene Sorten Büchsen-, Karabiner-, Pistolenläufe, Pionier-, Husaren- und Kürassiersäbelklingen geliefert werden. Aber die Geschicklichkeit der Arbeiter war dieser schweren Aufgabe gewachsen. Die Armatur- fabrikation beschäftigte 78 Mann als regelmäſsige Arbeiter, nämlich: 3 Plattinenschmiede, 10 Rohrschmiede, 27 Bohr- und Dreharbeiter, 8 Schleifer, 6 Bajonettschmiede, 2 Ladestockschmiede, 13 Garniseur- arbeiter, 1 Kolber, 3 Bajonettausfeiler, 2 Härter, 1 Feilenhauer, 1 Be- schauer, 1 Rohrschrauber. Mit diesen und den übrigen Hülfsmitteln konnten etwa 5000 Musketengarnituren jährlich geliefert werden. Bis zum August 1814 hatte die Armaturfabrik zu Malapane ungefähr 18000 vollständige Schieſswaffen der Armee geliefert. Am 8. Septbr. 1814 wurde die Malapaner Gewehrfabrik der Militär-Armaturverwaltung übergeben und von dieser nach Neiſse verlegt, nachdem Karsten die Notwendigkeit der Gründung einer selbständigen Gewehrfabrik unter Hinweis auf den Schaden, welche der Hüttenbetrieb von Malapane durch diesen interimistischen Zustand erleide, dargelegt hatte.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/194>, abgerufen am 10.05.2024.