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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
keit, Elasticität, Schmiedbarkeit und Stärke des gewalzten und ge-
schmiedeten Stabeisens 1828. Andere Untersuchungen aus dieser Zeit
werden noch betreffenden Orts erwähnt werden. Wir können hier
nur die allgemeinen Ergebnisse dieser Arbeiten mitteilen.

Man unterschied die absolute Festigkeit, worunter man den
Widerstand gegen das Zerreissen verstand, die relative Festig-
keit
, d. h. den Widerstand gegen das Zerbrechen und die respek-
tive Festigkeit
oder den Widerstand gegen das Zerdrücken. Bei
dem Zerreissen, Zerbrechen und Zerdrücken findet eine vollständige
Aufhebung der Kohäsion statt. Ehe diese aber eintritt, findet bei
den meisten Körpern und namentlich auch bei den Metallen eine
Formveränderung durch Ausdehnung oder Zusammendrückung statt.
Eine solche tritt bei jeder Belastung ein; wenn diese aber nicht ein
gewisses Mass übersteigt, so nimmt der Körper nach Entfernung
der Zug- oder Druckkraft seine ursprüngliche Form wieder an,
man bezeichnet dies als Elasticität. Wird das angegebene Mass der
Belastung oder die Elasticität aber überschritten, so kehrt der Körper
nicht in seine ursprüngliche Form zurück, sondern es tritt eine
bleibende Verschiebung der Teile ein, welche sich beim Zerreissen in
einer Verlängerung bei gleichzeitiger Verminderung des Querschnittes
äussert. Diese Formveränderung geht dem Zerreissen voraus. Für
die Praxis ist die Ermittelung dieser Elasticitätsgrenze fast noch
wichtiger als die der absoluten Festigkeit oder der Kraft, die zum
Zerreissen nötig ist, indem für die Sicherheit der Verwendung nicht
die letztere, sondern die erstere massgebend ist. Die Versuche über
die Festigkeit der Eisensorten erstreckten sich also nicht nur auf die
oben angegebenen Grenzen der Kohäsion, sondern auch auf die Grenzen
der Elasticität.

Um einen einfachen Ausdruck für die Grösse der Elasticität
einzuführen, schlug Thomas Young 1807 die Einführung eines
Koeffizienten oder eines Modulus der Elasticität vor 1), welcher
allgemeine Annahme fand. Als Elasticitätsmodul wird die Kraft an-
genommen, welche dazu nötig ist, einen Körper von einem Einheits-
querschnitt und einer Einheitslänge um seine Einheitslänge auszu-
dehnen. Eine solche Kraft existiert nur theoretisch, indem die meisten
Körper schon bei viel geringerer Ausdehnung zerreissen. Für die
Berechnung aber ist dieser Elasticitätsmodul zweckmässig und deshalb
allgemein gebräuchlich geworden.


1) Th. Young, Lectures on natural philosophy. London 1807, I, 137.

Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.
keit, Elasticität, Schmiedbarkeit und Stärke des gewalzten und ge-
schmiedeten Stabeisens 1828. Andere Untersuchungen aus dieser Zeit
werden noch betreffenden Orts erwähnt werden. Wir können hier
nur die allgemeinen Ergebnisse dieser Arbeiten mitteilen.

Man unterschied die absolute Festigkeit, worunter man den
Widerstand gegen das Zerreiſsen verstand, die relative Festig-
keit
, d. h. den Widerstand gegen das Zerbrechen und die respek-
tive Festigkeit
oder den Widerstand gegen das Zerdrücken. Bei
dem Zerreiſsen, Zerbrechen und Zerdrücken findet eine vollständige
Aufhebung der Kohäsion statt. Ehe diese aber eintritt, findet bei
den meisten Körpern und namentlich auch bei den Metallen eine
Formveränderung durch Ausdehnung oder Zusammendrückung statt.
Eine solche tritt bei jeder Belastung ein; wenn diese aber nicht ein
gewisses Maſs übersteigt, so nimmt der Körper nach Entfernung
der Zug- oder Druckkraft seine ursprüngliche Form wieder an,
man bezeichnet dies als Elasticität. Wird das angegebene Maſs der
Belastung oder die Elasticität aber überschritten, so kehrt der Körper
nicht in seine ursprüngliche Form zurück, sondern es tritt eine
bleibende Verschiebung der Teile ein, welche sich beim Zerreiſsen in
einer Verlängerung bei gleichzeitiger Verminderung des Querschnittes
äuſsert. Diese Formveränderung geht dem Zerreiſsen voraus. Für
die Praxis ist die Ermittelung dieser Elasticitätsgrenze fast noch
wichtiger als die der absoluten Festigkeit oder der Kraft, die zum
Zerreiſsen nötig ist, indem für die Sicherheit der Verwendung nicht
die letztere, sondern die erstere maſsgebend ist. Die Versuche über
die Festigkeit der Eisensorten erstreckten sich also nicht nur auf die
oben angegebenen Grenzen der Kohäsion, sondern auch auf die Grenzen
der Elasticität.

Um einen einfachen Ausdruck für die Gröſse der Elasticität
einzuführen, schlug Thomas Young 1807 die Einführung eines
Koeffizienten oder eines Modulus der Elasticität vor 1), welcher
allgemeine Annahme fand. Als Elasticitätsmodul wird die Kraft an-
genommen, welche dazu nötig ist, einen Körper von einem Einheits-
querschnitt und einer Einheitslänge um seine Einheitslänge auszu-
dehnen. Eine solche Kraft existiert nur theoretisch, indem die meisten
Körper schon bei viel geringerer Ausdehnung zerreiſsen. Für die
Berechnung aber ist dieser Elasticitätsmodul zweckmäſsig und deshalb
allgemein gebräuchlich geworden.


1) Th. Young, Lectures on natural philosophy. London 1807, I, 137.
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[208/0224] Die Physik des Eisens 1816 bis 1830. keit, Elasticität, Schmiedbarkeit und Stärke des gewalzten und ge- schmiedeten Stabeisens 1828. Andere Untersuchungen aus dieser Zeit werden noch betreffenden Orts erwähnt werden. Wir können hier nur die allgemeinen Ergebnisse dieser Arbeiten mitteilen. Man unterschied die absolute Festigkeit, worunter man den Widerstand gegen das Zerreiſsen verstand, die relative Festig- keit, d. h. den Widerstand gegen das Zerbrechen und die respek- tive Festigkeit oder den Widerstand gegen das Zerdrücken. Bei dem Zerreiſsen, Zerbrechen und Zerdrücken findet eine vollständige Aufhebung der Kohäsion statt. Ehe diese aber eintritt, findet bei den meisten Körpern und namentlich auch bei den Metallen eine Formveränderung durch Ausdehnung oder Zusammendrückung statt. Eine solche tritt bei jeder Belastung ein; wenn diese aber nicht ein gewisses Maſs übersteigt, so nimmt der Körper nach Entfernung der Zug- oder Druckkraft seine ursprüngliche Form wieder an, man bezeichnet dies als Elasticität. Wird das angegebene Maſs der Belastung oder die Elasticität aber überschritten, so kehrt der Körper nicht in seine ursprüngliche Form zurück, sondern es tritt eine bleibende Verschiebung der Teile ein, welche sich beim Zerreiſsen in einer Verlängerung bei gleichzeitiger Verminderung des Querschnittes äuſsert. Diese Formveränderung geht dem Zerreiſsen voraus. Für die Praxis ist die Ermittelung dieser Elasticitätsgrenze fast noch wichtiger als die der absoluten Festigkeit oder der Kraft, die zum Zerreiſsen nötig ist, indem für die Sicherheit der Verwendung nicht die letztere, sondern die erstere maſsgebend ist. Die Versuche über die Festigkeit der Eisensorten erstreckten sich also nicht nur auf die oben angegebenen Grenzen der Kohäsion, sondern auch auf die Grenzen der Elasticität. Um einen einfachen Ausdruck für die Gröſse der Elasticität einzuführen, schlug Thomas Young 1807 die Einführung eines Koeffizienten oder eines Modulus der Elasticität vor 1), welcher allgemeine Annahme fand. Als Elasticitätsmodul wird die Kraft an- genommen, welche dazu nötig ist, einen Körper von einem Einheits- querschnitt und einer Einheitslänge um seine Einheitslänge auszu- dehnen. Eine solche Kraft existiert nur theoretisch, indem die meisten Körper schon bei viel geringerer Ausdehnung zerreiſsen. Für die Berechnung aber ist dieser Elasticitätsmodul zweckmäſsig und deshalb allgemein gebräuchlich geworden. 1) Th. Young, Lectures on natural philosophy. London 1807, I, 137.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/224>, abgerufen am 29.04.2024.