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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Chemie 1801 bis 1815.
in echt wissenschaftlichem Geist geführten Streit, welcher im ersten
Jahre des 19. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hatte, nahmen
alle Chemiker den lebhaftesten Anteil. Er währte von 1801 bis 1808,
endigte mit dem Sieg der Ansicht Prousts und mit der Anerkennung
des Gesetzes der festen Proportionen. Prousts Beweis-
material waren empirisch gefundene Thatsachen. Andere Gelehrte
suchten dafür eine tiefere Begründung. Der Engländer John Dalton
hatte bei seiner Untersuchung des leichten und schweren Kohlen-
wasserstoffgases gefunden, dass auf die gleiche Menge Kohlenstoff
genau die doppelte Menge Wasserstoff im ersteren als wie in dem
zweiten enthalten sei. Dies führte ihn zu dem Gesetz der mul-
tiplen Proportionen
. Indem Dalton nach einer Erklärung für
diese Erscheinungen suchte, kam er zur atomistischen Theorie.
Er nahm an, jeder chemisch einfache Stoff bestände aus unendlich
vielen kleinsten Teilchen von gleicher, besonderer Art, chemische
Verbindungen entständen durch Aneinanderlagerung der Atome der
verwandten Stoffe in einfachen Verhältnissen. Die Atome der Ele-
mente seien verschieden durch Grösse oder Gewicht. Dalton ver-
suchte die Atomgewichte verschiedener Körper zu bestimmen, was
ihm allerdings nur unvollkommen gelang. 1804 hatte Dalton seine
Theorie erdacht, 1808 machte er sie in seinem New System of Che-
mical Philosophy bekannt. Hierin teilte er bereits eine Tafel der
Atomgewichte von 37 einfachen Stoffen mit. Auch begründete er
den Satz, dass das Atomgewicht einer Verbindung gleich der Summe
der Atomgewichte ihrer Bestandteile ist. Die hervorragenden Ver-
treter von Daltons atomistischer Lehre waren Thomson, Wollaston
und Humphrey Davy.

In demselben Jahre fand Gay Lussac das Gesetz, dass, wenn
zwei Gase sich zu einer chemischen Verbindung vereinigen, dies
immer in der Art geschieht, dass die Volume der Bestandteile,
welche in der Verbindung enthalten sind, in einem einfachen Ver-
hältnis zu einander stehen. Berzelius war es, der alle diese ein-
zelnen Resultate zusammenfasste und die Stöchiometrie auf der
gesetzmässigen Grundlage in ihrem ganzen Umfang aufbaute. Seine
genauen analytischen Untersuchungen hatten ihn zu denselben Resul-
taten geführt; sie gaben ihm die Mittel an die Hand, richtigere
Atomgewichtstafeln aufzustellen. Diese Tafeln, deren erste 1815
veröffentlicht wurde, sind mit solcher Gewissenhaftigkeit aufgestellt,
dass die von Berzelius ermittelten und darin aufgeführten Zahlen
der Atomgewichte grossenteils noch heute anerkannt sind. Dadurch

Chemie 1801 bis 1815.
in echt wissenschaftlichem Geist geführten Streit, welcher im ersten
Jahre des 19. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hatte, nahmen
alle Chemiker den lebhaftesten Anteil. Er währte von 1801 bis 1808,
endigte mit dem Sieg der Ansicht Prousts und mit der Anerkennung
des Gesetzes der festen Proportionen. Prousts Beweis-
material waren empirisch gefundene Thatsachen. Andere Gelehrte
suchten dafür eine tiefere Begründung. Der Engländer John Dalton
hatte bei seiner Untersuchung des leichten und schweren Kohlen-
wasserstoffgases gefunden, daſs auf die gleiche Menge Kohlenstoff
genau die doppelte Menge Wasserstoff im ersteren als wie in dem
zweiten enthalten sei. Dies führte ihn zu dem Gesetz der mul-
tiplen Proportionen
. Indem Dalton nach einer Erklärung für
diese Erscheinungen suchte, kam er zur atomistischen Theorie.
Er nahm an, jeder chemisch einfache Stoff bestände aus unendlich
vielen kleinsten Teilchen von gleicher, besonderer Art, chemische
Verbindungen entständen durch Aneinanderlagerung der Atome der
verwandten Stoffe in einfachen Verhältnissen. Die Atome der Ele-
mente seien verschieden durch Gröſse oder Gewicht. Dalton ver-
suchte die Atomgewichte verschiedener Körper zu bestimmen, was
ihm allerdings nur unvollkommen gelang. 1804 hatte Dalton seine
Theorie erdacht, 1808 machte er sie in seinem New System of Che-
mical Philosophy bekannt. Hierin teilte er bereits eine Tafel der
Atomgewichte von 37 einfachen Stoffen mit. Auch begründete er
den Satz, daſs das Atomgewicht einer Verbindung gleich der Summe
der Atomgewichte ihrer Bestandteile ist. Die hervorragenden Ver-
treter von Daltons atomistischer Lehre waren Thomson, Wollaston
und Humphrey Davy.

In demselben Jahre fand Gay Lussac das Gesetz, daſs, wenn
zwei Gase sich zu einer chemischen Verbindung vereinigen, dies
immer in der Art geschieht, daſs die Volume der Bestandteile,
welche in der Verbindung enthalten sind, in einem einfachen Ver-
hältnis zu einander stehen. Berzelius war es, der alle diese ein-
zelnen Resultate zusammenfaſste und die Stöchiometrie auf der
gesetzmäſsigen Grundlage in ihrem ganzen Umfang aufbaute. Seine
genauen analytischen Untersuchungen hatten ihn zu denselben Resul-
taten geführt; sie gaben ihm die Mittel an die Hand, richtigere
Atomgewichtstafeln aufzustellen. Diese Tafeln, deren erste 1815
veröffentlicht wurde, sind mit solcher Gewissenhaftigkeit aufgestellt,
daſs die von Berzelius ermittelten und darin aufgeführten Zahlen
der Atomgewichte groſsenteils noch heute anerkannt sind. Dadurch

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[40/0056] Chemie 1801 bis 1815. in echt wissenschaftlichem Geist geführten Streit, welcher im ersten Jahre des 19. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hatte, nahmen alle Chemiker den lebhaftesten Anteil. Er währte von 1801 bis 1808, endigte mit dem Sieg der Ansicht Prousts und mit der Anerkennung des Gesetzes der festen Proportionen. Prousts Beweis- material waren empirisch gefundene Thatsachen. Andere Gelehrte suchten dafür eine tiefere Begründung. Der Engländer John Dalton hatte bei seiner Untersuchung des leichten und schweren Kohlen- wasserstoffgases gefunden, daſs auf die gleiche Menge Kohlenstoff genau die doppelte Menge Wasserstoff im ersteren als wie in dem zweiten enthalten sei. Dies führte ihn zu dem Gesetz der mul- tiplen Proportionen. Indem Dalton nach einer Erklärung für diese Erscheinungen suchte, kam er zur atomistischen Theorie. Er nahm an, jeder chemisch einfache Stoff bestände aus unendlich vielen kleinsten Teilchen von gleicher, besonderer Art, chemische Verbindungen entständen durch Aneinanderlagerung der Atome der verwandten Stoffe in einfachen Verhältnissen. Die Atome der Ele- mente seien verschieden durch Gröſse oder Gewicht. Dalton ver- suchte die Atomgewichte verschiedener Körper zu bestimmen, was ihm allerdings nur unvollkommen gelang. 1804 hatte Dalton seine Theorie erdacht, 1808 machte er sie in seinem New System of Che- mical Philosophy bekannt. Hierin teilte er bereits eine Tafel der Atomgewichte von 37 einfachen Stoffen mit. Auch begründete er den Satz, daſs das Atomgewicht einer Verbindung gleich der Summe der Atomgewichte ihrer Bestandteile ist. Die hervorragenden Ver- treter von Daltons atomistischer Lehre waren Thomson, Wollaston und Humphrey Davy. In demselben Jahre fand Gay Lussac das Gesetz, daſs, wenn zwei Gase sich zu einer chemischen Verbindung vereinigen, dies immer in der Art geschieht, daſs die Volume der Bestandteile, welche in der Verbindung enthalten sind, in einem einfachen Ver- hältnis zu einander stehen. Berzelius war es, der alle diese ein- zelnen Resultate zusammenfaſste und die Stöchiometrie auf der gesetzmäſsigen Grundlage in ihrem ganzen Umfang aufbaute. Seine genauen analytischen Untersuchungen hatten ihn zu denselben Resul- taten geführt; sie gaben ihm die Mittel an die Hand, richtigere Atomgewichtstafeln aufzustellen. Diese Tafeln, deren erste 1815 veröffentlicht wurde, sind mit solcher Gewissenhaftigkeit aufgestellt, daſs die von Berzelius ermittelten und darin aufgeführten Zahlen der Atomgewichte groſsenteils noch heute anerkannt sind. Dadurch

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/56>, abgerufen am 15.05.2024.