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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Chemie 1801 bis 1815.
seiner Härte gern zu den Zieheisen bei den Drahtzügen nimmt, steht
zwischen schmiedbarem Stahl und unschmiedbarem Roheisen in der
Mitte. Roheisen ist eine Verbindung des reinen Eisens entweder
mit 11/2 bis 5 Proz., vielleicht auch mehr, gelöstem Kohlenstoff (weisses
Roheisen) oder mit Graphit (graues Roheisen). Die näheren Angaben
hierüber aus seiner Eisenhüttenkunde haben wir bereits mitgeteilt.

Karstens Lehre vom gebundenen und ungebundenen Kohlen-
stoff
war ein grosser Fortschritt in der Erkenntnis. Sie bildet noch
heute die Grundlage unserer Anschauung über die Konstitution der
Eisensorten und auch seine Grenzbestimmungen können heute noch
als im ganzen massgebend bezeichnet werden.

Karsten hat noch durch andere Versuche und Beobachtungen
in dieser frühen Periode die Chemie des Eisens bereichert und wollen
wir das Wichtigste davon hier kurz erwähnen. Er fand, dass ein
Schwefelgehalt im Eisen von 1/20 bis 1/4 Proz. dasselbe schon rot-
brüchig macht. Noch empfindlicher fand er das Eisen gegen Phos-
phor
, welcher dasselbe bekanntlich kaltbrüchig macht. Eisen mit
0,05 Proz. Phosphorgehalt war schon sehr kaltbrüchig. Karsten
setzte bei einem Frischversuch auf der Creutzburger Hütte in Ober-
schlesien etwas Wiesenerz zu, was sofort einen rohen Gang im Frisch-
feuer und kaltbrüchiges Eisen zur Folge hatte, obgleich das Eisen
höchstens 1/40 Proz. Phosphor aufgenommen haben konnte. Der Graphit-
bildung im Roheisen wirkt der Schwefel und in geringerem Grade
auch der Phosphor entgegen. Bei der Auflösung des Roheisens in
Säuren, selbst in Königswasser, dem gewöhnlichen Lösungsmittel, ent-
weicht ein Teil des Schwefels als Schwefelwasserstoff und des Kohlen-
stoffes als Kohlenwasserstoff. Die bisherigen Angaben über den
Kohlengehalt, wobei man sämtliche Kohle des so gelösten Eisens im
Rückstande zu finden glaubte, waren deshalb unrichtig.

Aus demselben Grunde entwickelt das weisse Roheisen weniger
Wasserstoffgas als das graue, weil das entwickelte Kohlenwasser-
stoffgas weniger Raum einnimmt als das Wasserstoffgas. Ersteres
hatte man bis dahin nicht bestimmt, sondern einfach als Wasserstoff
mitgemessen; ebenso das Schwefelwasserstoffgas. Ein Silicium-
gehalt des Eisens bewirkt, dass sich mehr Wasserstoff entwickelt als
von der gleichen Menge reinen Eisens. -- Um die Bestimmung des
Eisens aus einer Lösung in Säure genau zu ermöglichen, muss das
Eisen immer zur höchsten Oxydationsstufe gebracht und dann erst
niedergeschlagen werden.

Über das Verhalten des Siliciums zum Eisen, sagt Karsten,

Chemie 1801 bis 1815.
seiner Härte gern zu den Zieheisen bei den Drahtzügen nimmt, steht
zwischen schmiedbarem Stahl und unschmiedbarem Roheisen in der
Mitte. Roheisen ist eine Verbindung des reinen Eisens entweder
mit 1½ bis 5 Proz., vielleicht auch mehr, gelöstem Kohlenstoff (weiſses
Roheisen) oder mit Graphit (graues Roheisen). Die näheren Angaben
hierüber aus seiner Eisenhüttenkunde haben wir bereits mitgeteilt.

Karstens Lehre vom gebundenen und ungebundenen Kohlen-
stoff
war ein groſser Fortschritt in der Erkenntnis. Sie bildet noch
heute die Grundlage unserer Anschauung über die Konstitution der
Eisensorten und auch seine Grenzbestimmungen können heute noch
als im ganzen maſsgebend bezeichnet werden.

Karsten hat noch durch andere Versuche und Beobachtungen
in dieser frühen Periode die Chemie des Eisens bereichert und wollen
wir das Wichtigste davon hier kurz erwähnen. Er fand, daſs ein
Schwefelgehalt im Eisen von 1/20 bis ¼ Proz. dasselbe schon rot-
brüchig macht. Noch empfindlicher fand er das Eisen gegen Phos-
phor
, welcher dasselbe bekanntlich kaltbrüchig macht. Eisen mit
0,05 Proz. Phosphorgehalt war schon sehr kaltbrüchig. Karsten
setzte bei einem Frischversuch auf der Creutzburger Hütte in Ober-
schlesien etwas Wiesenerz zu, was sofort einen rohen Gang im Frisch-
feuer und kaltbrüchiges Eisen zur Folge hatte, obgleich das Eisen
höchstens 1/40 Proz. Phosphor aufgenommen haben konnte. Der Graphit-
bildung im Roheisen wirkt der Schwefel und in geringerem Grade
auch der Phosphor entgegen. Bei der Auflösung des Roheisens in
Säuren, selbst in Königswasser, dem gewöhnlichen Lösungsmittel, ent-
weicht ein Teil des Schwefels als Schwefelwasserstoff und des Kohlen-
stoffes als Kohlenwasserstoff. Die bisherigen Angaben über den
Kohlengehalt, wobei man sämtliche Kohle des so gelösten Eisens im
Rückstande zu finden glaubte, waren deshalb unrichtig.

Aus demselben Grunde entwickelt das weiſse Roheisen weniger
Wasserstoffgas als das graue, weil das entwickelte Kohlenwasser-
stoffgas weniger Raum einnimmt als das Wasserstoffgas. Ersteres
hatte man bis dahin nicht bestimmt, sondern einfach als Wasserstoff
mitgemessen; ebenso das Schwefelwasserstoffgas. Ein Silicium-
gehalt des Eisens bewirkt, daſs sich mehr Wasserstoff entwickelt als
von der gleichen Menge reinen Eisens. — Um die Bestimmung des
Eisens aus einer Lösung in Säure genau zu ermöglichen, muſs das
Eisen immer zur höchsten Oxydationsstufe gebracht und dann erst
niedergeschlagen werden.

Über das Verhalten des Siliciums zum Eisen, sagt Karsten,

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[44/0060] Chemie 1801 bis 1815. seiner Härte gern zu den Zieheisen bei den Drahtzügen nimmt, steht zwischen schmiedbarem Stahl und unschmiedbarem Roheisen in der Mitte. Roheisen ist eine Verbindung des reinen Eisens entweder mit 1½ bis 5 Proz., vielleicht auch mehr, gelöstem Kohlenstoff (weiſses Roheisen) oder mit Graphit (graues Roheisen). Die näheren Angaben hierüber aus seiner Eisenhüttenkunde haben wir bereits mitgeteilt. Karstens Lehre vom gebundenen und ungebundenen Kohlen- stoff war ein groſser Fortschritt in der Erkenntnis. Sie bildet noch heute die Grundlage unserer Anschauung über die Konstitution der Eisensorten und auch seine Grenzbestimmungen können heute noch als im ganzen maſsgebend bezeichnet werden. Karsten hat noch durch andere Versuche und Beobachtungen in dieser frühen Periode die Chemie des Eisens bereichert und wollen wir das Wichtigste davon hier kurz erwähnen. Er fand, daſs ein Schwefelgehalt im Eisen von 1/20 bis ¼ Proz. dasselbe schon rot- brüchig macht. Noch empfindlicher fand er das Eisen gegen Phos- phor, welcher dasselbe bekanntlich kaltbrüchig macht. Eisen mit 0,05 Proz. Phosphorgehalt war schon sehr kaltbrüchig. Karsten setzte bei einem Frischversuch auf der Creutzburger Hütte in Ober- schlesien etwas Wiesenerz zu, was sofort einen rohen Gang im Frisch- feuer und kaltbrüchiges Eisen zur Folge hatte, obgleich das Eisen höchstens 1/40 Proz. Phosphor aufgenommen haben konnte. Der Graphit- bildung im Roheisen wirkt der Schwefel und in geringerem Grade auch der Phosphor entgegen. Bei der Auflösung des Roheisens in Säuren, selbst in Königswasser, dem gewöhnlichen Lösungsmittel, ent- weicht ein Teil des Schwefels als Schwefelwasserstoff und des Kohlen- stoffes als Kohlenwasserstoff. Die bisherigen Angaben über den Kohlengehalt, wobei man sämtliche Kohle des so gelösten Eisens im Rückstande zu finden glaubte, waren deshalb unrichtig. Aus demselben Grunde entwickelt das weiſse Roheisen weniger Wasserstoffgas als das graue, weil das entwickelte Kohlenwasser- stoffgas weniger Raum einnimmt als das Wasserstoffgas. Ersteres hatte man bis dahin nicht bestimmt, sondern einfach als Wasserstoff mitgemessen; ebenso das Schwefelwasserstoffgas. Ein Silicium- gehalt des Eisens bewirkt, daſs sich mehr Wasserstoff entwickelt als von der gleichen Menge reinen Eisens. — Um die Bestimmung des Eisens aus einer Lösung in Säure genau zu ermöglichen, muſs das Eisen immer zur höchsten Oxydationsstufe gebracht und dann erst niedergeschlagen werden. Über das Verhalten des Siliciums zum Eisen, sagt Karsten,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/60>, abgerufen am 15.05.2024.