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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Formgebung 1831 bis 1850.
hätte sich aber auch das Eisenbahnwesen nie so rasch entwickeln
können. Den Walzwerken wurden Aufgaben gestellt, wie nie zuvor.
Ohne dass Birkinshaws Erfindung des Walzens der Eisenbahn-
schienen vorausgegangen wäre, hätte Stephenson keinen solchen
Erfolg haben können. Nachdem er ihn aber hatte, steigerten sich
die Forderungen an die Walzwerke mit Riesenschritten. Dabei bot
weniger die Menge als die Beschaffenheit der Schienen Schwierig-
keiten. Die ersten Schienen, die man walzte, wogen ca. 15 kg der lau-
fende Meter, dies war z. B. noch das Gewicht der Schienen auf der
Bahn von St. Etienne nach Lyon, die Schienen, die Stephenson auf
der Bahn Liverpool-Manchester anwendete, wogen 171/2 kg pro Meter.

Je stärkere Lokomotiven man aber baute, je grössere Lasten man
fuhr, um so schwerere Schienen musste man nehmen, und so dauerte
es nicht lange, dass sich das Schienengewicht von 15 kg auf 33 kg pro
Meter steigerte. Dies machte aber bei der Normallänge von 15 Fuss
englisch eine Steigerung des Gewichtes jeder Schiene von etwa 75 kg
auf 165 kg. Die Ansprüche an die Maschinenkraft und an die Walz-
werke hatten sich also in kurzer Zeit mehr wie verdoppelt. Die
Walzwerke für die Herstellung der Eisenbahnschienen mussten viel
stärker gebaut und viel gewaltigere Dampfmaschinen zu ihrem Betrieb
errichtet werden, als dies je zuvor der Fall war. Der Schiene aber
unter den Walzen die richtige Form zu geben, war eine neue schwie-
rige Aufgabe für den Hüttenmann. Nachdem man diese erfolgreich
gelöst, bot es keine grosse Schwierigkeit mehr, dem Eisen auch noch
andere neue Formen zu geben, wie sie namentlich die Benutzung des
Eisens für Bauzwecke verlangte. Es ist deshalb kein Zufall, dass die
Erfindung des gewalzten T-Eisens ziemlich mit der Eröffnung der
Eisenbahn von Manchester nach Liverpool zusammenfällt.

Ehe wir aber auf das Walzen des Facon- oder Formeisens und der
Eisenbahnschienen näher eingehen, müssen wir die Verbesserungen ins
Auge fassen, welche bei der ersten Behandlung der Luppen, nachdem
sie den Puddelofen verlassen hatten, gemacht wurden.

Der einfache Stirnhammer war noch das gebräuchlichste Werk-
zeug zum Zängen der Luppen. Um den Amboss von allen Seiten
zugänglich zu machen, hatte man bei den Hämmern in England und
zu Seraing um 1840 die Verbesserung angebracht, dass die Bewegung
durch einen Ansatz am Hammerhelm von unten mittels Excenter-
scheiben geschah (Marteau a soulevement a cames en dessous) 1).


1) Siehe Flachat etc., a. a. O., Pl. 41.

Die Formgebung 1831 bis 1850.
hätte sich aber auch das Eisenbahnwesen nie so rasch entwickeln
können. Den Walzwerken wurden Aufgaben gestellt, wie nie zuvor.
Ohne daſs Birkinshaws Erfindung des Walzens der Eisenbahn-
schienen vorausgegangen wäre, hätte Stephenson keinen solchen
Erfolg haben können. Nachdem er ihn aber hatte, steigerten sich
die Forderungen an die Walzwerke mit Riesenschritten. Dabei bot
weniger die Menge als die Beschaffenheit der Schienen Schwierig-
keiten. Die ersten Schienen, die man walzte, wogen ca. 15 kg der lau-
fende Meter, dies war z. B. noch das Gewicht der Schienen auf der
Bahn von St. Etienne nach Lyon, die Schienen, die Stephenson auf
der Bahn Liverpool-Manchester anwendete, wogen 17½ kg pro Meter.

Je stärkere Lokomotiven man aber baute, je gröſsere Lasten man
fuhr, um so schwerere Schienen muſste man nehmen, und so dauerte
es nicht lange, daſs sich das Schienengewicht von 15 kg auf 33 kg pro
Meter steigerte. Dies machte aber bei der Normallänge von 15 Fuſs
englisch eine Steigerung des Gewichtes jeder Schiene von etwa 75 kg
auf 165 kg. Die Ansprüche an die Maschinenkraft und an die Walz-
werke hatten sich also in kurzer Zeit mehr wie verdoppelt. Die
Walzwerke für die Herstellung der Eisenbahnschienen muſsten viel
stärker gebaut und viel gewaltigere Dampfmaschinen zu ihrem Betrieb
errichtet werden, als dies je zuvor der Fall war. Der Schiene aber
unter den Walzen die richtige Form zu geben, war eine neue schwie-
rige Aufgabe für den Hüttenmann. Nachdem man diese erfolgreich
gelöst, bot es keine groſse Schwierigkeit mehr, dem Eisen auch noch
andere neue Formen zu geben, wie sie namentlich die Benutzung des
Eisens für Bauzwecke verlangte. Es ist deshalb kein Zufall, daſs die
Erfindung des gewalzten T-Eisens ziemlich mit der Eröffnung der
Eisenbahn von Manchester nach Liverpool zusammenfällt.

Ehe wir aber auf das Walzen des Façon- oder Formeisens und der
Eisenbahnschienen näher eingehen, müssen wir die Verbesserungen ins
Auge fassen, welche bei der ersten Behandlung der Luppen, nachdem
sie den Puddelofen verlassen hatten, gemacht wurden.

Der einfache Stirnhammer war noch das gebräuchlichste Werk-
zeug zum Zängen der Luppen. Um den Amboſs von allen Seiten
zugänglich zu machen, hatte man bei den Hämmern in England und
zu Seraing um 1840 die Verbesserung angebracht, daſs die Bewegung
durch einen Ansatz am Hammerhelm von unten mittels Excenter-
scheiben geschah (Marteau à soulèvement â cames en dessous) 1).


1) Siehe Flachat etc., a. a. O., Pl. 41.
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[588/0604] Die Formgebung 1831 bis 1850. hätte sich aber auch das Eisenbahnwesen nie so rasch entwickeln können. Den Walzwerken wurden Aufgaben gestellt, wie nie zuvor. Ohne daſs Birkinshaws Erfindung des Walzens der Eisenbahn- schienen vorausgegangen wäre, hätte Stephenson keinen solchen Erfolg haben können. Nachdem er ihn aber hatte, steigerten sich die Forderungen an die Walzwerke mit Riesenschritten. Dabei bot weniger die Menge als die Beschaffenheit der Schienen Schwierig- keiten. Die ersten Schienen, die man walzte, wogen ca. 15 kg der lau- fende Meter, dies war z. B. noch das Gewicht der Schienen auf der Bahn von St. Etienne nach Lyon, die Schienen, die Stephenson auf der Bahn Liverpool-Manchester anwendete, wogen 17½ kg pro Meter. Je stärkere Lokomotiven man aber baute, je gröſsere Lasten man fuhr, um so schwerere Schienen muſste man nehmen, und so dauerte es nicht lange, daſs sich das Schienengewicht von 15 kg auf 33 kg pro Meter steigerte. Dies machte aber bei der Normallänge von 15 Fuſs englisch eine Steigerung des Gewichtes jeder Schiene von etwa 75 kg auf 165 kg. Die Ansprüche an die Maschinenkraft und an die Walz- werke hatten sich also in kurzer Zeit mehr wie verdoppelt. Die Walzwerke für die Herstellung der Eisenbahnschienen muſsten viel stärker gebaut und viel gewaltigere Dampfmaschinen zu ihrem Betrieb errichtet werden, als dies je zuvor der Fall war. Der Schiene aber unter den Walzen die richtige Form zu geben, war eine neue schwie- rige Aufgabe für den Hüttenmann. Nachdem man diese erfolgreich gelöst, bot es keine groſse Schwierigkeit mehr, dem Eisen auch noch andere neue Formen zu geben, wie sie namentlich die Benutzung des Eisens für Bauzwecke verlangte. Es ist deshalb kein Zufall, daſs die Erfindung des gewalzten T-Eisens ziemlich mit der Eröffnung der Eisenbahn von Manchester nach Liverpool zusammenfällt. Ehe wir aber auf das Walzen des Façon- oder Formeisens und der Eisenbahnschienen näher eingehen, müssen wir die Verbesserungen ins Auge fassen, welche bei der ersten Behandlung der Luppen, nachdem sie den Puddelofen verlassen hatten, gemacht wurden. Der einfache Stirnhammer war noch das gebräuchlichste Werk- zeug zum Zängen der Luppen. Um den Amboſs von allen Seiten zugänglich zu machen, hatte man bei den Hämmern in England und zu Seraing um 1840 die Verbesserung angebracht, daſs die Bewegung durch einen Ansatz am Hammerhelm von unten mittels Excenter- scheiben geschah (Marteau à soulèvement â cames en dessous) 1). 1) Siehe Flachat etc., a. a. O., Pl. 41.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/604>, abgerufen am 30.04.2024.