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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Eisen in London aus. Obgleich Chenot sich den grössten Erfolg
von seinem Prozess versprach und versicherte, dass er danach mit
den halben Anlagekosten billiger ausgezeichnetes Eisen und Stahl
darstellen könne, als man gegenwärtig gewöhnliches Roheisen zu er-
zeugen im stande sei, so erregte seine Erfindung damals in Fach-
kreisen nur geringes Interesse. Dr. Heeren machte 1852 in dem
Hannoverschen Gewerbeverein Mitteilungen über Chenots Eisen-
schwamm "als ein gutes Bindemittel"; über seine Bedeutung für die
Stahlfabrikation bemerkte er nur, "dass der Eisenschwamm mit einer
entsprechenden Menge Kohlenpulver gemengt und geschmolzen Guss-
stahl liefern muss, ist nicht zu bezweifeln, wohl aber, dass die Methode
ökonomisch ist und einen guten, stets gleichen Stahl liefern werde".
Nach seiner Angabe wurde die Reduktion durch Wassergas, welches
durch Überleiten von Dampf über glühende Kohlen gebildet war,
bewirkt. Chenot entwickelte aber in den Jahren 1851 bis 1855 eine
ausserordentliche Thätigkeit, seinen Prozess durch Versuche, die er
in Clichy und in Ariege anstellte, zu vervollkommnen und ihn in die
Praxis einzuführen, und wirklich gelang es ihm, zwei Werke auf seinen
Prozess zu gründen, eins zu Baracaldo bei Bilbao in Spanien, 1852,
und ein zweites zu Clichy-la-Garenne bei Paris, 1855. Es war ihm
gelungen, in Frankreich Interessen und Sympathieen für sich und
seinen Prozess zu erwecken und so trat derselbe bei der Welt-
ausstellung zu Paris 1855 weit mehr in den Vordergrund, als dies
1851 der Fall gewesen war. Die Sache wurde sogar von den Franzosen
zu einer nationalen gemacht und als eine der wichtigsten Erfindungen
des Jahrhunderts der Welt verkündet. Selbst Sachverständige, wie
Le Play, bezeichneten sie als die grösste metallurgische Entdeckung
des Zeitalters. Chenot war ein berühmter Mann geworden und die
Jury erkannte ihm -- allerdings in wenig loyaler Weise erst nach
der Abreise der wichtigsten ausländischen Jurymitglieder und trotz
des Protestes Tunners -- die höchste Auszeichnung, die grosse
goldene Medaille, zu 1). In Frankreich teilte man die sanguinischen
Hoffnungen des Erfinders. Auf diesem Gipfel des Erfolges erreichte
Chenot das tragische Geschick, dass er, unmittelbar nach Schluss der
Ausstellung, durch einen Sturz aus einem Fenster das Leben verlor.
Chenot und nach seinem Tode seine Söhne erwarben in den Jahren
1854 bis 1856 eine Anzahl Patente, vier davon in England. Von
diesen ist das vom 20. März 1854 (Nr. 658) das wichtigste. Der

1) Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1856, Nr. 52, S. 415.

Stahlbereitung 1851 bis 1860.
Eisen in London aus. Obgleich Chenot sich den gröſsten Erfolg
von seinem Prozeſs versprach und versicherte, daſs er danach mit
den halben Anlagekosten billiger ausgezeichnetes Eisen und Stahl
darstellen könne, als man gegenwärtig gewöhnliches Roheisen zu er-
zeugen im stande sei, so erregte seine Erfindung damals in Fach-
kreisen nur geringes Interesse. Dr. Heeren machte 1852 in dem
Hannoverschen Gewerbeverein Mitteilungen über Chenots Eisen-
schwamm „als ein gutes Bindemittel“; über seine Bedeutung für die
Stahlfabrikation bemerkte er nur, „daſs der Eisenschwamm mit einer
entsprechenden Menge Kohlenpulver gemengt und geschmolzen Guſs-
stahl liefern muſs, ist nicht zu bezweifeln, wohl aber, daſs die Methode
ökonomisch ist und einen guten, stets gleichen Stahl liefern werde“.
Nach seiner Angabe wurde die Reduktion durch Wassergas, welches
durch Überleiten von Dampf über glühende Kohlen gebildet war,
bewirkt. Chenot entwickelte aber in den Jahren 1851 bis 1855 eine
auſserordentliche Thätigkeit, seinen Prozeſs durch Versuche, die er
in Clichy und in Ariège anstellte, zu vervollkommnen und ihn in die
Praxis einzuführen, und wirklich gelang es ihm, zwei Werke auf seinen
Prozeſs zu gründen, eins zu Baracaldo bei Bilbao in Spanien, 1852,
und ein zweites zu Clichy-la-Garenne bei Paris, 1855. Es war ihm
gelungen, in Frankreich Interessen und Sympathieen für sich und
seinen Prozeſs zu erwecken und so trat derselbe bei der Welt-
ausstellung zu Paris 1855 weit mehr in den Vordergrund, als dies
1851 der Fall gewesen war. Die Sache wurde sogar von den Franzosen
zu einer nationalen gemacht und als eine der wichtigsten Erfindungen
des Jahrhunderts der Welt verkündet. Selbst Sachverständige, wie
Le Play, bezeichneten sie als die gröſste metallurgische Entdeckung
des Zeitalters. Chenot war ein berühmter Mann geworden und die
Jury erkannte ihm — allerdings in wenig loyaler Weise erst nach
der Abreise der wichtigsten ausländischen Jurymitglieder und trotz
des Protestes Tunners — die höchste Auszeichnung, die groſse
goldene Medaille, zu 1). In Frankreich teilte man die sanguinischen
Hoffnungen des Erfinders. Auf diesem Gipfel des Erfolges erreichte
Chenot das tragische Geschick, daſs er, unmittelbar nach Schluſs der
Ausstellung, durch einen Sturz aus einem Fenster das Leben verlor.
Chenot und nach seinem Tode seine Söhne erwarben in den Jahren
1854 bis 1856 eine Anzahl Patente, vier davon in England. Von
diesen ist das vom 20. März 1854 (Nr. 658) das wichtigste. Der

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[884/0900] Stahlbereitung 1851 bis 1860. Eisen in London aus. Obgleich Chenot sich den gröſsten Erfolg von seinem Prozeſs versprach und versicherte, daſs er danach mit den halben Anlagekosten billiger ausgezeichnetes Eisen und Stahl darstellen könne, als man gegenwärtig gewöhnliches Roheisen zu er- zeugen im stande sei, so erregte seine Erfindung damals in Fach- kreisen nur geringes Interesse. Dr. Heeren machte 1852 in dem Hannoverschen Gewerbeverein Mitteilungen über Chenots Eisen- schwamm „als ein gutes Bindemittel“; über seine Bedeutung für die Stahlfabrikation bemerkte er nur, „daſs der Eisenschwamm mit einer entsprechenden Menge Kohlenpulver gemengt und geschmolzen Guſs- stahl liefern muſs, ist nicht zu bezweifeln, wohl aber, daſs die Methode ökonomisch ist und einen guten, stets gleichen Stahl liefern werde“. Nach seiner Angabe wurde die Reduktion durch Wassergas, welches durch Überleiten von Dampf über glühende Kohlen gebildet war, bewirkt. Chenot entwickelte aber in den Jahren 1851 bis 1855 eine auſserordentliche Thätigkeit, seinen Prozeſs durch Versuche, die er in Clichy und in Ariège anstellte, zu vervollkommnen und ihn in die Praxis einzuführen, und wirklich gelang es ihm, zwei Werke auf seinen Prozeſs zu gründen, eins zu Baracaldo bei Bilbao in Spanien, 1852, und ein zweites zu Clichy-la-Garenne bei Paris, 1855. Es war ihm gelungen, in Frankreich Interessen und Sympathieen für sich und seinen Prozeſs zu erwecken und so trat derselbe bei der Welt- ausstellung zu Paris 1855 weit mehr in den Vordergrund, als dies 1851 der Fall gewesen war. Die Sache wurde sogar von den Franzosen zu einer nationalen gemacht und als eine der wichtigsten Erfindungen des Jahrhunderts der Welt verkündet. Selbst Sachverständige, wie Le Play, bezeichneten sie als die gröſste metallurgische Entdeckung des Zeitalters. Chenot war ein berühmter Mann geworden und die Jury erkannte ihm — allerdings in wenig loyaler Weise erst nach der Abreise der wichtigsten ausländischen Jurymitglieder und trotz des Protestes Tunners — die höchste Auszeichnung, die groſse goldene Medaille, zu 1). In Frankreich teilte man die sanguinischen Hoffnungen des Erfinders. Auf diesem Gipfel des Erfolges erreichte Chenot das tragische Geschick, daſs er, unmittelbar nach Schluſs der Ausstellung, durch einen Sturz aus einem Fenster das Leben verlor. Chenot und nach seinem Tode seine Söhne erwarben in den Jahren 1854 bis 1856 eine Anzahl Patente, vier davon in England. Von diesen ist das vom 20. März 1854 (Nr. 658) das wichtigste. Der 1) Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1856, Nr. 52, S. 415.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 884. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/900>, abgerufen am 05.05.2024.