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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Drahtfabrikation.

1876 bediente man sich zum Walzen besserer Drahtsorten des
seit 1869 eingeführten Systems von J. Johnson, wobei 16 Walzen zu
gleichzeitiger Wirksamkeit kamen und 20 Fuss 5/4zöllige, achteckige
Drahtknüppel, die 90 bis 100 Pfund wogen, in einer Minute zu Draht
von 3/16 Zoll ausgewalzt wurden. Das erste Walzenpaar machte 16,
das letzte 450 Umdrehungen in der Minute. Das System arbeitete
bei voller Ausnutzung vorteilhaft und fand auch in England und
Russland Eingang.

Das Drahtwalzwerk von Bansen 1) in Bodenbach (D. R. P. Nr. 49
vom 19. Juli 1877) bezweckte dünnere Drähte als seither zu walzen und
dadurch das Ziehen des Drahtes teilweise zu ersetzen. Die Kaliber
wurden durch drei Walzen, deren Achsen in Winkel von 120° gegen-
einander verstellt waren, gebildet.

Eine wesentliche Verbesserung war das Universalwalzwerk für
Draht und Feineisen von Roy 2) in Witten (D. R. P. Nr. 41 vom
25. Juli 1877), bei dem durch sinnreiche Führungen die Zahl der
Walzengerüste und der vertikalen Walzen sehr verringert wurde. Nur
zwei Walzenpaare lagen hintereinander, alle übrigen darunter. Da-
durch konnte das ganze System von acht Walzenpaaren auf einem
einzigen Walzengerüst vereinigt werden. Die Knüppel wurden durch
Vorwalzen auf 16 mm Quadrat gestreckt und dann auf jeder der acht
Walzen mit einem Stich fertiggewalzt. Eine genau gearbeitete Zahn-
radübersetzung regulierte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen,
die im umgekehrten Verhältnis der Kaliberfläche stehen musste. Ein
Nachteil bei den kontinuierlichen Walzwerken ist es, dass der Draht
mit ungleicher Temperatur die Kaliber passiert.

1878 wurde George Bedsons Walzwerk mit hintereinander
liegenden Walzen in den Cambria Works, Johnstown in den Vereinigten
Staaten, eingeführt. Die 1877 verbesserten Drahtwalzen von W. Mc.
Callip
zeichneten sich durch ein System von Drahtführungen (repeaters)
aus, welche die Handarbeit überflüssig machten. Auch Morgan 3)
erfand 1879 eine selbstthätige Umführung. -- J. R. Ramsden gab
1878 eine Vorrichtung zum Härten und Anlassen des Drahtes an,
wobei der Draht durch Röhren geführt und durch eine Kohlenwasser-
stoffflamme erhitzt wurde. Nach dem Verlassen der Rohre tauchte
der Draht in ein Ölbad.


1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 182, Taf. IV, Fig. 22 bis 26.
2) Daselbst S. 181, Taf. IV, Fig. 13 bis 27.
3) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 74, Fig. 15.
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Die Drahtfabrikation.

1876 bediente man sich zum Walzen besserer Drahtsorten des
seit 1869 eingeführten Systems von J. Johnson, wobei 16 Walzen zu
gleichzeitiger Wirksamkeit kamen und 20 Fuſs 5/4zöllige, achteckige
Drahtknüppel, die 90 bis 100 Pfund wogen, in einer Minute zu Draht
von 3/16 Zoll ausgewalzt wurden. Das erste Walzenpaar machte 16,
das letzte 450 Umdrehungen in der Minute. Das System arbeitete
bei voller Ausnutzung vorteilhaft und fand auch in England und
Ruſsland Eingang.

Das Drahtwalzwerk von Bansen 1) in Bodenbach (D. R. P. Nr. 49
vom 19. Juli 1877) bezweckte dünnere Drähte als seither zu walzen und
dadurch das Ziehen des Drahtes teilweise zu ersetzen. Die Kaliber
wurden durch drei Walzen, deren Achsen in Winkel von 120° gegen-
einander verstellt waren, gebildet.

Eine wesentliche Verbesserung war das Universalwalzwerk für
Draht und Feineisen von Roy 2) in Witten (D. R. P. Nr. 41 vom
25. Juli 1877), bei dem durch sinnreiche Führungen die Zahl der
Walzengerüste und der vertikalen Walzen sehr verringert wurde. Nur
zwei Walzenpaare lagen hintereinander, alle übrigen darunter. Da-
durch konnte das ganze System von acht Walzenpaaren auf einem
einzigen Walzengerüst vereinigt werden. Die Knüppel wurden durch
Vorwalzen auf 16 mm Quadrat gestreckt und dann auf jeder der acht
Walzen mit einem Stich fertiggewalzt. Eine genau gearbeitete Zahn-
radübersetzung regulierte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen,
die im umgekehrten Verhältnis der Kaliberfläche stehen muſste. Ein
Nachteil bei den kontinuierlichen Walzwerken ist es, daſs der Draht
mit ungleicher Temperatur die Kaliber passiert.

1878 wurde George Bedsons Walzwerk mit hintereinander
liegenden Walzen in den Cambria Works, Johnstown in den Vereinigten
Staaten, eingeführt. Die 1877 verbesserten Drahtwalzen von W. Mc.
Callip
zeichneten sich durch ein System von Drahtführungen (repeaters)
aus, welche die Handarbeit überflüssig machten. Auch Morgan 3)
erfand 1879 eine selbstthätige Umführung. — J. R. Ramsden gab
1878 eine Vorrichtung zum Härten und Anlassen des Drahtes an,
wobei der Draht durch Röhren geführt und durch eine Kohlenwasser-
stoffflamme erhitzt wurde. Nach dem Verlassen der Rohre tauchte
der Draht in ein Ölbad.


1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 182, Taf. IV, Fig. 22 bis 26.
2) Daselbst S. 181, Taf. IV, Fig. 13 bis 27.
3) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 74, Fig. 15.
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[867/0883] Die Drahtfabrikation. 1876 bediente man sich zum Walzen besserer Drahtsorten des seit 1869 eingeführten Systems von J. Johnson, wobei 16 Walzen zu gleichzeitiger Wirksamkeit kamen und 20 Fuſs 5/4zöllige, achteckige Drahtknüppel, die 90 bis 100 Pfund wogen, in einer Minute zu Draht von 3/16 Zoll ausgewalzt wurden. Das erste Walzenpaar machte 16, das letzte 450 Umdrehungen in der Minute. Das System arbeitete bei voller Ausnutzung vorteilhaft und fand auch in England und Ruſsland Eingang. Das Drahtwalzwerk von Bansen 1) in Bodenbach (D. R. P. Nr. 49 vom 19. Juli 1877) bezweckte dünnere Drähte als seither zu walzen und dadurch das Ziehen des Drahtes teilweise zu ersetzen. Die Kaliber wurden durch drei Walzen, deren Achsen in Winkel von 120° gegen- einander verstellt waren, gebildet. Eine wesentliche Verbesserung war das Universalwalzwerk für Draht und Feineisen von Roy 2) in Witten (D. R. P. Nr. 41 vom 25. Juli 1877), bei dem durch sinnreiche Führungen die Zahl der Walzengerüste und der vertikalen Walzen sehr verringert wurde. Nur zwei Walzenpaare lagen hintereinander, alle übrigen darunter. Da- durch konnte das ganze System von acht Walzenpaaren auf einem einzigen Walzengerüst vereinigt werden. Die Knüppel wurden durch Vorwalzen auf 16 mm Quadrat gestreckt und dann auf jeder der acht Walzen mit einem Stich fertiggewalzt. Eine genau gearbeitete Zahn- radübersetzung regulierte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen, die im umgekehrten Verhältnis der Kaliberfläche stehen muſste. Ein Nachteil bei den kontinuierlichen Walzwerken ist es, daſs der Draht mit ungleicher Temperatur die Kaliber passiert. 1878 wurde George Bedsons Walzwerk mit hintereinander liegenden Walzen in den Cambria Works, Johnstown in den Vereinigten Staaten, eingeführt. Die 1877 verbesserten Drahtwalzen von W. Mc. Callip zeichneten sich durch ein System von Drahtführungen (repeaters) aus, welche die Handarbeit überflüssig machten. Auch Morgan 3) erfand 1879 eine selbstthätige Umführung. — J. R. Ramsden gab 1878 eine Vorrichtung zum Härten und Anlassen des Drahtes an, wobei der Draht durch Röhren geführt und durch eine Kohlenwasser- stoffflamme erhitzt wurde. Nach dem Verlassen der Rohre tauchte der Draht in ein Ölbad. 1) Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 182, Taf. IV, Fig. 22 bis 26. 2) Daselbst S. 181, Taf. IV, Fig. 13 bis 27. 3) Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 74, Fig. 15. 55*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 867. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/883>, abgerufen am 28.04.2024.