Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Drahtfabrikation.
von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen
Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum
Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. Guttmann ein
Sandstrahlgebläse.

Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelgussstahl, der aus
schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten
geschah nach dem Patent von Ashworth Brothers von 1878 mit
einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik
von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen
des Stahldrahtes.

In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika
verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer
Hitze erteilt 1). Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer
zweckmässig disponierter Walzenstrassen mit zunehmender Geschwindig-
keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. Roberts erfand
dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken-
jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor Turk
zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen-
hütte des Herrn Pengg zu Thörl ausgeführt wurde.

Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen
zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht-
seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher von Dücker
die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten
Theodor Otto und Adolf Bleichert zu Schkeuditz bei Leipzig die
ersten grösseren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt
hatten, vervollkommnete besonders Otto seine Konstruktion. Ausser
diesen erwarb P. Pohlig in Köln sich Verdienste um den Bau von
Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster-
reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt.

Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und
betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois
Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke
von der Blockstrasse in die Vorstrasse des kontinuierlichen Walzwerks
und dann in zwei Garretstrassen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die
Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der
Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt 2).

In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von

1) Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130.
2) Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429.

Die Drahtfabrikation.
von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen
Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum
Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. Guttmann ein
Sandstrahlgebläse.

Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelguſsstahl, der aus
schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten
geschah nach dem Patent von Ashworth Brothers von 1878 mit
einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik
von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen
des Stahldrahtes.

In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika
verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer
Hitze erteilt 1). Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer
zweckmäſsig disponierter Walzenstraſsen mit zunehmender Geschwindig-
keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. Roberts erfand
dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken-
jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor Turk
zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen-
hütte des Herrn Pengg zu Thörl ausgeführt wurde.

Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen
zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht-
seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher von Dücker
die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten
Theodor Otto und Adolf Bleichert zu Schkeuditz bei Leipzig die
ersten gröſseren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt
hatten, vervollkommnete besonders Otto seine Konstruktion. Auſser
diesen erwarb P. Pohlig in Köln sich Verdienste um den Bau von
Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster-
reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt.

Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und
betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois
Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke
von der Blockstraſse in die Vorstraſse des kontinuierlichen Walzwerks
und dann in zwei Garretstraſsen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die
Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der
Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt 2).

In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von

1) Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130.
2) Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0888" n="872"/><fw place="top" type="header">Die Drahtfabrikation.</fw><lb/>
von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen<lb/>
Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum<lb/>
Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. <hi rendition="#g">Guttmann</hi> ein<lb/>
Sandstrahlgebläse.</p><lb/>
              <p>Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelgu&#x017F;sstahl, der aus<lb/>
schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten<lb/>
geschah nach dem Patent von <hi rendition="#g">Ashworth Brothers</hi> von 1878 mit<lb/>
einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik<lb/>
von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen<lb/>
des Stahldrahtes.</p><lb/>
              <p>In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika<lb/>
verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer<lb/>
Hitze erteilt <note place="foot" n="1)">Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130.</note>. Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer<lb/>
zweckmä&#x017F;sig disponierter Walzenstra&#x017F;sen mit zunehmender Geschwindig-<lb/>
keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. <hi rendition="#g">Roberts</hi> erfand<lb/>
dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken-<lb/>
jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor <hi rendition="#g">Turk</hi><lb/>
zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen-<lb/>
hütte des Herrn <hi rendition="#g">Pengg</hi> zu Thörl ausgeführt wurde.</p><lb/>
              <p>Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen<lb/>
zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht-<lb/>
seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher <hi rendition="#g">von Dücker</hi><lb/>
die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten<lb/><hi rendition="#g">Theodor Otto</hi> und <hi rendition="#g">Adolf Bleichert</hi> zu Schkeuditz bei Leipzig die<lb/>
ersten grö&#x017F;seren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt<lb/>
hatten, vervollkommnete besonders <hi rendition="#g">Otto</hi> seine Konstruktion. Au&#x017F;ser<lb/>
diesen erwarb P. <hi rendition="#g">Pohlig</hi> in Köln sich Verdienste um den Bau von<lb/>
Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster-<lb/>
reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt.</p><lb/>
              <p>Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und<lb/>
betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois<lb/>
Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke<lb/>
von der Blockstra&#x017F;se in die Vorstra&#x017F;se des kontinuierlichen Walzwerks<lb/>
und dann in zwei Garretstra&#x017F;sen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die<lb/>
Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der<lb/>
Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt <note place="foot" n="2)">Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429.</note>.</p><lb/>
              <p>In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[872/0888] Die Drahtfabrikation. von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. Guttmann ein Sandstrahlgebläse. Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelguſsstahl, der aus schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten geschah nach dem Patent von Ashworth Brothers von 1878 mit einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen des Stahldrahtes. In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer Hitze erteilt 1). Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer zweckmäſsig disponierter Walzenstraſsen mit zunehmender Geschwindig- keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. Roberts erfand dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken- jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor Turk zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen- hütte des Herrn Pengg zu Thörl ausgeführt wurde. Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht- seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher von Dücker die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten Theodor Otto und Adolf Bleichert zu Schkeuditz bei Leipzig die ersten gröſseren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt hatten, vervollkommnete besonders Otto seine Konstruktion. Auſser diesen erwarb P. Pohlig in Köln sich Verdienste um den Bau von Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster- reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt. Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke von der Blockstraſse in die Vorstraſse des kontinuierlichen Walzwerks und dann in zwei Garretstraſsen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt 2). In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von 1) Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130. 2) Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/888
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/888>, abgerufen am 28.04.2024.