Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Ein Taifün.
als ein Versuch erscheinen, den preussischen Bevollmächtigten am
directen Verkehr mit den Ministern zu hindern, und wurde höflich
abgewiesen; Graf Eulenburg sprach seine Erwartung aus, recht
bald
von dem Minister empfangen zu werden. Man erging sich
noch einige Minuten in Artigkeiten, -- hinter den Papierwänden
des Empfangszimmers sassen Schreiber, welche die ganze Unter-
haltung emsig aufzeichneten, -- dann empfahlen sich die Bunyo's.
Die im Hofe aufgestellte Mannschaft machte ihnen die militärischen
Honneurs; sie schienen überrascht und erfreut, äusserten auch gleich
den Wunsch ein Zündnadelgewehr zu sehen, und fassten sehr
schnell das Princip des Mechanismus.

Die Matrosen und Seesoldaten begaben sich unter Führung
ihrer Officiere noch desselben Abends wieder an Bord, während
der Gesandte und seine Begleiter sich in der geräumigen Wohnung
häuslich einrichteten. Die folgende Nacht war sehr unruhig: am
frühesten Morgen brach wieder ein Taifün los, so heftig wie der
acht Tage zuvor erlebte, aber man hatte ja festen Boden unter den
Füssen, und nicht, wie im Stillen Ocean, eine gefährliche Küste in
Lee. Den elastischen hölzernen Gebäuden am Lande geschah ausser
einigen zerfetzten Papierscheiben kein Schaden, aber draussen auf
der Rhede raste der Sturm ganz gewaltig; die Arkona musste vor
doppelte Anker gelegt werden, und auch dann besorgte man noch
dass sie treiben möchte. Die erste Barcasse, ein Boot von bedeuten-
der Breite, hatte, da die Mannschaft erst in später Nacht ermüdet
und ganz durchnässt zurückkam, nicht mehr an Bord gebracht werden
können und schlug während des Sturmes um. Ihr Geschütz versank
im Meere, das Boot selbst wurde am folgenden Tage geborgen.

Es war ein sonderbares Gefühl sich in Yeddo zu befinden,
einer Stadt die noch vor wenigen Jahren dem Bewusstsein der meisten
Europäer nicht viel näher lag als die Genienschlösser arabischer
Mährchen, und deren Bevölkerung sonst zuverlässige Bücher der
Neuzeit auf acht Millionen angegeben haben. Man brannte vor Be-
gierde sich umzusehen, und einige der Reisenden machten schon am
Sonntag, sobald das Wetter sich aufhellte, einen Spaziergang durch
die nächsten Strassen. Die begleitenden Yakunine 5) führten sie in
ein Theehaus; der Thee, welcher ohne Zucker und Milch aus kleinen

5) S. S. 123.

IV. Ein Taïfün.
als ein Versuch erscheinen, den preussischen Bevollmächtigten am
directen Verkehr mit den Ministern zu hindern, und wurde höflich
abgewiesen; Graf Eulenburg sprach seine Erwartung aus, recht
bald
von dem Minister empfangen zu werden. Man erging sich
noch einige Minuten in Artigkeiten, — hinter den Papierwänden
des Empfangszimmers sassen Schreiber, welche die ganze Unter-
haltung emsig aufzeichneten, — dann empfahlen sich die Bunyo’s.
Die im Hofe aufgestellte Mannschaft machte ihnen die militärischen
Honneurs; sie schienen überrascht und erfreut, äusserten auch gleich
den Wunsch ein Zündnadelgewehr zu sehen, und fassten sehr
schnell das Princip des Mechanismus.

Die Matrosen und Seesoldaten begaben sich unter Führung
ihrer Officiere noch desselben Abends wieder an Bord, während
der Gesandte und seine Begleiter sich in der geräumigen Wohnung
häuslich einrichteten. Die folgende Nacht war sehr unruhig: am
frühesten Morgen brach wieder ein Taïfün los, so heftig wie der
acht Tage zuvor erlebte, aber man hatte ja festen Boden unter den
Füssen, und nicht, wie im Stillen Ocean, eine gefährliche Küste in
Lee. Den elastischen hölzernen Gebäuden am Lande geschah ausser
einigen zerfetzten Papierscheiben kein Schaden, aber draussen auf
der Rhede raste der Sturm ganz gewaltig; die Arkona musste vor
doppelte Anker gelegt werden, und auch dann besorgte man noch
dass sie treiben möchte. Die erste Barcasse, ein Boot von bedeuten-
der Breite, hatte, da die Mannschaft erst in später Nacht ermüdet
und ganz durchnässt zurückkam, nicht mehr an Bord gebracht werden
können und schlug während des Sturmes um. Ihr Geschütz versank
im Meere, das Boot selbst wurde am folgenden Tage geborgen.

Es war ein sonderbares Gefühl sich in Yeddo zu befinden,
einer Stadt die noch vor wenigen Jahren dem Bewusstsein der meisten
Europäer nicht viel näher lag als die Genienschlösser arabischer
Mährchen, und deren Bevölkerung sonst zuverlässige Bücher der
Neuzeit auf acht Millionen angegeben haben. Man brannte vor Be-
gierde sich umzusehen, und einige der Reisenden machten schon am
Sonntag, sobald das Wetter sich aufhellte, einen Spaziergang durch
die nächsten Strassen. Die begleitenden Yakunine 5) führten sie in
ein Theehaus; der Thee, welcher ohne Zucker und Milch aus kleinen

5) S. S. 123.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="261"/><fw place="top" type="header">IV. Ein <hi rendition="#k">Taïfün</hi>.</fw><lb/>
als ein Versuch erscheinen, den preussischen Bevollmächtigten am<lb/>
directen Verkehr mit den Ministern zu hindern, und wurde höflich<lb/>
abgewiesen; Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119178931">Eulenburg</persName> sprach seine Erwartung aus, <hi rendition="#g">recht<lb/>
bald</hi> von dem Minister empfangen zu werden. Man erging sich<lb/>
noch einige Minuten in Artigkeiten, &#x2014; hinter den Papierwänden<lb/>
des Empfangszimmers sassen Schreiber, welche die ganze Unter-<lb/>
haltung emsig aufzeichneten, &#x2014; dann empfahlen sich die <hi rendition="#k">Bunyo</hi>&#x2019;s.<lb/>
Die im Hofe aufgestellte Mannschaft machte ihnen die militärischen<lb/>
Honneurs; sie schienen überrascht und erfreut, äusserten auch gleich<lb/>
den Wunsch ein Zündnadelgewehr zu sehen, und fassten sehr<lb/>
schnell das Princip des Mechanismus.</p><lb/>
          <p>Die Matrosen und Seesoldaten begaben sich unter Führung<lb/>
ihrer Officiere noch desselben Abends wieder an Bord, während<lb/>
der Gesandte und seine Begleiter sich in der geräumigen Wohnung<lb/>
häuslich einrichteten. Die folgende Nacht war sehr unruhig: am<lb/>
frühesten Morgen brach wieder ein <hi rendition="#k">Taïfün</hi> los, so heftig wie der<lb/>
acht Tage zuvor erlebte, aber man hatte ja festen Boden unter den<lb/>
Füssen, und nicht, wie im <placeName>Stillen Ocean</placeName>, eine gefährliche Küste in<lb/>
Lee. Den elastischen hölzernen Gebäuden am Lande geschah ausser<lb/>
einigen zerfetzten Papierscheiben kein Schaden, aber draussen auf<lb/>
der Rhede raste der Sturm ganz gewaltig; die Arkona musste vor<lb/>
doppelte Anker gelegt werden, und auch dann besorgte man noch<lb/>
dass sie treiben möchte. Die erste Barcasse, ein Boot von bedeuten-<lb/>
der Breite, hatte, da die Mannschaft erst in später Nacht ermüdet<lb/>
und ganz durchnässt zurückkam, nicht mehr an Bord gebracht werden<lb/>
können und schlug während des Sturmes um. Ihr Geschütz versank<lb/>
im Meere, das Boot selbst wurde am folgenden Tage geborgen.</p><lb/>
          <p>Es war ein sonderbares Gefühl sich in <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> zu befinden,<lb/>
einer Stadt die noch vor wenigen Jahren dem Bewusstsein der meisten<lb/>
Europäer nicht viel näher lag als die Genienschlösser arabischer<lb/>
Mährchen, und deren Bevölkerung sonst zuverlässige Bücher der<lb/>
Neuzeit auf acht Millionen angegeben haben. Man brannte vor Be-<lb/>
gierde sich umzusehen, und einige der Reisenden machten schon am<lb/>
Sonntag, sobald das Wetter sich aufhellte, einen Spaziergang durch<lb/>
die nächsten Strassen. Die begleitenden <hi rendition="#k">Yakunine</hi> <note place="foot" n="5)">S. S. 123.</note> führten sie in<lb/>
ein Theehaus; der Thee, welcher ohne Zucker und Milch aus kleinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0291] IV. Ein Taïfün. als ein Versuch erscheinen, den preussischen Bevollmächtigten am directen Verkehr mit den Ministern zu hindern, und wurde höflich abgewiesen; Graf Eulenburg sprach seine Erwartung aus, recht bald von dem Minister empfangen zu werden. Man erging sich noch einige Minuten in Artigkeiten, — hinter den Papierwänden des Empfangszimmers sassen Schreiber, welche die ganze Unter- haltung emsig aufzeichneten, — dann empfahlen sich die Bunyo’s. Die im Hofe aufgestellte Mannschaft machte ihnen die militärischen Honneurs; sie schienen überrascht und erfreut, äusserten auch gleich den Wunsch ein Zündnadelgewehr zu sehen, und fassten sehr schnell das Princip des Mechanismus. Die Matrosen und Seesoldaten begaben sich unter Führung ihrer Officiere noch desselben Abends wieder an Bord, während der Gesandte und seine Begleiter sich in der geräumigen Wohnung häuslich einrichteten. Die folgende Nacht war sehr unruhig: am frühesten Morgen brach wieder ein Taïfün los, so heftig wie der acht Tage zuvor erlebte, aber man hatte ja festen Boden unter den Füssen, und nicht, wie im Stillen Ocean, eine gefährliche Küste in Lee. Den elastischen hölzernen Gebäuden am Lande geschah ausser einigen zerfetzten Papierscheiben kein Schaden, aber draussen auf der Rhede raste der Sturm ganz gewaltig; die Arkona musste vor doppelte Anker gelegt werden, und auch dann besorgte man noch dass sie treiben möchte. Die erste Barcasse, ein Boot von bedeuten- der Breite, hatte, da die Mannschaft erst in später Nacht ermüdet und ganz durchnässt zurückkam, nicht mehr an Bord gebracht werden können und schlug während des Sturmes um. Ihr Geschütz versank im Meere, das Boot selbst wurde am folgenden Tage geborgen. Es war ein sonderbares Gefühl sich in Yeddo zu befinden, einer Stadt die noch vor wenigen Jahren dem Bewusstsein der meisten Europäer nicht viel näher lag als die Genienschlösser arabischer Mährchen, und deren Bevölkerung sonst zuverlässige Bücher der Neuzeit auf acht Millionen angegeben haben. Man brannte vor Be- gierde sich umzusehen, und einige der Reisenden machten schon am Sonntag, sobald das Wetter sich aufhellte, einen Spaziergang durch die nächsten Strassen. Die begleitenden Yakunine 5) führten sie in ein Theehaus; der Thee, welcher ohne Zucker und Milch aus kleinen 5) S. S. 123.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/291
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/291>, abgerufen am 10.06.2024.