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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Denkschrift an den Kaiser.
gegen, ihre Gefangenen freizugeben, so ist es doch die Höhe des Un-
verstandes, die Nichtswürdigen zu begnadigen, welche ihnen vorwärts
geholfen haben, -- abscheuliche Schurken, deren Fleisch das Volk ver-
schlingen, auf deren Fell es schlafen möchte, deren Verbrechen laut
nach Rache schreien! Wird das Volk nicht den Gehorsam gegen das
Gesetz verlernen? -- wird es nicht der Obrigkeit widerstreben? --
wird dieses Beispiel nicht die Quelle künftigen Aufruhrs werden?

4. Die Commissare bemerken, dass wir durch kriegerische
Maassregeln niemals etwas ausrichten können, deshalb den Umstän-
den weichen und dem Krieg auf immer ein Ziel setzen müssen. Aber
bezweckt diese Sprache nicht uns zu hintergehen? Erhielten nicht die
Barbaren in Kan-ton sechs Millionen für ihr Opium und überfielen
sie nicht trotz dem Versprechen, ihre Truppen zurückzuziehen, noch
ehe die Dinte jener Convention trocknete, unser Land, und schlossen
Nan-kin ein? Und würden sie jetzt nicht noch andere Forderungen
stellen, sobald die stipulirten Summen bezahlt wären? Schifften sie
nicht mitten unter den Friedens-Verhandlungen Truppen aus? Welche
Bürgschaft haben also die Commissare, dass nicht weitere Erörterungen
folgen?

Der Ausspruch der Commissare, dass die Freigebung der
fünf Häfen uns die Gunst, den guten Willen und das Vertrauen der
Engländer erwerben wird, dass sie jene Häfen schützen und uns da-
durch grosse Dienste leisten werden, ist eitel Geschwätz von Träu-
mern. Ein Kind sieht ein, dass sie nach Willkür herrschen und uns
ihren Willen dictiren werden, wenn wir ihnen die wichtigsten Punkte
einräumen und sie zu Thorwächtern des Reiches machen.

Die Bevollmächtigten wollen ohne Rücksicht auf die Zukunft nur
für den Augenblick Ruhe schaffen. Aber auch das werden sie nicht
erreichen; denn wo soll es enden, wenn ihre jetzt gestellten maasslosen
Forderungen als Beispiel für die Zukunft dastehen? Immer mehr wird
der Feind erdreisten, mit der tiefsten Verachtung wird er das Reich
der Mitte ansehen, und seine unersättliche Gier wird keine Grenzen
kennen.

Dein Diener erklärt dir nun aufs eindringlichste, dass, obgleich
die Stadt Nan-kin Alles birgt, was ihm theuer ist, er lieber eine Ent-
scheidungsschlacht an dieser Stelle geschlagen und das Leben seiner
Familie gefährdet sehen möchte, als dass solche Vorschläge angenom-
men würden. Ist auch die südliche Einfahrt des Kaiser-Canals in der
Gewalt des Feindes, so halten wir doch noch die nördliche bei Yan-
tsau-fu
besetzt. Wir können ein grosses Heer unter Befehl eines
hohen Staatsbeamten senden, die Contingente aus Kian-su und Gan-

Denkschrift an den Kaiser.
gegen, ihre Gefangenen freizugeben, so ist es doch die Höhe des Un-
verstandes, die Nichtswürdigen zu begnadigen, welche ihnen vorwärts
geholfen haben, — abscheuliche Schurken, deren Fleisch das Volk ver-
schlingen, auf deren Fell es schlafen möchte, deren Verbrechen laut
nach Rache schreien! Wird das Volk nicht den Gehorsam gegen das
Gesetz verlernen? — wird es nicht der Obrigkeit widerstreben? —
wird dieses Beispiel nicht die Quelle künftigen Aufruhrs werden?

4. Die Commissare bemerken, dass wir durch kriegerische
Maassregeln niemals etwas ausrichten können, deshalb den Umstän-
den weichen und dem Krieg auf immer ein Ziel setzen müssen. Aber
bezweckt diese Sprache nicht uns zu hintergehen? Erhielten nicht die
Barbaren in Kan-ton sechs Millionen für ihr Opium und überfielen
sie nicht trotz dem Versprechen, ihre Truppen zurückzuziehen, noch
ehe die Dinte jener Convention trocknete, unser Land, und schlossen
Nan-kiṅ ein? Und würden sie jetzt nicht noch andere Forderungen
stellen, sobald die stipulirten Summen bezahlt wären? Schifften sie
nicht mitten unter den Friedens-Verhandlungen Truppen aus? Welche
Bürgschaft haben also die Commissare, dass nicht weitere Erörterungen
folgen?

Der Ausspruch der Commissare, dass die Freigebung der
fünf Häfen uns die Gunst, den guten Willen und das Vertrauen der
Engländer erwerben wird, dass sie jene Häfen schützen und uns da-
durch grosse Dienste leisten werden, ist eitel Geschwätz von Träu-
mern. Ein Kind sieht ein, dass sie nach Willkür herrschen und uns
ihren Willen dictiren werden, wenn wir ihnen die wichtigsten Punkte
einräumen und sie zu Thorwächtern des Reiches machen.

Die Bevollmächtigten wollen ohne Rücksicht auf die Zukunft nur
für den Augenblick Ruhe schaffen. Aber auch das werden sie nicht
erreichen; denn wo soll es enden, wenn ihre jetzt gestellten maasslosen
Forderungen als Beispiel für die Zukunft dastehen? Immer mehr wird
der Feind erdreisten, mit der tiefsten Verachtung wird er das Reich
der Mitte ansehen, und seine unersättliche Gier wird keine Grenzen
kennen.

Dein Diener erklärt dir nun aufs eindringlichste, dass, obgleich
die Stadt Nan-kiṅ Alles birgt, was ihm theuer ist, er lieber eine Ent-
scheidungsschlacht an dieser Stelle geschlagen und das Leben seiner
Familie gefährdet sehen möchte, als dass solche Vorschläge angenom-
men würden. Ist auch die südliche Einfahrt des Kaiser-Canals in der
Gewalt des Feindes, so halten wir doch noch die nördliche bei Yaṅ-
tšau-fu
besetzt. Wir können ein grosses Heer unter Befehl eines
hohen Staatsbeamten senden, die Contingente aus Kiaṅ-su und Gan-

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[132/0154] Denkschrift an den Kaiser. gegen, ihre Gefangenen freizugeben, so ist es doch die Höhe des Un- verstandes, die Nichtswürdigen zu begnadigen, welche ihnen vorwärts geholfen haben, — abscheuliche Schurken, deren Fleisch das Volk ver- schlingen, auf deren Fell es schlafen möchte, deren Verbrechen laut nach Rache schreien! Wird das Volk nicht den Gehorsam gegen das Gesetz verlernen? — wird es nicht der Obrigkeit widerstreben? — wird dieses Beispiel nicht die Quelle künftigen Aufruhrs werden? 4. Die Commissare bemerken, dass wir durch kriegerische Maassregeln niemals etwas ausrichten können, deshalb den Umstän- den weichen und dem Krieg auf immer ein Ziel setzen müssen. Aber bezweckt diese Sprache nicht uns zu hintergehen? Erhielten nicht die Barbaren in Kan-ton sechs Millionen für ihr Opium und überfielen sie nicht trotz dem Versprechen, ihre Truppen zurückzuziehen, noch ehe die Dinte jener Convention trocknete, unser Land, und schlossen Nan-kiṅ ein? Und würden sie jetzt nicht noch andere Forderungen stellen, sobald die stipulirten Summen bezahlt wären? Schifften sie nicht mitten unter den Friedens-Verhandlungen Truppen aus? Welche Bürgschaft haben also die Commissare, dass nicht weitere Erörterungen folgen? Der Ausspruch der Commissare, dass die Freigebung der fünf Häfen uns die Gunst, den guten Willen und das Vertrauen der Engländer erwerben wird, dass sie jene Häfen schützen und uns da- durch grosse Dienste leisten werden, ist eitel Geschwätz von Träu- mern. Ein Kind sieht ein, dass sie nach Willkür herrschen und uns ihren Willen dictiren werden, wenn wir ihnen die wichtigsten Punkte einräumen und sie zu Thorwächtern des Reiches machen. Die Bevollmächtigten wollen ohne Rücksicht auf die Zukunft nur für den Augenblick Ruhe schaffen. Aber auch das werden sie nicht erreichen; denn wo soll es enden, wenn ihre jetzt gestellten maasslosen Forderungen als Beispiel für die Zukunft dastehen? Immer mehr wird der Feind erdreisten, mit der tiefsten Verachtung wird er das Reich der Mitte ansehen, und seine unersättliche Gier wird keine Grenzen kennen. Dein Diener erklärt dir nun aufs eindringlichste, dass, obgleich die Stadt Nan-kiṅ Alles birgt, was ihm theuer ist, er lieber eine Ent- scheidungsschlacht an dieser Stelle geschlagen und das Leben seiner Familie gefährdet sehen möchte, als dass solche Vorschläge angenom- men würden. Ist auch die südliche Einfahrt des Kaiser-Canals in der Gewalt des Feindes, so halten wir doch noch die nördliche bei Yaṅ- tšau-fu besetzt. Wir können ein grosses Heer unter Befehl eines hohen Staatsbeamten senden, die Contingente aus Kiaṅ-su und Gan-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/154>, abgerufen am 29.04.2024.