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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Macao. -- Die Spanier.
ein Vertrag darüber niemals geschlossen wurde. Die Hoheitsrechte,
welche die Regierung von Lissabon wiederholt beanspruchte, sind
ihr in der That bis in neuere Zeit hartnäckig verweigert worden 6).
Die Portugiesen haben immer behauptet, das Territorium sei ihnen
als Ersatz für gewisse Dienste abgetreten worden, welche sie den
Chinesen zur Unterdrückung der Seeräuber geleistet hätten. Dem
widersprechen aber die Thatsachen. Sie entrichteten jährlich
eine bestimmte Summe als Grundzins an den Hof von Pe-kin und
erhielten dafür die Erlaubniss, auf der Halbinsel zu wohnen und
sich selbst zu regieren, übten diese Rechte aber nur ad nutum
des Kaisers, der sie jeden Augenblick vertreiben konnte. Ein chi-
nesischer Civil-Gouverneur bewachte, in Macao wohnend, unter
dem Statthalter von Kuan-tun die portugiesischen Behörden und
regierte die dort ansässigen Chinesen im Namen des Kaisers; chi-
nesische Officiere untersuchten jährlich die portugiesischen Festungs-
werke, und chinesische Zollbeamte erhoben Abgaben von portu-
giesischen Schiffen. Kein neues Haus, keine Kirche durfte ohne
Einwilligung der Mandarinen gebaut werden. Schon 1573 zogen
diese eine Mauer quer über die Landenge und schnitten jeden freien
Verkehr mit dem Inneren ab. Die Mandschu-Kaiser erklärten nach
Unterwerfung des Reiches die Colonisten in Macao ausdrücklich
für Unterthanen der Ta-tsin-Dynastie. Erst in neuester Zeit hat
Portugal einen ähnlichen Vertrag mit der chinesischen Regierung
geschlossen, wie die anderen westlichen Völker.

Die Spanier erlangten für den Verkehr in Macao und Kan-ton
bald ähnliche Zugeständnisse wie die Portugiesen. Der Besitz der
Philippinen bot ihnen wesentliche Vortheile; dennoch blieb ihr
Handel unbedeutend. Man glaubt, dass ein grosser Theil des
Waarenverkehrs sich in Manila concentrirt hätte, wenn dort Speicher
zur zollfreien Wiederausfuhr eingerichtet worden wären. Zuweilen
berührten fremde Schiffe Manila, um Reisladungen einzunehmen und
dadurch die schweren Hafengebühren in Kan-ton zu vermeiden;
aber selbst diesen Handelszweig drückte die spanische Regierung.


6) Portugiesische Gesandte gingen in den Jahren 1667, 1727 und 1753 nach
Pe-kin. Sie scheinen sich den Forderungen des Hof-Ceremoniels unterworfen zu
haben.

Macao. — Die Spanier.
ein Vertrag darüber niemals geschlossen wurde. Die Hoheitsrechte,
welche die Regierung von Lissabon wiederholt beanspruchte, sind
ihr in der That bis in neuere Zeit hartnäckig verweigert worden 6).
Die Portugiesen haben immer behauptet, das Territorium sei ihnen
als Ersatz für gewisse Dienste abgetreten worden, welche sie den
Chinesen zur Unterdrückung der Seeräuber geleistet hätten. Dem
widersprechen aber die Thatsachen. Sie entrichteten jährlich
eine bestimmte Summe als Grundzins an den Hof von Pe-kiṅ und
erhielten dafür die Erlaubniss, auf der Halbinsel zu wohnen und
sich selbst zu regieren, übten diese Rechte aber nur ad nutum
des Kaisers, der sie jeden Augenblick vertreiben konnte. Ein chi-
nesischer Civil-Gouverneur bewachte, in Macao wohnend, unter
dem Statthalter von Kuaṅ-tuṅ die portugiesischen Behörden und
regierte die dort ansässigen Chinesen im Namen des Kaisers; chi-
nesische Officiere untersuchten jährlich die portugiesischen Festungs-
werke, und chinesische Zollbeamte erhoben Abgaben von portu-
giesischen Schiffen. Kein neues Haus, keine Kirche durfte ohne
Einwilligung der Mandarinen gebaut werden. Schon 1573 zogen
diese eine Mauer quer über die Landenge und schnitten jeden freien
Verkehr mit dem Inneren ab. Die Mandschu-Kaiser erklärten nach
Unterwerfung des Reiches die Colonisten in Macao ausdrücklich
für Unterthanen der Ta-tsiṅ-Dynastie. Erst in neuester Zeit hat
Portugal einen ähnlichen Vertrag mit der chinesischen Regierung
geschlossen, wie die anderen westlichen Völker.

Die Spanier erlangten für den Verkehr in Macao und Kan-ton
bald ähnliche Zugeständnisse wie die Portugiesen. Der Besitz der
Philippinen bot ihnen wesentliche Vortheile; dennoch blieb ihr
Handel unbedeutend. Man glaubt, dass ein grosser Theil des
Waarenverkehrs sich in Manila concentrirt hätte, wenn dort Speicher
zur zollfreien Wiederausfuhr eingerichtet worden wären. Zuweilen
berührten fremde Schiffe Manila, um Reisladungen einzunehmen und
dadurch die schweren Hafengebühren in Kan-ton zu vermeiden;
aber selbst diesen Handelszweig drückte die spanische Regierung.


6) Portugiesische Gesandte gingen in den Jahren 1667, 1727 und 1753 nach
Pe-kiṅ. Sie scheinen sich den Forderungen des Hof-Ceremoniels unterworfen zu
haben.
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[11/0033] Macao. — Die Spanier. ein Vertrag darüber niemals geschlossen wurde. Die Hoheitsrechte, welche die Regierung von Lissabon wiederholt beanspruchte, sind ihr in der That bis in neuere Zeit hartnäckig verweigert worden 6). Die Portugiesen haben immer behauptet, das Territorium sei ihnen als Ersatz für gewisse Dienste abgetreten worden, welche sie den Chinesen zur Unterdrückung der Seeräuber geleistet hätten. Dem widersprechen aber die Thatsachen. Sie entrichteten jährlich eine bestimmte Summe als Grundzins an den Hof von Pe-kiṅ und erhielten dafür die Erlaubniss, auf der Halbinsel zu wohnen und sich selbst zu regieren, übten diese Rechte aber nur ad nutum des Kaisers, der sie jeden Augenblick vertreiben konnte. Ein chi- nesischer Civil-Gouverneur bewachte, in Macao wohnend, unter dem Statthalter von Kuaṅ-tuṅ die portugiesischen Behörden und regierte die dort ansässigen Chinesen im Namen des Kaisers; chi- nesische Officiere untersuchten jährlich die portugiesischen Festungs- werke, und chinesische Zollbeamte erhoben Abgaben von portu- giesischen Schiffen. Kein neues Haus, keine Kirche durfte ohne Einwilligung der Mandarinen gebaut werden. Schon 1573 zogen diese eine Mauer quer über die Landenge und schnitten jeden freien Verkehr mit dem Inneren ab. Die Mandschu-Kaiser erklärten nach Unterwerfung des Reiches die Colonisten in Macao ausdrücklich für Unterthanen der Ta-tsiṅ-Dynastie. Erst in neuester Zeit hat Portugal einen ähnlichen Vertrag mit der chinesischen Regierung geschlossen, wie die anderen westlichen Völker. Die Spanier erlangten für den Verkehr in Macao und Kan-ton bald ähnliche Zugeständnisse wie die Portugiesen. Der Besitz der Philippinen bot ihnen wesentliche Vortheile; dennoch blieb ihr Handel unbedeutend. Man glaubt, dass ein grosser Theil des Waarenverkehrs sich in Manila concentrirt hätte, wenn dort Speicher zur zollfreien Wiederausfuhr eingerichtet worden wären. Zuweilen berührten fremde Schiffe Manila, um Reisladungen einzunehmen und dadurch die schweren Hafengebühren in Kan-ton zu vermeiden; aber selbst diesen Handelszweig drückte die spanische Regierung. 6) Portugiesische Gesandte gingen in den Jahren 1667, 1727 und 1753 nach Pe-kiṅ. Sie scheinen sich den Forderungen des Hof-Ceremoniels unterworfen zu haben.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/33>, abgerufen am 30.04.2024.