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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Zwerghund. Kurzschwänzige Katze.
Schädel und scharf abgesetzter, naseweis aufgerichteter, kurzer
Schnauze. Dieses -- ich möchte sagen -- embryonale Aussehen,
besonders am präparirten Schädel auffällig, bestätigt die von meinem
Freunde Dr. Hensel öfters hervorgehobene Regel, dass, wenn zwei
nahe verwandte Thiere sich bedeutend in der absoluten Grösse
unterscheiden, wie die verschiedenen Hunderassen, oder Katze und
Tiger u. s. w., die kleinen auch im Alter eine mehr jugendliche
Form des Schädels beibehalten, als die grossen, namentlich in der
runden Wölbung des Hirntheils und seinem verhältnissmässigen
Ueberwiegen über den Schädeltheil. Mit der absoluten Grösse-
zunahme steigt auch die Modification der Form.

Katzen, japanisch neko, sind nicht selten, fast alle gescheckt,
meist schwarz und weiss, zuweilen auch dreifarbig, schwarz, roth-
gelb und weiss, selten nur rothgelb und weiss; nur einmal sah ich
eine gestreifte, und auch diese hatte mehr Gelb in ihrer Farbe, als
unsere gestreiften, den wilden so ähnlichen zahmen Katzen in
Europa. Diese starken Abweichungen in der Färbung vieler japa-
nischer Hausthiere von den uns bekannten nächststehenden wilden
Arten könnte darauf hindeuten, dass sie schon seit sehr langer Zeit
nur als Hausthiere, ohne Einfluss fremden Blutes, bestehen, wenn
es nicht vielleicht nur in einer besonderen Vorliebe und daher Be-
vorzugung für scheckige Individuen beruht. Alle japanischen Katzen
haben einen sehr kurzen und arg verdrehten Schwanz, es sieht oft
aus, als ob er zusammengeknotet wäre; dasselbe gilt von manchen
chinesischen Katzen und in geringerem Grade auch von denen des
indischen Archipels; zuweilen scheint bei einer japanischen Katze
der Schwanz auf den ersten Anblick gar nicht vorhanden, aber
immer, wo ich sie in die Hände bekommen konnte, fühlte ich noch
ein paar Wirbel bogenförmig an einander gereiht. Narben, wie vom
Abschneiden eines Stückes, sah ich nie, und auch die von mir
befragten Japaner wussten nichts davon; die Katzen werden so
geboren. Nichtsdestoweniger erscheint es so unnatürlich, dass man
sich des Gedankens nicht erwehren kann, es sei einst eine künst-
liche Verstümmelung und Verdrehung des Schwanzes durch viele
Generationen hindurch Mode gewesen und dadurch zuletzt erblich
geworden. Dass Verstümmelungen, welche die Eltern während des
Lebens erlitten, auf die Kinder als angeboren übergehen können,
wird zwar principiell geläugnet, aber ist in einzelnen Fällen nach-
gewiesen, also an sich nicht unmöglich. (Zool. Garten IV. 219. V. 54, 344.)

Zwerghund. Kurzschwänzige Katze.
Schädel und scharf abgesetzter, naseweis aufgerichteter, kurzer
Schnauze. Dieses — ich möchte sagen — embryonale Aussehen,
besonders am präparirten Schädel auffällig, bestätigt die von meinem
Freunde Dr. Hensel öfters hervorgehobene Regel, dass, wenn zwei
nahe verwandte Thiere sich bedeutend in der absoluten Grösse
unterscheiden, wie die verschiedenen Hunderassen, oder Katze und
Tiger u. s. w., die kleinen auch im Alter eine mehr jugendliche
Form des Schädels beibehalten, als die grossen, namentlich in der
runden Wölbung des Hirntheils und seinem verhältnissmässigen
Ueberwiegen über den Schädeltheil. Mit der absoluten Grösse-
zunahme steigt auch die Modification der Form.

Katzen, japanisch neko, sind nicht selten, fast alle gescheckt,
meist schwarz und weiss, zuweilen auch dreifarbig, schwarz, roth-
gelb und weiss, selten nur rothgelb und weiss; nur einmal sah ich
eine gestreifte, und auch diese hatte mehr Gelb in ihrer Farbe, als
unsere gestreiften, den wilden so ähnlichen zahmen Katzen in
Europa. Diese starken Abweichungen in der Färbung vieler japa-
nischer Hausthiere von den uns bekannten nächststehenden wilden
Arten könnte darauf hindeuten, dass sie schon seit sehr langer Zeit
nur als Hausthiere, ohne Einfluss fremden Blutes, bestehen, wenn
es nicht vielleicht nur in einer besonderen Vorliebe und daher Be-
vorzugung für scheckige Individuen beruht. Alle japanischen Katzen
haben einen sehr kurzen und arg verdrehten Schwanz, es sieht oft
aus, als ob er zusammengeknotet wäre; dasselbe gilt von manchen
chinesischen Katzen und in geringerem Grade auch von denen des
indischen Archipels; zuweilen scheint bei einer japanischen Katze
der Schwanz auf den ersten Anblick gar nicht vorhanden, aber
immer, wo ich sie in die Hände bekommen konnte, fühlte ich noch
ein paar Wirbel bogenförmig an einander gereiht. Narben, wie vom
Abschneiden eines Stückes, sah ich nie, und auch die von mir
befragten Japaner wussten nichts davon; die Katzen werden so
geboren. Nichtsdestoweniger erscheint es so unnatürlich, dass man
sich des Gedankens nicht erwehren kann, es sei einst eine künst-
liche Verstümmelung und Verdrehung des Schwanzes durch viele
Generationen hindurch Mode gewesen und dadurch zuletzt erblich
geworden. Dass Verstümmelungen, welche die Eltern während des
Lebens erlitten, auf die Kinder als angeboren übergehen können,
wird zwar principiell geläugnet, aber ist in einzelnen Fällen nach-
gewiesen, also an sich nicht unmöglich. (Zool. Garten IV. 219. V. 54, 344.)

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[86/0104] Zwerghund. Kurzschwänzige Katze. Schädel und scharf abgesetzter, naseweis aufgerichteter, kurzer Schnauze. Dieses — ich möchte sagen — embryonale Aussehen, besonders am präparirten Schädel auffällig, bestätigt die von meinem Freunde Dr. Hensel öfters hervorgehobene Regel, dass, wenn zwei nahe verwandte Thiere sich bedeutend in der absoluten Grösse unterscheiden, wie die verschiedenen Hunderassen, oder Katze und Tiger u. s. w., die kleinen auch im Alter eine mehr jugendliche Form des Schädels beibehalten, als die grossen, namentlich in der runden Wölbung des Hirntheils und seinem verhältnissmässigen Ueberwiegen über den Schädeltheil. Mit der absoluten Grösse- zunahme steigt auch die Modification der Form. Katzen, japanisch neko, sind nicht selten, fast alle gescheckt, meist schwarz und weiss, zuweilen auch dreifarbig, schwarz, roth- gelb und weiss, selten nur rothgelb und weiss; nur einmal sah ich eine gestreifte, und auch diese hatte mehr Gelb in ihrer Farbe, als unsere gestreiften, den wilden so ähnlichen zahmen Katzen in Europa. Diese starken Abweichungen in der Färbung vieler japa- nischer Hausthiere von den uns bekannten nächststehenden wilden Arten könnte darauf hindeuten, dass sie schon seit sehr langer Zeit nur als Hausthiere, ohne Einfluss fremden Blutes, bestehen, wenn es nicht vielleicht nur in einer besonderen Vorliebe und daher Be- vorzugung für scheckige Individuen beruht. Alle japanischen Katzen haben einen sehr kurzen und arg verdrehten Schwanz, es sieht oft aus, als ob er zusammengeknotet wäre; dasselbe gilt von manchen chinesischen Katzen und in geringerem Grade auch von denen des indischen Archipels; zuweilen scheint bei einer japanischen Katze der Schwanz auf den ersten Anblick gar nicht vorhanden, aber immer, wo ich sie in die Hände bekommen konnte, fühlte ich noch ein paar Wirbel bogenförmig an einander gereiht. Narben, wie vom Abschneiden eines Stückes, sah ich nie, und auch die von mir befragten Japaner wussten nichts davon; die Katzen werden so geboren. Nichtsdestoweniger erscheint es so unnatürlich, dass man sich des Gedankens nicht erwehren kann, es sei einst eine künst- liche Verstümmelung und Verdrehung des Schwanzes durch viele Generationen hindurch Mode gewesen und dadurch zuletzt erblich geworden. Dass Verstümmelungen, welche die Eltern während des Lebens erlitten, auf die Kinder als angeboren übergehen können, wird zwar principiell geläugnet, aber ist in einzelnen Fällen nach- gewiesen, also an sich nicht unmöglich. (Zool. Garten IV. 219. V. 54, 344.)

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/104>, abgerufen am 29.04.2024.