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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Echinodermen. Essbare Conchylien.
Florideen, diese an ausgeworfenen Conchylien, namentlich dem
genannten Trochus, aufsitzend. Unter diesen Auswürflingen treiben
sich lebende Amphipoden herum; Strandkrabben vermisste ich.
Chthamalus sind nicht selten am anstehenden Gestein; weiter gegen
die Mississippibai zu, wo weichere, von den Wellen vielfach an-
genagte Felsen auftreten, werden die grobgekielten Litorinen wieder
häufig, und finden sich in den Vertiefungen kleine grasgrüne Actinien
bei Ebbe über Wasser.

Auch auf dem Steindamm des Landungsplatzes zu Yokohama
begegnen sich Forficulen und Ligien, die letzteren sind den Ein-
wohnern wohlbekannt und erscheinen in der Encyclopädie als fune-
musi, Schiffsinsekt.

An der Mississippibai kommen einzelne sandige Strecken des
Grundes mit Zostera bewachsen vor, und am Strande fand ich
mehrere interessante Echinodermen, so die flache dunkelviolette
Scutella Japonica m. (Chaetodiscus scutella Lütken), von den Japa-
nern Kuchenmuschel, motsingai, genannt, einen neuen Seeigel, uni,
Temnopleurus Japonicus m., und stachlige Seesterne, Astropecten
scoparius Val.; einen der letzteren brachte mir das Schleppnetz in
der Nähe von Yokohama aus sieben Faden Tiefe herauf, die einzige
erfreuliche Ausbeute mehrerer Züge, da sonst der Inhalt nur aus
zähem, hellgrauem Thonschlamm und Fragmenten von Muscheln
(Tapes, Tellina etc.) bestand.

Nichtsdestoweniger muss die Bai reich an Conchylien sein,
denn diese bilden einen bedeutenden Bestandtheil der Volksnahrung:
Haufen leerer Muschelschalen traf ich hier, wie auf Madeira, häufig
neben den Bauernhütten an, und die Märkte in Yeddo und Yoko-
hama verschafften mir eine nicht ganz kleine Reihe interessanter
Conchylienarten in zahlreichen und frischen Exemplaren. Die
ansehnlichste darunter ist das Riesen-Seeohr, Haliotis gigantea
Chemnitz, japanisch awabi, innen schön perlmutterglänzend, aber
aussen neben der natürlichen glanzlosen Rindenschicht regelmässig
noch mit einem wahren Dickicht kurzer Corallinen (filicula) und
anderer kleiner Algen bewachsen. Die zahlreichste unter den
Marktmuscheln dagegen war Tapes semidecussata Desh., asari,
kaum zu unterscheiden von der in den italienischen Seestädten
eben so häufigen T. decussata L. sp., in vielerlei Farbenänderungen;
eine andere Art von Venusmuscheln, die grössere glänzende Cytherea
petechialis Lam., hamangori (famaguri bei Kämpfer), ist auf dem

Echinodermen. Essbare Conchylien.
Florideen, diese an ausgeworfenen Conchylien, namentlich dem
genannten Trochus, aufsitzend. Unter diesen Auswürflingen treiben
sich lebende Amphipoden herum; Strandkrabben vermisste ich.
Chthamalus sind nicht selten am anstehenden Gestein; weiter gegen
die Mississippibai zu, wo weichere, von den Wellen vielfach an-
genagte Felsen auftreten, werden die grobgekielten Litorinen wieder
häufig, und finden sich in den Vertiefungen kleine grasgrüne Actinien
bei Ebbe über Wasser.

Auch auf dem Steindamm des Landungsplatzes zu Yokohama
begegnen sich Forficulen und Ligien, die letzteren sind den Ein-
wohnern wohlbekannt und erscheinen in der Encyclopädie als fune-
musi, Schiffsinsekt.

An der Mississippibai kommen einzelne sandige Strecken des
Grundes mit Zostera bewachsen vor, und am Strande fand ich
mehrere interessante Echinodermen, so die flache dunkelviolette
Scutella Japonica m. (Chaetodiscus scutella Lütken), von den Japa-
nern Kuchenmuschel, motsingai, genannt, einen neuen Seeigel, uni,
Temnopleurus Japonicus m., und stachlige Seesterne, Astropecten
scoparius Val.; einen der letzteren brachte mir das Schleppnetz in
der Nähe von Yokohama aus sieben Faden Tiefe herauf, die einzige
erfreuliche Ausbeute mehrerer Züge, da sonst der Inhalt nur aus
zähem, hellgrauem Thonschlamm und Fragmenten von Muscheln
(Tapes, Tellina etc.) bestand.

Nichtsdestoweniger muss die Bai reich an Conchylien sein,
denn diese bilden einen bedeutenden Bestandtheil der Volksnahrung:
Haufen leerer Muschelschalen traf ich hier, wie auf Madeira, häufig
neben den Bauernhütten an, und die Märkte in Yeddo und Yoko-
hama verschafften mir eine nicht ganz kleine Reihe interessanter
Conchylienarten in zahlreichen und frischen Exemplaren. Die
ansehnlichste darunter ist das Riesen-Seeohr, Haliotis gigantea
Chemnitz, japanisch awabi, innen schön perlmutterglänzend, aber
aussen neben der natürlichen glanzlosen Rindenschicht regelmässig
noch mit einem wahren Dickicht kurzer Corallinen (filicula) und
anderer kleiner Algen bewachsen. Die zahlreichste unter den
Marktmuscheln dagegen war Tapes semidecussata Desh., ásari,
kaum zu unterscheiden von der in den italienischen Seestädten
eben so häufigen T. decussata L. sp., in vielerlei Farbenänderungen;
eine andere Art von Venusmuscheln, die grössere glänzende Cytherea
petechialis Lam., hamángori (famaguri bei Kämpfer), ist auf dem

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[139/0157] Echinodermen. Essbare Conchylien. Florideen, diese an ausgeworfenen Conchylien, namentlich dem genannten Trochus, aufsitzend. Unter diesen Auswürflingen treiben sich lebende Amphipoden herum; Strandkrabben vermisste ich. Chthamalus sind nicht selten am anstehenden Gestein; weiter gegen die Mississippibai zu, wo weichere, von den Wellen vielfach an- genagte Felsen auftreten, werden die grobgekielten Litorinen wieder häufig, und finden sich in den Vertiefungen kleine grasgrüne Actinien bei Ebbe über Wasser. Auch auf dem Steindamm des Landungsplatzes zu Yokohama begegnen sich Forficulen und Ligien, die letzteren sind den Ein- wohnern wohlbekannt und erscheinen in der Encyclopädie als fune- musi, Schiffsinsekt. An der Mississippibai kommen einzelne sandige Strecken des Grundes mit Zostera bewachsen vor, und am Strande fand ich mehrere interessante Echinodermen, so die flache dunkelviolette Scutella Japonica m. (Chaetodiscus scutella Lütken), von den Japa- nern Kuchenmuschel, motsingai, genannt, einen neuen Seeigel, uni, Temnopleurus Japonicus m., und stachlige Seesterne, Astropecten scoparius Val.; einen der letzteren brachte mir das Schleppnetz in der Nähe von Yokohama aus sieben Faden Tiefe herauf, die einzige erfreuliche Ausbeute mehrerer Züge, da sonst der Inhalt nur aus zähem, hellgrauem Thonschlamm und Fragmenten von Muscheln (Tapes, Tellina etc.) bestand. Nichtsdestoweniger muss die Bai reich an Conchylien sein, denn diese bilden einen bedeutenden Bestandtheil der Volksnahrung: Haufen leerer Muschelschalen traf ich hier, wie auf Madeira, häufig neben den Bauernhütten an, und die Märkte in Yeddo und Yoko- hama verschafften mir eine nicht ganz kleine Reihe interessanter Conchylienarten in zahlreichen und frischen Exemplaren. Die ansehnlichste darunter ist das Riesen-Seeohr, Haliotis gigantea Chemnitz, japanisch awabi, innen schön perlmutterglänzend, aber aussen neben der natürlichen glanzlosen Rindenschicht regelmässig noch mit einem wahren Dickicht kurzer Corallinen (filicula) und anderer kleiner Algen bewachsen. Die zahlreichste unter den Marktmuscheln dagegen war Tapes semidecussata Desh., ásari, kaum zu unterscheiden von der in den italienischen Seestädten eben so häufigen T. decussata L. sp., in vielerlei Farbenänderungen; eine andere Art von Venusmuscheln, die grössere glänzende Cytherea petechialis Lam., hamángori (famaguri bei Kämpfer), ist auf dem

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/157>, abgerufen am 30.04.2024.