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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Gecko und andere Eidechsen in Siam.
Stimme,4) worin sie und ihre nächsten Verwandten allerdings allein
unter den beschuppten Reptilien dastehen; sie wiederholt die zwei
kurzen Silben to-ke in kurzen Intervallen mehrmals hintereinander,
laut genug, um in einem benachbarten Zimmer während eines ge-
wöhnlichen Gespräches die Aufmerksamkeit zu erregen, daher auch
ihr gleichlautender siamesischer Name, den die europäischen Autoren
je nach ihrer Weise als toquet, tockaie u. s. w. schrieben. Sie ist
nicht selten in den belebtesten europäischen Häusern, und da sie
sich durch Aufzehrung des Ungeziefers, selbst der Mäuse, wie man
sagt, nützlich macht, von allen verständigen Einwohnern geduldet,
macht daher auch am hellen Tage in Anwesenheit der Menschen
ihre Jagdexkursionen an den Wänden und an der Decke der Zimmer,
wozu sie bekanntlich einen eigenen auf Luftverdünnung beruhenden
Haftapparat an den Zehen besitzt, meist allerdings in einer Höhe,
welche sie vor dem Eingreifen des Menschen sichert; doch kommt sie
auch tief genug herab, um ergriffen werden zu können. Als ich eine
derselben erhaschte, biss sie meinen Finger blutig. Auch schnappt
sie gelegentlich kleinere Eidechsen ihrer eigenen Gattung weg, immer
auf allgemeine Reptilienart langsam und stille, mit längeren Zwischen-
pausen herankriechend, bis sie mit einer oder wenigen blitzschnellen
Bewegungen ihre Beute erfassen kann.

Auf den Bäumen in der Nähe der Häuser sieht man nicht
selten eine grüne Eidechse, Calotes versicolor Daud., kingka der
Siamesen; gewöhnlich grün, wie das Laub der Bäume, worauf sie
sich aufhält, ändert sie bei Aufregung etwas ihre Farbe, wird
namentlich am Halse mehr roth, daher halten die Europäer sie
öfters für ein Chamaeleon, und Bischof Pallegoix gibt unter diesem
Namen eine etwas lebhafte Beschreibung ihres Farbenwechsels.
Von andern Eidechsen finden sich in den von mir besuchten Strecken
mehrere Scincoiden, wie der weit verbreitete Euprepes carinatus Schn.
sp., tshing-tshek oder tshin-loig, und das kleinere blindschleichen-
ähnliche Lygosoma serpens L. sp., aber auch eine unserer europäi-
schen näher stehende Gattung mit langer gespaltener Zunge, Tachy-
dromus sexlineatus Daud.

Unter den Landschlangen ist die grösste der giftlose Python
reticulatus Schneid., nu luom, von den Europäern meist kurzweg
Boa constrictor und Riesenschlange genannt. Ein mehr als 15 Fuss
langes Exemplar wurde mir in Bangkok lebend gebracht. Fallegoix
erzählt den Fall, dass eine solche Schlange ein schlafendes Kind

Gecko und andere Eidechsen in Siam.
Stimme,4) worin sie und ihre nächsten Verwandten allerdings allein
unter den beschuppten Reptilien dastehen; sie wiederholt die zwei
kurzen Silben to-ke in kurzen Intervallen mehrmals hintereinander,
laut genug, um in einem benachbarten Zimmer während eines ge-
wöhnlichen Gespräches die Aufmerksamkeit zu erregen, daher auch
ihr gleichlautender siamesischer Name, den die europäischen Autoren
je nach ihrer Weise als toquet, tockaie u. s. w. schrieben. Sie ist
nicht selten in den belebtesten europäischen Häusern, und da sie
sich durch Aufzehrung des Ungeziefers, selbst der Mäuse, wie man
sagt, nützlich macht, von allen verständigen Einwohnern geduldet,
macht daher auch am hellen Tage in Anwesenheit der Menschen
ihre Jagdexkursionen an den Wänden und an der Decke der Zimmer,
wozu sie bekanntlich einen eigenen auf Luftverdünnung beruhenden
Haftapparat an den Zehen besitzt, meist allerdings in einer Höhe,
welche sie vor dem Eingreifen des Menschen sichert; doch kommt sie
auch tief genug herab, um ergriffen werden zu können. Als ich eine
derselben erhaschte, biss sie meinen Finger blutig. Auch schnappt
sie gelegentlich kleinere Eidechsen ihrer eigenen Gattung weg, immer
auf allgemeine Reptilienart langsam und stille, mit längeren Zwischen-
pausen herankriechend, bis sie mit einer oder wenigen blitzschnellen
Bewegungen ihre Beute erfassen kann.

Auf den Bäumen in der Nähe der Häuser sieht man nicht
selten eine grüne Eidechse, Calotes versicolor Daud., kingka der
Siamesen; gewöhnlich grün, wie das Laub der Bäume, worauf sie
sich aufhält, ändert sie bei Aufregung etwas ihre Farbe, wird
namentlich am Halse mehr roth, daher halten die Europäer sie
öfters für ein Chamaeleon, und Bischof Pallegoix gibt unter diesem
Namen eine etwas lebhafte Beschreibung ihres Farbenwechsels.
Von andern Eidechsen finden sich in den von mir besuchten Strecken
mehrere Scincoiden, wie der weit verbreitete Euprepes carinatus Schn.
sp., tshing-tshek oder tshin-loig, und das kleinere blindschleichen-
ähnliche Lygosoma serpens L. sp., aber auch eine unserer europäi-
schen näher stehende Gattung mit langer gespaltener Zunge, Tachy-
dromus sexlineatus Daud.

Unter den Landschlangen ist die grösste der giftlose Python
reticulatus Schneid., nu luom, von den Europäern meist kurzweg
Boa constrictor und Riesenschlange genannt. Ein mehr als 15 Fuss
langes Exemplar wurde mir in Bangkok lebend gebracht. Fallegoix
erzählt den Fall, dass eine solche Schlange ein schlafendes Kind

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[213/0231] Gecko und andere Eidechsen in Siam. Stimme,4) worin sie und ihre nächsten Verwandten allerdings allein unter den beschuppten Reptilien dastehen; sie wiederholt die zwei kurzen Silben to-ke in kurzen Intervallen mehrmals hintereinander, laut genug, um in einem benachbarten Zimmer während eines ge- wöhnlichen Gespräches die Aufmerksamkeit zu erregen, daher auch ihr gleichlautender siamesischer Name, den die europäischen Autoren je nach ihrer Weise als toquet, tockaie u. s. w. schrieben. Sie ist nicht selten in den belebtesten europäischen Häusern, und da sie sich durch Aufzehrung des Ungeziefers, selbst der Mäuse, wie man sagt, nützlich macht, von allen verständigen Einwohnern geduldet, macht daher auch am hellen Tage in Anwesenheit der Menschen ihre Jagdexkursionen an den Wänden und an der Decke der Zimmer, wozu sie bekanntlich einen eigenen auf Luftverdünnung beruhenden Haftapparat an den Zehen besitzt, meist allerdings in einer Höhe, welche sie vor dem Eingreifen des Menschen sichert; doch kommt sie auch tief genug herab, um ergriffen werden zu können. Als ich eine derselben erhaschte, biss sie meinen Finger blutig. Auch schnappt sie gelegentlich kleinere Eidechsen ihrer eigenen Gattung weg, immer auf allgemeine Reptilienart langsam und stille, mit längeren Zwischen- pausen herankriechend, bis sie mit einer oder wenigen blitzschnellen Bewegungen ihre Beute erfassen kann. Auf den Bäumen in der Nähe der Häuser sieht man nicht selten eine grüne Eidechse, Calotes versicolor Daud., kingka der Siamesen; gewöhnlich grün, wie das Laub der Bäume, worauf sie sich aufhält, ändert sie bei Aufregung etwas ihre Farbe, wird namentlich am Halse mehr roth, daher halten die Europäer sie öfters für ein Chamaeleon, und Bischof Pallegoix gibt unter diesem Namen eine etwas lebhafte Beschreibung ihres Farbenwechsels. Von andern Eidechsen finden sich in den von mir besuchten Strecken mehrere Scincoiden, wie der weit verbreitete Euprepes carinatus Schn. sp., tshing-tshek oder tshin-loig, und das kleinere blindschleichen- ähnliche Lygosoma serpens L. sp., aber auch eine unserer europäi- schen näher stehende Gattung mit langer gespaltener Zunge, Tachy- dromus sexlineatus Daud. Unter den Landschlangen ist die grösste der giftlose Python reticulatus Schneid., nu luom, von den Europäern meist kurzweg Boa constrictor und Riesenschlange genannt. Ein mehr als 15 Fuss langes Exemplar wurde mir in Bangkok lebend gebracht. Fallegoix erzählt den Fall, dass eine solche Schlange ein schlafendes Kind

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/231>, abgerufen am 28.04.2024.