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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Hoch-Gewitter .
3 Uhr zu ihren Füßen mit einem wahren Feuergarbenmeer entlud,
während ob ihren Häupten das Sternenzelt rein und hehr am nächt¬
lichen Himmel in stiller Größe prangte. -- Daß die Blitze nicht
selten von Unten nach Oben aufzacken und einschlagen, bestätigen
alle Bergbewohner. Diesen Elektro-Meteoren schreibt man auch
die eigenthümliche Verglasung mancher Felsen zu, welche man am
Dome de Goute, an der Spitze des Kaerpfstockes (Glarus), am
Ortler (Tyrol), Venediger Spitz (Salzburg), Ankogl (Kärnthen)
u. s. w. trifft. Man hat solche Blitz-Glasuren auch an der Pic
du Midi und am Mont Perdu (Pyrenäen) gefunden. Daß aber
emporschlagende Blitze auch Menschen tödten können, beweist ein
Fall aus Steyermark. Auf dem Gipfel eines sehr hohen Berges
steht die Kirche St. Ursula. Am 1. Mai 1700 lag dieses Gottes¬
haus im vollsten Sonnenglanze, während an halber Berghöhe ein
dickes Gewitter tobte. Von den in der Kirche versammelten Betern
wurden sieben an der Seite des Berichterstatters, Dr. Werloschnigg,
erschlagen.

Gerade da, wo die Gefahr vermeintlich am Größten sein sollte,
in der Gewitterwolke selbst, scheint sie am Mindesten, oder doch
nicht mehr als anderswo zu sein. Physiker, Ingenieure und Rei¬
sende, welche von Gewitterwolken unversehens eingehüllt wurden,
bevor sie Zeit hatten, dem scheinbar-entsetzlichen, blitzbewaffneten
Mysterium zu entfliehen, sind stets ohne Beschädigung daraus her¬
vorgegangen. So die französischen Kapitäne Peytier und Hossard,
welche dreizehnmal in den Jahren 1816 und 1825 bis 1827 auf
den Gebirgen Troumouse, Pic d'Anie, Pic Lestibete und Pic de
Baletouse, in Höhen von 5 --10000 Fuß stundenlang in
furchtbaren Gewittern, unmittelbar am Heerde derselben verweilten,
wurden nie im Mindesten verletzt, während man drunten im Thale
sie für verloren hielt. Sie berichten nur, daß ihre Haare und die
Quasten ihrer Kopfbedeckung sich emporrichteten. Abbe Richard,
welcher zum Zweck des Studiums sich absichtlich in die Mitte

Berlepsch, die Alpen. 10

Hoch-Gewitter .
3 Uhr zu ihren Füßen mit einem wahren Feuergarbenmeer entlud,
während ob ihren Häupten das Sternenzelt rein und hehr am nächt¬
lichen Himmel in ſtiller Größe prangte. — Daß die Blitze nicht
ſelten von Unten nach Oben aufzacken und einſchlagen, beſtätigen
alle Bergbewohner. Dieſen Elektro-Meteoren ſchreibt man auch
die eigenthümliche Verglaſung mancher Felſen zu, welche man am
Dôme de Gouté, an der Spitze des Kaerpfſtockes (Glarus), am
Ortler (Tyrol), Venediger Spitz (Salzburg), Ankogl (Kärnthen)
u. ſ. w. trifft. Man hat ſolche Blitz-Glaſuren auch an der Pic
du Midi und am Mont Perdu (Pyrenäen) gefunden. Daß aber
emporſchlagende Blitze auch Menſchen tödten können, beweiſt ein
Fall aus Steyermark. Auf dem Gipfel eines ſehr hohen Berges
ſteht die Kirche St. Urſula. Am 1. Mai 1700 lag dieſes Gottes¬
haus im vollſten Sonnenglanze, während an halber Berghöhe ein
dickes Gewitter tobte. Von den in der Kirche verſammelten Betern
wurden ſieben an der Seite des Berichterſtatters, Dr. Werloſchnigg,
erſchlagen.

Gerade da, wo die Gefahr vermeintlich am Größten ſein ſollte,
in der Gewitterwolke ſelbſt, ſcheint ſie am Mindeſten, oder doch
nicht mehr als anderswo zu ſein. Phyſiker, Ingenieure und Rei¬
ſende, welche von Gewitterwolken unverſehens eingehüllt wurden,
bevor ſie Zeit hatten, dem ſcheinbar-entſetzlichen, blitzbewaffneten
Myſterium zu entfliehen, ſind ſtets ohne Beſchädigung daraus her¬
vorgegangen. So die franzöſiſchen Kapitäne Peytier und Hoſſard,
welche dreizehnmal in den Jahren 1816 und 1825 bis 1827 auf
den Gebirgen Troumouſe, Pic d'Anie, Pic Leſtibète und Pic de
Baletouſe, in Höhen von 5 —10000 Fuß ſtundenlang in
furchtbaren Gewittern, unmittelbar am Heerde derſelben verweilten,
wurden nie im Mindeſten verletzt, während man drunten im Thale
ſie für verloren hielt. Sie berichten nur, daß ihre Haare und die
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welcher zum Zweck des Studiums ſich abſichtlich in die Mitte

Berlepſch, die Alpen. 10
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[145/0173] Hoch-Gewitter . 3 Uhr zu ihren Füßen mit einem wahren Feuergarbenmeer entlud, während ob ihren Häupten das Sternenzelt rein und hehr am nächt¬ lichen Himmel in ſtiller Größe prangte. — Daß die Blitze nicht ſelten von Unten nach Oben aufzacken und einſchlagen, beſtätigen alle Bergbewohner. Dieſen Elektro-Meteoren ſchreibt man auch die eigenthümliche Verglaſung mancher Felſen zu, welche man am Dôme de Gouté, an der Spitze des Kaerpfſtockes (Glarus), am Ortler (Tyrol), Venediger Spitz (Salzburg), Ankogl (Kärnthen) u. ſ. w. trifft. Man hat ſolche Blitz-Glaſuren auch an der Pic du Midi und am Mont Perdu (Pyrenäen) gefunden. Daß aber emporſchlagende Blitze auch Menſchen tödten können, beweiſt ein Fall aus Steyermark. Auf dem Gipfel eines ſehr hohen Berges ſteht die Kirche St. Urſula. Am 1. Mai 1700 lag dieſes Gottes¬ haus im vollſten Sonnenglanze, während an halber Berghöhe ein dickes Gewitter tobte. Von den in der Kirche verſammelten Betern wurden ſieben an der Seite des Berichterſtatters, Dr. Werloſchnigg, erſchlagen. Gerade da, wo die Gefahr vermeintlich am Größten ſein ſollte, in der Gewitterwolke ſelbſt, ſcheint ſie am Mindeſten, oder doch nicht mehr als anderswo zu ſein. Phyſiker, Ingenieure und Rei¬ ſende, welche von Gewitterwolken unverſehens eingehüllt wurden, bevor ſie Zeit hatten, dem ſcheinbar-entſetzlichen, blitzbewaffneten Myſterium zu entfliehen, ſind ſtets ohne Beſchädigung daraus her¬ vorgegangen. So die franzöſiſchen Kapitäne Peytier und Hoſſard, welche dreizehnmal in den Jahren 1816 und 1825 bis 1827 auf den Gebirgen Troumouſe, Pic d'Anie, Pic Leſtibète und Pic de Baletouſe, in Höhen von 5 —10000 Fuß ſtundenlang in furchtbaren Gewittern, unmittelbar am Heerde derſelben verweilten, wurden nie im Mindeſten verletzt, während man drunten im Thale ſie für verloren hielt. Sie berichten nur, daß ihre Haare und die Quaſten ihrer Kopfbedeckung ſich emporrichteten. Abbé Richard, welcher zum Zweck des Studiums ſich abſichtlich in die Mitte Berlepſch, die Alpen. 10

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/173>, abgerufen am 28.04.2024.