Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Johannis kräfftig gerühret,
alleine befand, mit sich essen ließ, und mit mir,
die Zeit zu vertreiben, allerhand discourirte.
Jm Schenck-Tage aber satzte ich mich des
Abends an einen Tisch, wo keine Gäste waren,
laß in Büchern, besorgte meine Schul-Sa-
chen nach aller Bequemlichkeit, ohne daß mich
iemand hindern konte. Einst kam ich bey
meinem ordentlichen Bibel-Lesen auf das 17.
Capitel des Evangelisten Johannis. Jch kan
nicht sagen, was dieses Capitel vor gute Bewe-
gungen in mir verursachet. Jch konte des
Weinens kein Ende machen, weiß aber nicht
mehr so genau, was ich vor Reflexions darüber
müsse angestellet, und gehabt haben, die mir so
viel Thränen heraus preßten. Dieses weiß
ich, daß ich Krafft dessen, was mir begegnet
war, mir vornahm, mit allem Ernst hinführo
alle Sünden zu meiden, und der Gottseligkeit
mit allem Ernst mich zu befleißigen. Jch
hatte auch dadurch so viel Krafft bekommen, daß
ich drey Wochen völlig so lebte, wie ich immer
gewünscht hatte, daß ich leben möchte. Man
könte schier eine gantze Disputation schreiben
von dem, was sich mit dem 17. Capitel des
Evangelisten Johannis zugetragen. Denn
diejenigen, welche Historien über die Bibel,
und über allerhand wichtige Oerter derselben
aufgezeichnet, unter welche des Herrn Schmidts

Schriff-
F 4

Johannis kraͤfftig geruͤhret,
alleine befand, mit ſich eſſen ließ, und mit mir,
die Zeit zu vertreiben, allerhand diſcourirte.
Jm Schenck-Tage aber ſatzte ich mich des
Abends an einen Tiſch, wo keine Gaͤſte waren,
laß in Buͤchern, beſorgte meine Schul-Sa-
chen nach aller Bequemlichkeit, ohne daß mich
iemand hindern konte. Einſt kam ich bey
meinem ordentlichen Bibel-Leſen auf das 17.
Capitel des Evangeliſten Johannis. Jch kan
nicht ſagen, was dieſes Capitel vor gute Bewe-
gungen in mir verurſachet. Jch konte des
Weinens kein Ende machen, weiß aber nicht
mehr ſo genau, was ich vor Reflexions daruͤber
muͤſſe angeſtellet, und gehabt haben, die mir ſo
viel Thraͤnen heraus preßten. Dieſes weiß
ich, daß ich Krafft deſſen, was mir begegnet
war, mir vornahm, mit allem Ernſt hinfuͤhro
alle Suͤnden zu meiden, und der Gottſeligkeit
mit allem Ernſt mich zu befleißigen. Jch
hatte auch dadurch ſo viel Krafft bekommen, daß
ich drey Wochen voͤllig ſo lebte, wie ich immer
gewuͤnſcht hatte, daß ich leben moͤchte. Man
koͤnte ſchier eine gantze Diſputation ſchreiben
von dem, was ſich mit dem 17. Capitel des
Evangeliſten Johannis zugetragen. Denn
diejenigen, welche Hiſtorien uͤber die Bibel,
und uͤber allerhand wichtige Oerter derſelben
aufgezeichnet, unter welche des Herrn Schmidts

Schriff-
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Johannis</hi> kra&#x0364;fftig geru&#x0364;hret,</hi></fw><lb/>
alleine befand, mit &#x017F;ich e&#x017F;&#x017F;en ließ, und mit mir,<lb/>
die Zeit zu vertreiben, allerhand <hi rendition="#aq">di&#x017F;couri</hi>rte.<lb/>
Jm Schenck-Tage aber &#x017F;atzte ich mich des<lb/>
Abends an einen Ti&#x017F;ch, wo keine Ga&#x0364;&#x017F;te waren,<lb/>
laß in Bu&#x0364;chern, be&#x017F;orgte meine Schul-Sa-<lb/>
chen nach aller Bequemlichkeit, ohne daß mich<lb/>
iemand hindern konte. Ein&#x017F;t kam ich bey<lb/>
meinem ordentlichen Bibel-Le&#x017F;en auf das 17.<lb/>
Capitel des Evangeli&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Johannis.</hi> Jch kan<lb/>
nicht &#x017F;agen, was die&#x017F;es Capitel vor gute Bewe-<lb/>
gungen in mir verur&#x017F;achet. Jch konte des<lb/>
Weinens kein Ende machen, weiß aber nicht<lb/>
mehr &#x017F;o genau, was ich vor <hi rendition="#aq">Reflexions</hi> daru&#x0364;ber<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ange&#x017F;tellet, und gehabt haben, die mir &#x017F;o<lb/>
viel Thra&#x0364;nen heraus preßten. Die&#x017F;es weiß<lb/>
ich, daß ich Krafft de&#x017F;&#x017F;en, was mir begegnet<lb/>
war, mir vornahm, mit allem Ern&#x017F;t hinfu&#x0364;hro<lb/>
alle Su&#x0364;nden zu meiden, und der Gott&#x017F;eligkeit<lb/>
mit allem Ern&#x017F;t mich zu befleißigen. Jch<lb/>
hatte auch dadurch &#x017F;o viel Krafft bekommen, daß<lb/>
ich drey Wochen vo&#x0364;llig &#x017F;o lebte, wie ich immer<lb/>
gewu&#x0364;n&#x017F;cht hatte, daß ich leben mo&#x0364;chte. Man<lb/>
ko&#x0364;nte &#x017F;chier eine gantze <hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi> &#x017F;chreiben<lb/>
von dem, was &#x017F;ich mit dem 17. Capitel des<lb/>
Evangeli&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Johannis</hi> zugetragen. Denn<lb/>
diejenigen, welche Hi&#x017F;torien u&#x0364;ber die Bibel,<lb/>
und u&#x0364;ber allerhand wichtige Oerter der&#x017F;elben<lb/>
aufgezeichnet, unter welche des Herrn Schmidts<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Schriff-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0133] Johannis kraͤfftig geruͤhret, alleine befand, mit ſich eſſen ließ, und mit mir, die Zeit zu vertreiben, allerhand diſcourirte. Jm Schenck-Tage aber ſatzte ich mich des Abends an einen Tiſch, wo keine Gaͤſte waren, laß in Buͤchern, beſorgte meine Schul-Sa- chen nach aller Bequemlichkeit, ohne daß mich iemand hindern konte. Einſt kam ich bey meinem ordentlichen Bibel-Leſen auf das 17. Capitel des Evangeliſten Johannis. Jch kan nicht ſagen, was dieſes Capitel vor gute Bewe- gungen in mir verurſachet. Jch konte des Weinens kein Ende machen, weiß aber nicht mehr ſo genau, was ich vor Reflexions daruͤber muͤſſe angeſtellet, und gehabt haben, die mir ſo viel Thraͤnen heraus preßten. Dieſes weiß ich, daß ich Krafft deſſen, was mir begegnet war, mir vornahm, mit allem Ernſt hinfuͤhro alle Suͤnden zu meiden, und der Gottſeligkeit mit allem Ernſt mich zu befleißigen. Jch hatte auch dadurch ſo viel Krafft bekommen, daß ich drey Wochen voͤllig ſo lebte, wie ich immer gewuͤnſcht hatte, daß ich leben moͤchte. Man koͤnte ſchier eine gantze Diſputation ſchreiben von dem, was ſich mit dem 17. Capitel des Evangeliſten Johannis zugetragen. Denn diejenigen, welche Hiſtorien uͤber die Bibel, und uͤber allerhand wichtige Oerter derſelben aufgezeichnet, unter welche des Herrn Schmidts Schriff- F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/133
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/133>, abgerufen am 29.04.2024.