Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
in Halle:

Schier ein gleiches begegnete mir auch noch
in diesem 1704. Jahre wenige Zeit hernach.
Denn ohngefehr 14. Tage vor Michael resolvir-
ten unser dreyzehen, unter welchen einige von
meinen guten Freunden und Auditoribus waren,
zur Lust nach Halle zu Fusse zu gehen. Die
Reise nach Crossen hatte mein Haupt ziemlich
heiter, und starck gemacht, so meynte ich also
auch diesesmahl durch Veränderung der Lufft
etwas zur Vermehrung meiner Gesundheit bey-
zutragen. Es geschahe auch. Nun traff
sichs, daß ich und Herr M. Hartmann, der
ietzt ein Prediger nicht weit von Breslau ist, in
einem Bette zu schlafen kamen, und weil es uns
zum Kopffe zu niedrig gebettet war, wir uns ge-
schwinde resolvirten, die Bein-Kleider zum
Haupte unter das Küssen zu legen. Hier wäre
nun bald ein neuer Kampff, und Angst bey mir
angegangen, weil ich nicht, wie ich sonst gewoh-
net war, aus den Bein-Kleidern erst heraus ge-
nommen, was eine fürchterliche Idee in meinem
Gemüthe zu erwecken fähig war. Doch ich
überwand diesen Streit gar bald durch Ver-
trauen auf GOTT; ich geschweige, daß der
Leib durch die Reise von 5. Meilen, die wir in
einem Tage zu Fusse gethan hatten, so müde
worden war, daß ich gar leicht einschlafen
kunte.

§. 61.
in Halle:

Schier ein gleiches begegnete mir auch noch
in dieſem 1704. Jahre wenige Zeit hernach.
Denn ohngefehr 14. Tage vor Michael reſolvir-
ten unſer dreyzehen, unter welchen einige von
meinen guten Freunden und Auditoribus waren,
zur Luſt nach Halle zu Fuſſe zu gehen. Die
Reiſe nach Croſſen hatte mein Haupt ziemlich
heiter, und ſtarck gemacht, ſo meynte ich alſo
auch dieſesmahl durch Veraͤnderung der Lufft
etwas zur Vermehrung meiner Geſundheit bey-
zutragen. Es geſchahe auch. Nun traff
ſichs, daß ich und Herr M. Hartmann, der
ietzt ein Prediger nicht weit von Breslau iſt, in
einem Bette zu ſchlafen kamen, und weil es uns
zum Kopffe zu niedrig gebettet war, wir uns ge-
ſchwinde reſolvirten, die Bein-Kleider zum
Haupte unter das Kuͤſſen zu legen. Hier waͤre
nun bald ein neuer Kampff, und Angſt bey mir
angegangen, weil ich nicht, wie ich ſonſt gewoh-
net war, aus den Bein-Kleidern erſt heraus ge-
nommen, was eine fuͤrchterliche Idée in meinem
Gemuͤthe zu erwecken faͤhig war. Doch ich
uͤberwand dieſen Streit gar bald durch Ver-
trauen auf GOTT; ich geſchweige, daß der
Leib durch die Reiſe von 5. Meilen, die wir in
einem Tage zu Fuſſe gethan hatten, ſo muͤde
worden war, daß ich gar leicht einſchlafen
kunte.

§. 61.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0302" n="256"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in Halle:</hi> </fw><lb/>
        <p>Schier ein gleiches begegnete mir auch noch<lb/>
in die&#x017F;em 1704. Jahre wenige Zeit hernach.<lb/>
Denn ohngefehr 14. Tage vor <hi rendition="#aq">Michael re&#x017F;olvi</hi>r-<lb/>
ten un&#x017F;er dreyzehen, unter welchen einige von<lb/>
meinen guten Freunden und <hi rendition="#aq">Auditoribus</hi> waren,<lb/>
zur Lu&#x017F;t nach Halle zu Fu&#x017F;&#x017F;e zu gehen. Die<lb/>
Rei&#x017F;e nach Cro&#x017F;&#x017F;en hatte mein Haupt ziemlich<lb/>
heiter, und &#x017F;tarck gemacht, &#x017F;o meynte ich al&#x017F;o<lb/>
auch die&#x017F;esmahl durch Vera&#x0364;nderung der Lufft<lb/>
etwas zur Vermehrung meiner Ge&#x017F;undheit bey-<lb/>
zutragen. Es ge&#x017F;chahe auch. Nun traff<lb/>
&#x017F;ichs, daß ich und Herr <hi rendition="#aq">M.</hi> Hartmann, der<lb/>
ietzt ein Prediger nicht weit von Breslau i&#x017F;t, in<lb/>
einem Bette zu &#x017F;chlafen kamen, und weil es uns<lb/>
zum Kopffe zu niedrig gebettet war, wir uns ge-<lb/>
&#x017F;chwinde <hi rendition="#aq">re&#x017F;olvi</hi>rten, die Bein-Kleider zum<lb/>
Haupte unter das Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu legen. Hier wa&#x0364;re<lb/>
nun bald ein neuer Kampff, und Ang&#x017F;t bey mir<lb/>
angegangen, weil ich nicht, wie ich &#x017F;on&#x017F;t gewoh-<lb/>
net war, aus den Bein-Kleidern er&#x017F;t heraus ge-<lb/>
nommen, was eine fu&#x0364;rchterliche <hi rendition="#aq">Idée</hi> in meinem<lb/>
Gemu&#x0364;the zu erwecken fa&#x0364;hig war. Doch ich<lb/>
u&#x0364;berwand die&#x017F;en Streit gar bald durch Ver-<lb/>
trauen auf GOTT; ich ge&#x017F;chweige, daß der<lb/>
Leib durch die Rei&#x017F;e von 5. Meilen, die wir in<lb/>
einem Tage zu Fu&#x017F;&#x017F;e gethan hatten, &#x017F;o mu&#x0364;de<lb/>
worden war, daß ich gar leicht ein&#x017F;chlafen<lb/>
kunte.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 61.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0302] in Halle: Schier ein gleiches begegnete mir auch noch in dieſem 1704. Jahre wenige Zeit hernach. Denn ohngefehr 14. Tage vor Michael reſolvir- ten unſer dreyzehen, unter welchen einige von meinen guten Freunden und Auditoribus waren, zur Luſt nach Halle zu Fuſſe zu gehen. Die Reiſe nach Croſſen hatte mein Haupt ziemlich heiter, und ſtarck gemacht, ſo meynte ich alſo auch dieſesmahl durch Veraͤnderung der Lufft etwas zur Vermehrung meiner Geſundheit bey- zutragen. Es geſchahe auch. Nun traff ſichs, daß ich und Herr M. Hartmann, der ietzt ein Prediger nicht weit von Breslau iſt, in einem Bette zu ſchlafen kamen, und weil es uns zum Kopffe zu niedrig gebettet war, wir uns ge- ſchwinde reſolvirten, die Bein-Kleider zum Haupte unter das Kuͤſſen zu legen. Hier waͤre nun bald ein neuer Kampff, und Angſt bey mir angegangen, weil ich nicht, wie ich ſonſt gewoh- net war, aus den Bein-Kleidern erſt heraus ge- nommen, was eine fuͤrchterliche Idée in meinem Gemuͤthe zu erwecken faͤhig war. Doch ich uͤberwand dieſen Streit gar bald durch Ver- trauen auf GOTT; ich geſchweige, daß der Leib durch die Reiſe von 5. Meilen, die wir in einem Tage zu Fuſſe gethan hatten, ſo muͤde worden war, daß ich gar leicht einſchlafen kunte. §. 61.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/302
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/302>, abgerufen am 30.04.2024.