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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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eine weitläufftige
angekommen. Du kanst bereits aus dem, was
ich dir erzehlet habe, schliessen, daß diese Plage,
die ich empfunden, und welche über viel tausend
Menschen schon in der Welt ergangen ist, nicht
eine solche Versuchung gewesen, wie diejenige ist,
die ich ietzt beschrieben, und wie diejenige ist, da
einer z. E. Lust, Neigung, und Begierde zum Steh-
len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu
sündigen, oder der Obrigkeit nicht in die Hände
zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen,
die That des Diebstahls noch unterläst; oder auch
wohl, weder nach GOtt noch nach Menschen zu
fragen, seinen Diebes-Lüsten nachwandelt, und
seinen Vorsatz vollziehet. Bey dergleichen
Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, ist
keine Lust, noch Neigung, noch Begierde, noch
Vorsatz sich selbst ein Leid anzuthun; sondern
sie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und
in Angst des Hertzens schnelle ein Bild im Ge-
müthe von dergleichem Tode, so daß sie nicht nur
diesen Tod verabscheuen, sondern auch die gröste
Furcht haben, daß solcher nur nicht erfolgen
möchte.

Man findet von dieser Gemüths-Plage we-
nig in Büchern. So viel, als ich Scribenten
von Anfechtungen gelesen, so habe ich keinen an-
getroffen, als den eintzigen Brunchorst, der in
seinem Buche von geistlichen Anfechtungen,

und

eine weitlaͤufftige
angekommen. Du kanſt bereits aus dem, was
ich dir erzehlet habe, ſchlieſſen, daß dieſe Plage,
die ich empfunden, und welche uͤber viel tauſend
Menſchen ſchon in der Welt ergangen iſt, nicht
eine ſolche Verſuchung geweſen, wie diejenige iſt,
die ich ietzt beſchrieben, und wie diejenige iſt, da
einer z. E. Luſt, Neigung, und Begierde zum Steh-
len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu
ſuͤndigen, oder der Obrigkeit nicht in die Haͤnde
zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen,
die That des Diebſtahls noch unterlaͤſt; oder auch
wohl, weder nach GOtt noch nach Menſchen zu
fragen, ſeinen Diebes-Luͤſten nachwandelt, und
ſeinen Vorſatz vollziehet. Bey dergleichen
Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, iſt
keine Luſt, noch Neigung, noch Begierde, noch
Vorſatz ſich ſelbſt ein Leid anzuthun; ſondern
ſie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und
in Angſt des Hertzens ſchnelle ein Bild im Ge-
muͤthe von dergleichem Tode, ſo daß ſie nicht nur
dieſen Tod verabſcheuen, ſondern auch die groͤſte
Furcht haben, daß ſolcher nur nicht erfolgen
moͤchte.

Man findet von dieſer Gemuͤths-Plage we-
nig in Buͤchern. So viel, als ich Scribenten
von Anfechtungen geleſen, ſo habe ich keinen an-
getroffen, als den eintzigen Brunchorſt, der in
ſeinem Buche von geiſtlichen Anfechtungen,

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[258/0304] eine weitlaͤufftige angekommen. Du kanſt bereits aus dem, was ich dir erzehlet habe, ſchlieſſen, daß dieſe Plage, die ich empfunden, und welche uͤber viel tauſend Menſchen ſchon in der Welt ergangen iſt, nicht eine ſolche Verſuchung geweſen, wie diejenige iſt, die ich ietzt beſchrieben, und wie diejenige iſt, da einer z. E. Luſt, Neigung, und Begierde zum Steh- len bekommt, aus Furcht aber wider GOtt zu ſuͤndigen, oder der Obrigkeit nicht in die Haͤnde zu gerathen, und nicht in Strafe zu verfallen, die That des Diebſtahls noch unterlaͤſt; oder auch wohl, weder nach GOtt noch nach Menſchen zu fragen, ſeinen Diebes-Luͤſten nachwandelt, und ſeinen Vorſatz vollziehet. Bey dergleichen Leuten, die das erfahren, was ich erfahren, iſt keine Luſt, noch Neigung, noch Begierde, noch Vorſatz ſich ſelbſt ein Leid anzuthun; ſondern ſie bekommen in großer Hitze des Hauptes, und in Angſt des Hertzens ſchnelle ein Bild im Ge- muͤthe von dergleichem Tode, ſo daß ſie nicht nur dieſen Tod verabſcheuen, ſondern auch die groͤſte Furcht haben, daß ſolcher nur nicht erfolgen moͤchte. Man findet von dieſer Gemuͤths-Plage we- nig in Buͤchern. So viel, als ich Scribenten von Anfechtungen geleſen, ſo habe ich keinen an- getroffen, als den eintzigen Brunchorſt, der in ſeinem Buche von geiſtlichen Anfechtungen, und

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/304>, abgerufen am 30.04.2024.