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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und Einbildung gerathen,
witz verfallen, und ihres Verstandes beraubet
werden können. Jn gesunden Tagen sehe ich,
z. E. einen großen garstigen Hund; wenn dar-
nach in einem hitzigen Fieber die feurigen und
matten Lebens-Geister confuse im Kopffe hin
und her lauffen, und dieses Bild so starck berüh-
ren, als da sie es das erstemahl im Gehirne ein-
drückten; so sehe ich diesen Hund wieder als ge-
genwärtig. Jrret aber der Mensch in der er-
sten Operation des Verstandes, und in der per-
ceptione simplicium,
so daß er entweder Dinge
nicht siehet, so gegenwärtig sind, oder Dinge vor
gegenwärtig hält, die noch nicht da sind; so ist
es auch um die andere und dritte Operation des
Verstandes geschehen, und so muß der Mensch
alsdenn auch nothwendig irrige Urtheile fällen,
und sowol theoretische, als practische falsche
Schlüße machen, die zum Gelächter ausschlagen.
Jagt mir doch den Hund naus, spricht der am
hitzigen Fieber kranck liegt, wenn gleich keiner
vorhanden. Und weil wie wir oben gehö-
ret, die Seele den Leib figuriret nach dem Bilde,
was sie im Gehirne vom Leibe, oder einigen
Gliedern des Leibes, oder von gewissen Wer-
cken hat, so sie mit den Gliedern thut; so thut
alsdenn ein Mensch würcklich, und würckt mit
dem Leibe nach dem Bilde, welches er im Ge-
hirne hat, woferne der Verstand, und die Ver-

nunfft

und Einbildung gerathen,
witz verfallen, und ihres Verſtandes beraubet
werden koͤnnen. Jn geſunden Tagen ſehe ich,
z. E. einen großen garſtigen Hund; wenn dar-
nach in einem hitzigen Fieber die feurigen und
matten Lebens-Geiſter confuſe im Kopffe hin
und her lauffen, und dieſes Bild ſo ſtarck beruͤh-
ren, als da ſie es das erſtemahl im Gehirne ein-
druͤckten; ſo ſehe ich dieſen Hund wieder als ge-
genwaͤrtig. Jrret aber der Menſch in der er-
ſten Operation des Verſtandes, und in der per-
ceptione ſimplicium,
ſo daß er entweder Dinge
nicht ſiehet, ſo gegenwaͤrtig ſind, oder Dinge vor
gegenwaͤrtig haͤlt, die noch nicht da ſind; ſo iſt
es auch um die andere und dritte Operation des
Verſtandes geſchehen, und ſo muß der Menſch
alsdenn auch nothwendig irrige Urtheile faͤllen,
und ſowol theoretiſche, als practiſche falſche
Schluͤße machen, die zum Gelaͤchter ausſchlagen.
Jagt mir doch den Hund naus, ſpricht der am
hitzigen Fieber kranck liegt, wenn gleich keiner
vorhanden. Und weil wie wir oben gehoͤ-
ret, die Seele den Leib figuriret nach dem Bilde,
was ſie im Gehirne vom Leibe, oder einigen
Gliedern des Leibes, oder von gewiſſen Wer-
cken hat, ſo ſie mit den Gliedern thut; ſo thut
alsdenn ein Menſch wuͤrcklich, und wuͤrckt mit
dem Leibe nach dem Bilde, welches er im Ge-
hirne hat, woferne der Verſtand, und die Ver-

nunfft
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[285/0331] und Einbildung gerathen, witz verfallen, und ihres Verſtandes beraubet werden koͤnnen. Jn geſunden Tagen ſehe ich, z. E. einen großen garſtigen Hund; wenn dar- nach in einem hitzigen Fieber die feurigen und matten Lebens-Geiſter confuſe im Kopffe hin und her lauffen, und dieſes Bild ſo ſtarck beruͤh- ren, als da ſie es das erſtemahl im Gehirne ein- druͤckten; ſo ſehe ich dieſen Hund wieder als ge- genwaͤrtig. Jrret aber der Menſch in der er- ſten Operation des Verſtandes, und in der per- ceptione ſimplicium, ſo daß er entweder Dinge nicht ſiehet, ſo gegenwaͤrtig ſind, oder Dinge vor gegenwaͤrtig haͤlt, die noch nicht da ſind; ſo iſt es auch um die andere und dritte Operation des Verſtandes geſchehen, und ſo muß der Menſch alsdenn auch nothwendig irrige Urtheile faͤllen, und ſowol theoretiſche, als practiſche falſche Schluͤße machen, die zum Gelaͤchter ausſchlagen. Jagt mir doch den Hund naus, ſpricht der am hitzigen Fieber kranck liegt, wenn gleich keiner vorhanden. Und weil wie wir oben gehoͤ- ret, die Seele den Leib figuriret nach dem Bilde, was ſie im Gehirne vom Leibe, oder einigen Gliedern des Leibes, oder von gewiſſen Wer- cken hat, ſo ſie mit den Gliedern thut; ſo thut alsdenn ein Menſch wuͤrcklich, und wuͤrckt mit dem Leibe nach dem Bilde, welches er im Ge- hirne hat, woferne der Verſtand, und die Ver- nunfft

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/331>, abgerufen am 29.04.2024.