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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Nicht lange hernach
einhändigen zu lassen. Aber der kleine Inspe-
ctor
gab mir zu verstehen, daß es wohl ein Ge-
schencke von ihm selber seyn würde. Sein Zorn
wurde auch nach der Zeit durch desto größere
Furcht, was es etwan vor böse Folgen nach sich
ziehen dürffte, zur Genüge bestrafft. Denn er
machte sich fürchterliche Gedancken von mir, und
dachte, wer weiß, was ich anfangen, und wie ich
mich an ihm rächen würde, sobald ich wieder nach
Leipzig würde gekommen seyn, wie aus dem fol-
genden erhellen wird. Vor mich war das,
was mir wiederfahren, eine gute Züchtigung.
Denn ich hatte mich an ihm, da ich noch auf
dem Gymnasio studirte, ohne Zweifel durch all-
zu große Hochachtung und Vertrauen auf seine
Gunst und Wohlgewogenheit versündiget, und
beynahe einen GOtt aus ihm gemacht; so ließ
mich denn GOtt anietzo sehen, daß er ein Mensch
wäre, und daß es eine Thorheit sey, auf Men-
schen sich zu verlassen, und sein Vertrauen zu
stellen. Es war mir aber auch ein großer Anstoß in
der Religion, und im Glauben; wie mir denn
in meinem Leben mein Glaube durch nichts so
schwer und schwach gemacht worden, als durch die
Aufführung gewisser Prediger gegen mich; die sich
allzu harte gegen mich bezeuget, auch zu einer
Zeit, da ich noch unschuldig gewesen, und gantz
ein ander Tractament verdienet hätte.

Anno

Nicht lange hernach
einhaͤndigen zu laſſen. Aber der kleine Inſpe-
ctor
gab mir zu verſtehen, daß es wohl ein Ge-
ſchencke von ihm ſelber ſeyn wuͤrde. Sein Zorn
wurde auch nach der Zeit durch deſto groͤßere
Furcht, was es etwan vor boͤſe Folgen nach ſich
ziehen duͤrffte, zur Genuͤge beſtrafft. Denn er
machte ſich fuͤrchterliche Gedancken von mir, und
dachte, wer weiß, was ich anfangen, und wie ich
mich an ihm raͤchen wuͤrde, ſobald ich wieder nach
Leipzig wuͤrde gekommen ſeyn, wie aus dem fol-
genden erhellen wird. Vor mich war das,
was mir wiederfahren, eine gute Zuͤchtigung.
Denn ich hatte mich an ihm, da ich noch auf
dem Gymnaſio ſtudirte, ohne Zweifel durch all-
zu große Hochachtung und Vertrauen auf ſeine
Gunſt und Wohlgewogenheit verſuͤndiget, und
beynahe einen GOtt aus ihm gemacht; ſo ließ
mich denn GOtt anietzo ſehen, daß er ein Menſch
waͤre, und daß es eine Thorheit ſey, auf Men-
ſchen ſich zu verlaſſen, und ſein Vertrauen zu
ſtellen. Es war mir aber auch ein großer Anſtoß in
der Religion, und im Glauben; wie mir denn
in meinem Leben mein Glaube durch nichts ſo
ſchwer und ſchwach gemacht worden, als durch die
Auffuͤhrung gewiſſer Prediger gegen mich; die ſich
allzu harte gegen mich bezeuget, auch zu einer
Zeit, da ich noch unſchuldig geweſen, und gantz
ein ander Tractament verdienet haͤtte.

Anno
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[388/0434] Nicht lange hernach einhaͤndigen zu laſſen. Aber der kleine Inſpe- ctor gab mir zu verſtehen, daß es wohl ein Ge- ſchencke von ihm ſelber ſeyn wuͤrde. Sein Zorn wurde auch nach der Zeit durch deſto groͤßere Furcht, was es etwan vor boͤſe Folgen nach ſich ziehen duͤrffte, zur Genuͤge beſtrafft. Denn er machte ſich fuͤrchterliche Gedancken von mir, und dachte, wer weiß, was ich anfangen, und wie ich mich an ihm raͤchen wuͤrde, ſobald ich wieder nach Leipzig wuͤrde gekommen ſeyn, wie aus dem fol- genden erhellen wird. Vor mich war das, was mir wiederfahren, eine gute Zuͤchtigung. Denn ich hatte mich an ihm, da ich noch auf dem Gymnaſio ſtudirte, ohne Zweifel durch all- zu große Hochachtung und Vertrauen auf ſeine Gunſt und Wohlgewogenheit verſuͤndiget, und beynahe einen GOtt aus ihm gemacht; ſo ließ mich denn GOtt anietzo ſehen, daß er ein Menſch waͤre, und daß es eine Thorheit ſey, auf Men- ſchen ſich zu verlaſſen, und ſein Vertrauen zu ſtellen. Es war mir aber auch ein großer Anſtoß in der Religion, und im Glauben; wie mir denn in meinem Leben mein Glaube durch nichts ſo ſchwer und ſchwach gemacht worden, als durch die Auffuͤhrung gewiſſer Prediger gegen mich; die ſich allzu harte gegen mich bezeuget, auch zu einer Zeit, da ich noch unſchuldig geweſen, und gantz ein ander Tractament verdienet haͤtte. Anno

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/434>, abgerufen am 28.04.2024.