Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
Jnwohnern große Furcht,

Die Furcht und Schrecken der Jnwohner
ward noch größer, alß unser König ein Regi-
ment Soldaten in die Stadt legte, und solche
die Brust-Wehre auf den Wällen, und die
Contrescarpe repariren musten, gleich als ob
es zu einer Belagerung kommen dürffte; wie-
wol hiervon einer dieses, ein anderer jenes ur-
theilte. Nun gieng die Noth, und das Lauf-
fen, und das Flüchten erst recht an. M. Weise
vergaß in der Bet-Stunde einst das Vater
Unser; glaube aber nicht, daß es aus Angst
und Furcht geschehen; indem der Mann in
seinem Leben iederzeit von großem Hertzen, und
Vertrauen gewesen. Jch aber, weil ich auf
dem rothen Collegio auf das Wall hinaus
wohnte, hätte bald allen Muth und Hertzhaff-
tigkeit verlohren. Denn da ich die Soldaten
über der Brust-Wehre so beschäfftiget sahe, so
konte ich im Collegio hebraico lectorio vor Zit-
tern kaum mehr die Hebräische Bibel halten:
recht so, wie ein gewisser anderer Mann, von
dem man sich mehr Courage, als von mir ein-
bilden solte, vor einigen Jahren in seinem Col-
legio
das Manuscript kaum mehr in Händen
vor Zittern halten kunte, alß ihm das Predi-
gen bey seinem Amte auf eine Zeit lang unter-
saget wurde, und zu lesen aufhören muste.
Ohngefehr den letzten Sonntag zuvor, ehe die

Schwe-
Jnwohnern große Furcht,

Die Furcht und Schrecken der Jnwohner
ward noch groͤßer, alß unſer Koͤnig ein Regi-
ment Soldaten in die Stadt legte, und ſolche
die Bruſt-Wehre auf den Waͤllen, und die
Contreſcarpe repariren muſten, gleich als ob
es zu einer Belagerung kommen duͤrffte; wie-
wol hiervon einer dieſes, ein anderer jenes ur-
theilte. Nun gieng die Noth, und das Lauf-
fen, und das Fluͤchten erſt recht an. M. Weiſe
vergaß in der Bet-Stunde einſt das Vater
Unſer; glaube aber nicht, daß es aus Angſt
und Furcht geſchehen; indem der Mann in
ſeinem Leben iederzeit von großem Hertzen, und
Vertrauen geweſen. Jch aber, weil ich auf
dem rothen Collegio auf das Wall hinaus
wohnte, haͤtte bald allen Muth und Hertzhaff-
tigkeit verlohren. Denn da ich die Soldaten
uͤber der Bruſt-Wehre ſo beſchaͤfftiget ſahe, ſo
konte ich im Collegio hebraico lectorio vor Zit-
tern kaum mehr die Hebraͤiſche Bibel halten:
recht ſo, wie ein gewiſſer anderer Mann, von
dem man ſich mehr Courage, als von mir ein-
bilden ſolte, vor einigen Jahren in ſeinem Col-
legio
das Manuſcript kaum mehr in Haͤnden
vor Zittern halten kunte, alß ihm das Predi-
gen bey ſeinem Amte auf eine Zeit lang unter-
ſaget wurde, und zu leſen aufhoͤren muſte.
Ohngefehr den letzten Sonntag zuvor, ehe die

Schwe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0448" n="402"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Jnwohnern große Furcht,</hi> </fw><lb/>
        <p>Die Furcht und Schrecken der Jnwohner<lb/>
ward noch gro&#x0364;ßer, alß un&#x017F;er Ko&#x0364;nig ein Regi-<lb/>
ment Soldaten in die Stadt legte, und &#x017F;olche<lb/>
die Bru&#x017F;t-Wehre auf den Wa&#x0364;llen, und die<lb/><hi rendition="#aq">Contre&#x017F;carpe repari</hi>ren mu&#x017F;ten, gleich als ob<lb/>
es zu einer Belagerung kommen du&#x0364;rffte; wie-<lb/>
wol hiervon einer die&#x017F;es, ein anderer jenes ur-<lb/>
theilte. Nun gieng die Noth, und das Lauf-<lb/>
fen, und das Flu&#x0364;chten er&#x017F;t recht an. <hi rendition="#aq">M.</hi> Wei&#x017F;e<lb/>
vergaß in der Bet-Stunde ein&#x017F;t das Vater<lb/>
Un&#x017F;er; glaube aber nicht, daß es aus Ang&#x017F;t<lb/>
und Furcht ge&#x017F;chehen; indem der Mann in<lb/>
&#x017F;einem Leben iederzeit von großem Hertzen, und<lb/>
Vertrauen gewe&#x017F;en. Jch aber, weil ich auf<lb/>
dem rothen <hi rendition="#aq">Collegio</hi> auf das Wall hinaus<lb/>
wohnte, ha&#x0364;tte bald allen Muth und Hertzhaff-<lb/>
tigkeit verlohren. Denn da ich die Soldaten<lb/>
u&#x0364;ber der Bru&#x017F;t-Wehre &#x017F;o be&#x017F;cha&#x0364;fftiget &#x017F;ahe, &#x017F;o<lb/>
konte ich im <hi rendition="#aq">Collegio hebraico lectorio</hi> vor Zit-<lb/>
tern kaum mehr die Hebra&#x0364;i&#x017F;che Bibel halten:<lb/>
recht &#x017F;o, wie ein gewi&#x017F;&#x017F;er anderer Mann, von<lb/>
dem man &#x017F;ich mehr <hi rendition="#aq">Courage,</hi> als von mir ein-<lb/>
bilden &#x017F;olte, vor einigen Jahren in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Col-<lb/>
legio</hi> das <hi rendition="#aq">Manu&#x017F;cript</hi> kaum mehr in Ha&#x0364;nden<lb/>
vor Zittern halten kunte, alß ihm das Predi-<lb/>
gen bey &#x017F;einem Amte auf eine Zeit lang unter-<lb/>
&#x017F;aget wurde, und zu le&#x017F;en aufho&#x0364;ren mu&#x017F;te.<lb/>
Ohngefehr den letzten Sonntag zuvor, ehe die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schwe-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0448] Jnwohnern große Furcht, Die Furcht und Schrecken der Jnwohner ward noch groͤßer, alß unſer Koͤnig ein Regi- ment Soldaten in die Stadt legte, und ſolche die Bruſt-Wehre auf den Waͤllen, und die Contreſcarpe repariren muſten, gleich als ob es zu einer Belagerung kommen duͤrffte; wie- wol hiervon einer dieſes, ein anderer jenes ur- theilte. Nun gieng die Noth, und das Lauf- fen, und das Fluͤchten erſt recht an. M. Weiſe vergaß in der Bet-Stunde einſt das Vater Unſer; glaube aber nicht, daß es aus Angſt und Furcht geſchehen; indem der Mann in ſeinem Leben iederzeit von großem Hertzen, und Vertrauen geweſen. Jch aber, weil ich auf dem rothen Collegio auf das Wall hinaus wohnte, haͤtte bald allen Muth und Hertzhaff- tigkeit verlohren. Denn da ich die Soldaten uͤber der Bruſt-Wehre ſo beſchaͤfftiget ſahe, ſo konte ich im Collegio hebraico lectorio vor Zit- tern kaum mehr die Hebraͤiſche Bibel halten: recht ſo, wie ein gewiſſer anderer Mann, von dem man ſich mehr Courage, als von mir ein- bilden ſolte, vor einigen Jahren in ſeinem Col- legio das Manuſcript kaum mehr in Haͤnden vor Zittern halten kunte, alß ihm das Predi- gen bey ſeinem Amte auf eine Zeit lang unter- ſaget wurde, und zu leſen aufhoͤren muſte. Ohngefehr den letzten Sonntag zuvor, ehe die Schwe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/448
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/448>, abgerufen am 14.05.2024.