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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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nach einer merckwürdigen
pfindung zu, daß ich nicht wuste, wie mir ge-
schahe, noch was ich gedencken solte. Jch
überlegte, was ich etwan gegessen hätte: ich
forschte bey meinem Bruder nach, wer mir den
Tabac geholet, und bey wem er wäre geholet
worden; ich konte aber nichts entdecken, was
ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfin-
dung hätte ansehen mögen. Mein Lebetage
hat mein Maul keine solche Freude und Wol-
lust gehabt, als dieses mahl, was ich auch ge-
gessen und getruncken. Jch habe in der Ju-
gend ein und das andere mahl Tabac ore vinoso
geraucht, welches auch annehmlich schmecket;
doch diß ist so was schlechtes, daß ich mich är-
gere, daß ich eine Vergleichung damit anstellen
will. Jch legte die Pfeiffe weg, ich nahm
sie wieder, der scharffe durchdringende Ge-
schmack blieb einmahl wie das andere. Jch
bin versichert, wenn dergleichen alle Tabacs-
Brüder bey ihrem Tabac-rauchen empfänden,
was ich damahls empfand, sie söffen sich daran
zu schanden, oder stächen und hieben sich dar-
über zu Tode, wie über der viehischen und veneri-
schen Wollust. Bey der folgenden Pseiffe
aber, die ich ansteckte, hatte die Herrlichkeit ein
Ende: dieselbe schmeckte wie Numer 7. davon
die Elle einen Dreyer kommt, und dergleichen
ich noch zu rauchen pflege.

Jch

nach einer merckwuͤrdigen
pfindung zu, daß ich nicht wuſte, wie mir ge-
ſchahe, noch was ich gedencken ſolte. Jch
uͤberlegte, was ich etwan gegeſſen haͤtte: ich
forſchte bey meinem Bruder nach, wer mir den
Tabac geholet, und bey wem er waͤre geholet
worden; ich konte aber nichts entdecken, was
ich als eine Urſache ſolcher delicieuſen Empfin-
dung haͤtte anſehen moͤgen. Mein Lebetage
hat mein Maul keine ſolche Freude und Wol-
luſt gehabt, als dieſes mahl, was ich auch ge-
geſſen und getruncken. Jch habe in der Ju-
gend ein und das andere mahl Tabac ore vinoſo
geraucht, welches auch annehmlich ſchmecket;
doch diß iſt ſo was ſchlechtes, daß ich mich aͤr-
gere, daß ich eine Vergleichung damit anſtellen
will. Jch legte die Pfeiffe weg, ich nahm
ſie wieder, der ſcharffe durchdringende Ge-
ſchmack blieb einmahl wie das andere. Jch
bin verſichert, wenn dergleichen alle Tabacs-
Bruͤder bey ihrem Tabac-rauchen empfaͤnden,
was ich damahls empfand, ſie ſoͤffen ſich daran
zu ſchanden, oder ſtaͤchen und hieben ſich dar-
uͤber zu Tode, wie uͤber der viehiſchen und veneri-
ſchen Wolluſt. Bey der folgenden Pſeiffe
aber, die ich anſteckte, hatte die Herrlichkeit ein
Ende: dieſelbe ſchmeckte wie Numer 7. davon
die Elle einen Dreyer kommt, und dergleichen
ich noch zu rauchen pflege.

Jch
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[428/0474] nach einer merckwuͤrdigen pfindung zu, daß ich nicht wuſte, wie mir ge- ſchahe, noch was ich gedencken ſolte. Jch uͤberlegte, was ich etwan gegeſſen haͤtte: ich forſchte bey meinem Bruder nach, wer mir den Tabac geholet, und bey wem er waͤre geholet worden; ich konte aber nichts entdecken, was ich als eine Urſache ſolcher delicieuſen Empfin- dung haͤtte anſehen moͤgen. Mein Lebetage hat mein Maul keine ſolche Freude und Wol- luſt gehabt, als dieſes mahl, was ich auch ge- geſſen und getruncken. Jch habe in der Ju- gend ein und das andere mahl Tabac ore vinoſo geraucht, welches auch annehmlich ſchmecket; doch diß iſt ſo was ſchlechtes, daß ich mich aͤr- gere, daß ich eine Vergleichung damit anſtellen will. Jch legte die Pfeiffe weg, ich nahm ſie wieder, der ſcharffe durchdringende Ge- ſchmack blieb einmahl wie das andere. Jch bin verſichert, wenn dergleichen alle Tabacs- Bruͤder bey ihrem Tabac-rauchen empfaͤnden, was ich damahls empfand, ſie ſoͤffen ſich daran zu ſchanden, oder ſtaͤchen und hieben ſich dar- uͤber zu Tode, wie uͤber der viehiſchen und veneri- ſchen Wolluſt. Bey der folgenden Pſeiffe aber, die ich anſteckte, hatte die Herrlichkeit ein Ende: dieſelbe ſchmeckte wie Numer 7. davon die Elle einen Dreyer kommt, und dergleichen ich noch zu rauchen pflege. Jch

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/474>, abgerufen am 28.04.2024.