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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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eigne Lebens-Beschreibung.
Anliegen zu offenbaren, sondern mich genöthiget,
mich zu zwingen, und anders von aussen an-
zustellen, als nur immer möglich gewesen, und,
so man ja zuweilen etwas ungewöhnliches an mir
gemercket, solches mit vorgegebener Kranckheit des
Leibes, Hitze des Hauptes, und Verstopffungen
des Miltzes zu entschuldigen.

Es sind aber in Wahrheit allerhand Kranck-
heiten, und übele Dispositiones meines Leibes,
und der Gefäße desselben, fast iederzeit mit den grö-
sten Gemüths-Plagen und Anfechtungen, so ich
ausgestanden, verknüpfft gewesen, wie solches bey
denen, so eines Temperamenti Melancholici sind,
daferne sie Religion und ein zartes Gewissen ha-
ben, gar was gewöhnliches ist. Kein unglückli-
chers Temperament, wenn ich auch davon hier
etwas melden soll, ist unter den vielen Humeuren
und Gattungen der Menschen anzutreffen, als
das Temperamentum Sanguineo-Melancholi-
cum,
als welches recht des Teufels Nest ist, in
welchem er Anfangs Sünde und Missethaten,
und hernach auch tausendfache Noth, Jammer
und Elend, welche sich der Mensch dadurch zu-
ziehet, ausbrüttet. Das Sanguinische Tempe-
rament
reitzt, wie bekannt, zur Freude, zur Liebe
der Welt, und fleischlicher Wollust, und zu aller-
hand Sünden, so daraus entstehen; und, wenn
hernach GOttes Wort solche Sünden strafft,

und
A 2

eigne Lebens-Beſchreibung.
Anliegen zu offenbaren, ſondern mich genoͤthiget,
mich zu zwingen, und anders von auſſen an-
zuſtellen, als nur immer moͤglich geweſen, und,
ſo man ja zuweilen etwas ungewoͤhnliches an mir
gemercket, ſolches mit vorgegebener Kranckheit des
Leibes, Hitze des Hauptes, und Verſtopffungen
des Miltzes zu entſchuldigen.

Es ſind aber in Wahrheit allerhand Kranck-
heiten, und uͤbele Diſpoſitiones meines Leibes,
und der Gefaͤße deſſelben, faſt iederzeit mit den groͤ-
ſten Gemuͤths-Plagen und Anfechtungen, ſo ich
ausgeſtanden, verknuͤpfft geweſen, wie ſolches bey
denen, ſo eines Temperamenti Melancholici ſind,
daferne ſie Religion und ein zartes Gewiſſen ha-
ben, gar was gewoͤhnliches iſt. Kein ungluͤckli-
chers Temperament, wenn ich auch davon hier
etwas melden ſoll, iſt unter den vielen Humeuren
und Gattungen der Menſchen anzutreffen, als
das Temperamentum Sanguineo-Melancholi-
cum,
als welches recht des Teufels Neſt iſt, in
welchem er Anfangs Suͤnde und Miſſethaten,
und hernach auch tauſendfache Noth, Jammer
und Elend, welche ſich der Menſch dadurch zu-
ziehet, ausbruͤttet. Das Sanguiniſche Tempe-
rament
reitzt, wie bekannt, zur Freude, zur Liebe
der Welt, und fleiſchlicher Wolluſt, und zu aller-
hand Suͤnden, ſo daraus entſtehen; und, wenn
hernach GOttes Wort ſolche Suͤnden ſtrafft,

und
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[3/0049] eigne Lebens-Beſchreibung. Anliegen zu offenbaren, ſondern mich genoͤthiget, mich zu zwingen, und anders von auſſen an- zuſtellen, als nur immer moͤglich geweſen, und, ſo man ja zuweilen etwas ungewoͤhnliches an mir gemercket, ſolches mit vorgegebener Kranckheit des Leibes, Hitze des Hauptes, und Verſtopffungen des Miltzes zu entſchuldigen. Es ſind aber in Wahrheit allerhand Kranck- heiten, und uͤbele Diſpoſitiones meines Leibes, und der Gefaͤße deſſelben, faſt iederzeit mit den groͤ- ſten Gemuͤths-Plagen und Anfechtungen, ſo ich ausgeſtanden, verknuͤpfft geweſen, wie ſolches bey denen, ſo eines Temperamenti Melancholici ſind, daferne ſie Religion und ein zartes Gewiſſen ha- ben, gar was gewoͤhnliches iſt. Kein ungluͤckli- chers Temperament, wenn ich auch davon hier etwas melden ſoll, iſt unter den vielen Humeuren und Gattungen der Menſchen anzutreffen, als das Temperamentum Sanguineo-Melancholi- cum, als welches recht des Teufels Neſt iſt, in welchem er Anfangs Suͤnde und Miſſethaten, und hernach auch tauſendfache Noth, Jammer und Elend, welche ſich der Menſch dadurch zu- ziehet, ausbruͤttet. Das Sanguiniſche Tempe- rament reitzt, wie bekannt, zur Freude, zur Liebe der Welt, und fleiſchlicher Wolluſt, und zu aller- hand Suͤnden, ſo daraus entſtehen; und, wenn hernach GOttes Wort ſolche Suͤnden ſtrafft, und A 2

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/49>, abgerufen am 03.05.2024.