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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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im Gemüthe hatte,
ich, hast du den Eyd mit gutem Gewissen schwö-
ren können, und wilst, so lange du im Amte ste-
hest, auch nicht das geringste predigen, was mit
den Libris Symbolicis streiten solte; welches
ich auch redlich gethan, und welches auch so gar
aus der letzten Predigt zu ersehen war, die ich in
meinem Amte gehalten. Denn obschon unser
Systema, dachte ich ferner, was das Wesen der
Religion anbetrifft, dem Systemati der Römi-
schen Kirche nicht vorzuziehen, so thut es doch
keinem Menschen Schaden, sondern wenn es
behutsam vorgetragen, und recht verstanden und
eingesehen wird, so kan es den Sünder bekehren
und selig machen, auch vielleicht eher, als im
Pabstthum, da dessen Anhänger ein ander Sy-
stema
in Büchern, und ein anders in der Praxi,
und in den Predigten haben, und auf lauter Wercke
und Verdienst der Wercke treiben, ohne der
Gnade CHristi, und des Geistes GOttes zu ge-
dencken, der solche würcken muß, und ohne der
Buße und des Glaubens viel Meldung zu thun,
durch welche ich des Heiligen Geistes, und seiner
Gnade kan theilhafftig werden. Und was
thät es denn, fuhr ich in Gedancken fort, wenn
einer gar ein Atheiste wäre, und die Grund-
Puncte der Religion überhaupt nicht einmahl
glaubte; wie denn viel gottlose Prediger solche
Atheisten seyn mögen, ob sie es gleich nicht den-

cken?

im Gemuͤthe hatte,
ich, haſt du den Eyd mit gutem Gewiſſen ſchwoͤ-
ren koͤnnen, und wilſt, ſo lange du im Amte ſte-
heſt, auch nicht das geringſte predigen, was mit
den Libris Symbolicis ſtreiten ſolte; welches
ich auch redlich gethan, und welches auch ſo gar
aus der letzten Predigt zu erſehen war, die ich in
meinem Amte gehalten. Denn obſchon unſer
Syſtema, dachte ich ferner, was das Weſen der
Religion anbetrifft, dem Syſtemati der Roͤmi-
ſchen Kirche nicht vorzuziehen, ſo thut es doch
keinem Menſchen Schaden, ſondern wenn es
behutſam vorgetragen, und recht verſtanden und
eingeſehen wird, ſo kan es den Suͤnder bekehren
und ſelig machen, auch vielleicht eher, als im
Pabſtthum, da deſſen Anhaͤnger ein ander Sy-
ſtema
in Buͤchern, und ein anders in der Praxi,
und in den Predigten haben, und auf lauter Wercke
und Verdienſt der Wercke treiben, ohne der
Gnade CHriſti, und des Geiſtes GOttes zu ge-
dencken, der ſolche wuͤrcken muß, und ohne der
Buße und des Glaubens viel Meldung zu thun,
durch welche ich des Heiligen Geiſtes, und ſeiner
Gnade kan theilhafftig werden. Und was
thaͤt es denn, fuhr ich in Gedancken fort, wenn
einer gar ein Atheiſte waͤre, und die Grund-
Puncte der Religion uͤberhaupt nicht einmahl
glaubte; wie denn viel gottloſe Prediger ſolche
Atheiſten ſeyn moͤgen, ob ſie es gleich nicht den-

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[510/0556] im Gemuͤthe hatte, ich, haſt du den Eyd mit gutem Gewiſſen ſchwoͤ- ren koͤnnen, und wilſt, ſo lange du im Amte ſte- heſt, auch nicht das geringſte predigen, was mit den Libris Symbolicis ſtreiten ſolte; welches ich auch redlich gethan, und welches auch ſo gar aus der letzten Predigt zu erſehen war, die ich in meinem Amte gehalten. Denn obſchon unſer Syſtema, dachte ich ferner, was das Weſen der Religion anbetrifft, dem Syſtemati der Roͤmi- ſchen Kirche nicht vorzuziehen, ſo thut es doch keinem Menſchen Schaden, ſondern wenn es behutſam vorgetragen, und recht verſtanden und eingeſehen wird, ſo kan es den Suͤnder bekehren und ſelig machen, auch vielleicht eher, als im Pabſtthum, da deſſen Anhaͤnger ein ander Sy- ſtema in Buͤchern, und ein anders in der Praxi, und in den Predigten haben, und auf lauter Wercke und Verdienſt der Wercke treiben, ohne der Gnade CHriſti, und des Geiſtes GOttes zu ge- dencken, der ſolche wuͤrcken muß, und ohne der Buße und des Glaubens viel Meldung zu thun, durch welche ich des Heiligen Geiſtes, und ſeiner Gnade kan theilhafftig werden. Und was thaͤt es denn, fuhr ich in Gedancken fort, wenn einer gar ein Atheiſte waͤre, und die Grund- Puncte der Religion uͤberhaupt nicht einmahl glaubte; wie denn viel gottloſe Prediger ſolche Atheiſten ſeyn moͤgen, ob ſie es gleich nicht den- cken?

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/556>, abgerufen am 15.05.2024.