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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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ihm das dociren und predigen
Rückwege gieng er ins Georgien-Spital, und nö-
thigte mich wider meinen Willen mit ihm hinein
zu gehen; denn ich fürchtete die melancholischen
Leute im Spital. Und siehe, es geschahe, was
ich fürchtete. Wir waren kaum in Hof gekom-
men, so war ein Mann vom blöden Verstande
da, der uns anpackte; wodurch denn, weil ich
dergleichen Leute nicht vertragen kan, mein angst-
liches Wesen vermehret wurde, so daß ich unter
lauter Hertzens-Bangigkeit nach Hause gieng,
und immer umzufallen meynete. Nach der
Zeit hat mir bey solcher Gelegenheit ein Gurt um
den Leib gute Dienste gethan, dergleichen ich
aber zu solcher Zeit noch nicht hatte. Hätte ich
so viel gewust wie ietzund, so hätte ich nur mein
Schnupfftuch nehmen dürffen, und solches fest
um den Leib binden, oder eine Stürtze mir im
Spital wärmen lassen, und mir auf den Leib le-
gen; als welches hernach bey diesen und derglei-
chen Fällen mein ordentliches Haus-Mittel ge-
wesen, wenn ich kein anders haben können; so
würden die Spasmi seyn gehindert und geschwächt,
und der Weg nach Hause mir seyn leichter ge-
macht worden.

Jch hatte voriges Jahr den Cursum philo-
sophicum privatissimum
einem Magister, und eines
Raths-Herren Sohne gelesen; und dieser gieng
nunmehr zu Ende, aber mit lauter Furcht und

Zagen.

ihm das dociren und predigen
Ruͤckwege gieng er ins Georgien-Spital, und noͤ-
thigte mich wider meinen Willen mit ihm hinein
zu gehen; denn ich fuͤrchtete die melancholiſchen
Leute im Spital. Und ſiehe, es geſchahe, was
ich fuͤrchtete. Wir waren kaum in Hof gekom-
men, ſo war ein Mann vom bloͤden Verſtande
da, der uns anpackte; wodurch denn, weil ich
dergleichen Leute nicht vertragen kan, mein angſt-
liches Weſen vermehret wurde, ſo daß ich unter
lauter Hertzens-Bangigkeit nach Hauſe gieng,
und immer umzufallen meynete. Nach der
Zeit hat mir bey ſolcher Gelegenheit ein Gurt um
den Leib gute Dienſte gethan, dergleichen ich
aber zu ſolcher Zeit noch nicht hatte. Haͤtte ich
ſo viel gewuſt wie ietzund, ſo haͤtte ich nur mein
Schnupfftuch nehmen duͤrffen, und ſolches feſt
um den Leib binden, oder eine Stuͤrtze mir im
Spital waͤrmen laſſen, und mir auf den Leib le-
gen; als welches hernach bey dieſen und derglei-
chen Faͤllen mein ordentliches Haus-Mittel ge-
weſen, wenn ich kein anders haben koͤnnen; ſo
wuͤrden die Spaſmi ſeyn gehindert und geſchwaͤcht,
und der Weg nach Hauſe mir ſeyn leichter ge-
macht worden.

Jch hatte voriges Jahr den Curſum philo-
ſophicum privatiſſimum
einem Magiſter, und eines
Raths-Herren Sohne geleſen; und dieſer gieng
nunmehr zu Ende, aber mit lauter Furcht und

Zagen.
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[603/0649] ihm das dociren und predigen Ruͤckwege gieng er ins Georgien-Spital, und noͤ- thigte mich wider meinen Willen mit ihm hinein zu gehen; denn ich fuͤrchtete die melancholiſchen Leute im Spital. Und ſiehe, es geſchahe, was ich fuͤrchtete. Wir waren kaum in Hof gekom- men, ſo war ein Mann vom bloͤden Verſtande da, der uns anpackte; wodurch denn, weil ich dergleichen Leute nicht vertragen kan, mein angſt- liches Weſen vermehret wurde, ſo daß ich unter lauter Hertzens-Bangigkeit nach Hauſe gieng, und immer umzufallen meynete. Nach der Zeit hat mir bey ſolcher Gelegenheit ein Gurt um den Leib gute Dienſte gethan, dergleichen ich aber zu ſolcher Zeit noch nicht hatte. Haͤtte ich ſo viel gewuſt wie ietzund, ſo haͤtte ich nur mein Schnupfftuch nehmen duͤrffen, und ſolches feſt um den Leib binden, oder eine Stuͤrtze mir im Spital waͤrmen laſſen, und mir auf den Leib le- gen; als welches hernach bey dieſen und derglei- chen Faͤllen mein ordentliches Haus-Mittel ge- weſen, wenn ich kein anders haben koͤnnen; ſo wuͤrden die Spaſmi ſeyn gehindert und geſchwaͤcht, und der Weg nach Hauſe mir ſeyn leichter ge- macht worden. Jch hatte voriges Jahr den Curſum philo- ſophicum privatiſſimum einem Magiſter, und eines Raths-Herren Sohne geleſen; und dieſer gieng nunmehr zu Ende, aber mit lauter Furcht und Zagen.

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/649>, abgerufen am 29.04.2024.