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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.

Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ständischen Aus-
schusses äußerte sich über diese Vorschriften in ihrem Gutachten: o)

"Der §. 264. belegt als Nöthigung die Anwendung von Gewalt
oder Drohungen mit Strafe, selbst für den Fall, daß die angedrohte
Handlung als eine strafbare nicht zu erachten wäre. Es ist bestritten
worden, ob überhaupt dergleichen Drohungen mit Strafen zu belegen,
indem nicht abzusehen, wie eine an sich straflose Handlung dadurch
strafbar werden könne, wenn man die Absicht, sie auszuüben, ausge-
sprochen. Andererseits ward die Bestimmung des Paragraphen dadurch
vertheidigt, daß ein praktisches Bedürfniß den Paragraphen rechtfertige,
indem die persönliche Schwäche häufig zur Befriedigung schlechter Zwecke
gemißbraucht werde, und die bisherige Gesetzgebung zur Abstellung
solcher Uebelstände nicht im Stande gewesen. Den letztgedachten Grün-
den beipflichtend, hat die Abtheilung den Antrag, den Paragraphen zu
streichen, mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt."

"Mit gleicher Majorität und aus ähnlichen Gründen ist der An-
trag, auch den §. 265. zum Wegfall in Vorschlag zu bringen, von der
Abtheilung zurückgewiesen, indem sie namentlich berücksichtigte, daß es
sich bei der Drohung noch um ein Mehreres handle, als wie bei dem
im vorhergehenden Paragraphen gedachten Vergehen, und hier keines-
weges ein strafloses Beginnen, sondern ein strafbarer Angriff den Inhalt
der angedrohten Handlung bilde."

Der Ausschuß trat der Majorität der Abtheilung bei; die Staats-
regierung hat aber in dem Entwurf von 1850. die angeführten Be-
denken im Allgemeinen für begründet gehalten, p) und nur nach dem
Vorgange des Rheinischen Rechts q) die Drohung mit der Verübung
eines Verbrechens oder Vergehens unter Strafe gestellt.

A. Jemand zwingt einen Anderen zu einer Handlung oder Un-
terlassung, indem er ihn schriftlich oder mündlich mit der Verübung
eines Verbrechens oder Vergehens bedroht. Die Strafe dieses Ver-
gehens, welche auch den Versuch trifft, ist Gefängniß bis zu Einem
Jahre (§. 212.).

B. Jemand bedroht einen Anderen mit Brand oder Ueberschwem-
mung (§. 213.).

Dieses Vergehen, welches in dem Entwurf von 1847. §. 366. mit

o) Verhandlungen. IV. S. 115-19.
p) Motive zum Entwurf von 1850. §. 195. 196.
q) Code penal. Art. 305-308. Nur Drohungen mit einem Attentat ge-
gen die Person werden hier unter Strafe gestellt, und dabei unterschieden, ob sie
schriftlich oder mündlich geschehen, ob sie von einem Befehl oder einer Bedingung be-
gleitet sind oder nicht.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih.

Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus-
ſchuſſes äußerte ſich über dieſe Vorſchriften in ihrem Gutachten: o)

„Der §. 264. belegt als Nöthigung die Anwendung von Gewalt
oder Drohungen mit Strafe, ſelbſt für den Fall, daß die angedrohte
Handlung als eine ſtrafbare nicht zu erachten wäre. Es iſt beſtritten
worden, ob überhaupt dergleichen Drohungen mit Strafen zu belegen,
indem nicht abzuſehen, wie eine an ſich ſtrafloſe Handlung dadurch
ſtrafbar werden könne, wenn man die Abſicht, ſie auszuüben, ausge-
ſprochen. Andererſeits ward die Beſtimmung des Paragraphen dadurch
vertheidigt, daß ein praktiſches Bedürfniß den Paragraphen rechtfertige,
indem die perſönliche Schwäche häufig zur Befriedigung ſchlechter Zwecke
gemißbraucht werde, und die bisherige Geſetzgebung zur Abſtellung
ſolcher Uebelſtände nicht im Stande geweſen. Den letztgedachten Grün-
den beipflichtend, hat die Abtheilung den Antrag, den Paragraphen zu
ſtreichen, mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt.“

„Mit gleicher Majorität und aus ähnlichen Gründen iſt der An-
trag, auch den §. 265. zum Wegfall in Vorſchlag zu bringen, von der
Abtheilung zurückgewieſen, indem ſie namentlich berückſichtigte, daß es
ſich bei der Drohung noch um ein Mehreres handle, als wie bei dem
im vorhergehenden Paragraphen gedachten Vergehen, und hier keines-
weges ein ſtrafloſes Beginnen, ſondern ein ſtrafbarer Angriff den Inhalt
der angedrohten Handlung bilde.“

Der Ausſchuß trat der Majorität der Abtheilung bei; die Staats-
regierung hat aber in dem Entwurf von 1850. die angeführten Be-
denken im Allgemeinen für begründet gehalten, p) und nur nach dem
Vorgange des Rheiniſchen Rechts q) die Drohung mit der Verübung
eines Verbrechens oder Vergehens unter Strafe geſtellt.

A. Jemand zwingt einen Anderen zu einer Handlung oder Un-
terlaſſung, indem er ihn ſchriftlich oder mündlich mit der Verübung
eines Verbrechens oder Vergehens bedroht. Die Strafe dieſes Ver-
gehens, welche auch den Verſuch trifft, iſt Gefängniß bis zu Einem
Jahre (§. 212.).

B. Jemand bedroht einen Anderen mit Brand oder Ueberſchwem-
mung (§. 213.).

Dieſes Vergehen, welches in dem Entwurf von 1847. §. 366. mit

o) Verhandlungen. IV. S. 115-19.
p) Motive zum Entwurf von 1850. §. 195. 196.
q) Code pénal. Art. 305-308. Nur Drohungen mit einem Attentat ge-
gen die Perſon werden hier unter Strafe geſtellt, und dabei unterſchieden, ob ſie
ſchriftlich oder mündlich geſchehen, ob ſie von einem Befehl oder einer Bedingung be-
gleitet ſind oder nicht.
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[402/0412] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. Tit. XVII. Verbr. u. Verg. wider d. Freih. Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus- ſchuſſes äußerte ſich über dieſe Vorſchriften in ihrem Gutachten: o) „Der §. 264. belegt als Nöthigung die Anwendung von Gewalt oder Drohungen mit Strafe, ſelbſt für den Fall, daß die angedrohte Handlung als eine ſtrafbare nicht zu erachten wäre. Es iſt beſtritten worden, ob überhaupt dergleichen Drohungen mit Strafen zu belegen, indem nicht abzuſehen, wie eine an ſich ſtrafloſe Handlung dadurch ſtrafbar werden könne, wenn man die Abſicht, ſie auszuüben, ausge- ſprochen. Andererſeits ward die Beſtimmung des Paragraphen dadurch vertheidigt, daß ein praktiſches Bedürfniß den Paragraphen rechtfertige, indem die perſönliche Schwäche häufig zur Befriedigung ſchlechter Zwecke gemißbraucht werde, und die bisherige Geſetzgebung zur Abſtellung ſolcher Uebelſtände nicht im Stande geweſen. Den letztgedachten Grün- den beipflichtend, hat die Abtheilung den Antrag, den Paragraphen zu ſtreichen, mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt.“ „Mit gleicher Majorität und aus ähnlichen Gründen iſt der An- trag, auch den §. 265. zum Wegfall in Vorſchlag zu bringen, von der Abtheilung zurückgewieſen, indem ſie namentlich berückſichtigte, daß es ſich bei der Drohung noch um ein Mehreres handle, als wie bei dem im vorhergehenden Paragraphen gedachten Vergehen, und hier keines- weges ein ſtrafloſes Beginnen, ſondern ein ſtrafbarer Angriff den Inhalt der angedrohten Handlung bilde.“ Der Ausſchuß trat der Majorität der Abtheilung bei; die Staats- regierung hat aber in dem Entwurf von 1850. die angeführten Be- denken im Allgemeinen für begründet gehalten, p) und nur nach dem Vorgange des Rheiniſchen Rechts q) die Drohung mit der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens unter Strafe geſtellt. A. Jemand zwingt einen Anderen zu einer Handlung oder Un- terlaſſung, indem er ihn ſchriftlich oder mündlich mit der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens bedroht. Die Strafe dieſes Ver- gehens, welche auch den Verſuch trifft, iſt Gefängniß bis zu Einem Jahre (§. 212.). B. Jemand bedroht einen Anderen mit Brand oder Ueberſchwem- mung (§. 213.). Dieſes Vergehen, welches in dem Entwurf von 1847. §. 366. mit o) Verhandlungen. IV. S. 115-19. p) Motive zum Entwurf von 1850. §. 195. 196. q) Code pénal. Art. 305-308. Nur Drohungen mit einem Attentat ge- gen die Perſon werden hier unter Strafe geſtellt, und dabei unterſchieden, ob ſie ſchriftlich oder mündlich geſchehen, ob ſie von einem Befehl oder einer Bedingung be- gleitet ſind oder nicht.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/412>, abgerufen am 30.04.2024.