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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXI. Betrug.
nimum der gewöhnlichen Strafe) oder auf eine bloße Geldbuße, mit
oder ohne Verlust der Ehrenrechte, zu erkennen."

II. Die Strafe wird in gewissen schwereren Fällen des Betrugs
in der Weise erhöht, daß auf Gefängniß nicht unter drei Monaten er-
kannt werden soll (§. 243.). -- Der Entwurf von 1843. §. 450. hatte
vierzehn Fälle des Betruges aufgeführt, in welchen neben Verlust der
Ehrenrechte Strafarbeit oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren eintreten
sollte. Diese Strafen erschienen indeß für die meisten jener Fälle zu
hart, und der Entwurf von 1847. §. 295. beschränkte die Zahl dersel-
ben bis auf vier, für welche dann die Zuchthausstrafe ausschließlich
vorgeschrieben wurde. u) Es waren dieß solche Fälle, in welchen in der
Regel nicht ein einzelner Betrogener, sondern eine größere Anzahl von
Personen oder überhaupt das Publikum gefährdet erschien. Das Straf-
gesetzbuch hat von diesen vier Fällen nur drei unter den Nummern 1.
2. und 5. aufgenommen, die Bestimmung wegen der unrichtigen Füh-
rung der Handelsbücher aber auf den Fall des Bankerutts (§. 261.)
beschränkt. Zu den beibehaltenen drei Fällen sind noch vier neue unter
den Nummern 3. 4. 6. und 7. hinzugekommen, welche bisher bei an-
deren Rechtsmaterien ihre Stelle gehabt hatten.

Für alle im §. 243. aufgeführten Fälle ist aber die Zuchthausstrafe
für zu hart erachtet worden, man ist vielmehr bei Abfassung des Ent-
wurfs von 1850. von der Ansicht ausgegangen, daß dergleichen Be-
trügereien nicht füglich härter bestraft werden können, als ein unter er-
schwerenden Umständen verübter einfacher Diebstahl (§. 217.), und die
für dieses Vergehen festgestellte Strafe ist daher auch hier beibehalten
worden, jedoch in Verbindung mit der für den Betrug überhaupt an-
geordneten Geldbuße und unter Ausschließung der Berücksichtigung mil-
dernder Umstände. v)

In Beziehung auf die aufgezählten sieben Vergehen kann aber noch
die Frage entstehen, ob sie nur als gesetzlich ausgezeichnete Arten des
Betruges zu betrachten sind, oder selbständige Vergehen bilden, welche
ihren besonderen Thatbestand haben, und nur wegen ihrer allgemeinen
Verwandtschaft mit dem Betruge demselben im Systeme zugeordnet sind.
Von praktischer Bedeutung würde das namentlich für die beiden letzten
Fälle sein, für welche die gewinnsüchtige Absicht dann nicht nothwendig
anzunehmen sein würde. Zur Unterstützung der Ansicht, daß man es
hier mit ganz selbständig geordneten Vergehen zu thun habe, ließe sich

u) Revision von 1845. III. S. 35. 36. -- Verhandlungen der Staats-
raths-Kommission von
1846. S. 159.
v) Motive zum Entwurf von 1850. §. 221.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXI. Betrug.
nimum der gewöhnlichen Strafe) oder auf eine bloße Geldbuße, mit
oder ohne Verluſt der Ehrenrechte, zu erkennen.“

II. Die Strafe wird in gewiſſen ſchwereren Fällen des Betrugs
in der Weiſe erhöht, daß auf Gefängniß nicht unter drei Monaten er-
kannt werden ſoll (§. 243.). — Der Entwurf von 1843. §. 450. hatte
vierzehn Fälle des Betruges aufgeführt, in welchen neben Verluſt der
Ehrenrechte Strafarbeit oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren eintreten
ſollte. Dieſe Strafen erſchienen indeß für die meiſten jener Fälle zu
hart, und der Entwurf von 1847. §. 295. beſchränkte die Zahl derſel-
ben bis auf vier, für welche dann die Zuchthausſtrafe ausſchließlich
vorgeſchrieben wurde. u) Es waren dieß ſolche Fälle, in welchen in der
Regel nicht ein einzelner Betrogener, ſondern eine größere Anzahl von
Perſonen oder überhaupt das Publikum gefährdet erſchien. Das Straf-
geſetzbuch hat von dieſen vier Fällen nur drei unter den Nummern 1.
2. und 5. aufgenommen, die Beſtimmung wegen der unrichtigen Füh-
rung der Handelsbücher aber auf den Fall des Bankerutts (§. 261.)
beſchränkt. Zu den beibehaltenen drei Fällen ſind noch vier neue unter
den Nummern 3. 4. 6. und 7. hinzugekommen, welche bisher bei an-
deren Rechtsmaterien ihre Stelle gehabt hatten.

Für alle im §. 243. aufgeführten Fälle iſt aber die Zuchthausſtrafe
für zu hart erachtet worden, man iſt vielmehr bei Abfaſſung des Ent-
wurfs von 1850. von der Anſicht ausgegangen, daß dergleichen Be-
trügereien nicht füglich härter beſtraft werden können, als ein unter er-
ſchwerenden Umſtänden verübter einfacher Diebſtahl (§. 217.), und die
für dieſes Vergehen feſtgeſtellte Strafe iſt daher auch hier beibehalten
worden, jedoch in Verbindung mit der für den Betrug überhaupt an-
geordneten Geldbuße und unter Ausſchließung der Berückſichtigung mil-
dernder Umſtände. v)

In Beziehung auf die aufgezählten ſieben Vergehen kann aber noch
die Frage entſtehen, ob ſie nur als geſetzlich ausgezeichnete Arten des
Betruges zu betrachten ſind, oder ſelbſtändige Vergehen bilden, welche
ihren beſonderen Thatbeſtand haben, und nur wegen ihrer allgemeinen
Verwandtſchaft mit dem Betruge demſelben im Syſteme zugeordnet ſind.
Von praktiſcher Bedeutung würde das namentlich für die beiden letzten
Fälle ſein, für welche die gewinnſüchtige Abſicht dann nicht nothwendig
anzunehmen ſein würde. Zur Unterſtützung der Anſicht, daß man es
hier mit ganz ſelbſtändig geordneten Vergehen zu thun habe, ließe ſich

u) Reviſion von 1845. III. S. 35. 36. — Verhandlungen der Staats-
raths-Kommiſſion von
1846. S. 159.
v) Motive zum Entwurf von 1850. §. 221.
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[464/0474] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXI. Betrug. nimum der gewöhnlichen Strafe) oder auf eine bloße Geldbuße, mit oder ohne Verluſt der Ehrenrechte, zu erkennen.“ II. Die Strafe wird in gewiſſen ſchwereren Fällen des Betrugs in der Weiſe erhöht, daß auf Gefängniß nicht unter drei Monaten er- kannt werden ſoll (§. 243.). — Der Entwurf von 1843. §. 450. hatte vierzehn Fälle des Betruges aufgeführt, in welchen neben Verluſt der Ehrenrechte Strafarbeit oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren eintreten ſollte. Dieſe Strafen erſchienen indeß für die meiſten jener Fälle zu hart, und der Entwurf von 1847. §. 295. beſchränkte die Zahl derſel- ben bis auf vier, für welche dann die Zuchthausſtrafe ausſchließlich vorgeſchrieben wurde. u) Es waren dieß ſolche Fälle, in welchen in der Regel nicht ein einzelner Betrogener, ſondern eine größere Anzahl von Perſonen oder überhaupt das Publikum gefährdet erſchien. Das Straf- geſetzbuch hat von dieſen vier Fällen nur drei unter den Nummern 1. 2. und 5. aufgenommen, die Beſtimmung wegen der unrichtigen Füh- rung der Handelsbücher aber auf den Fall des Bankerutts (§. 261.) beſchränkt. Zu den beibehaltenen drei Fällen ſind noch vier neue unter den Nummern 3. 4. 6. und 7. hinzugekommen, welche bisher bei an- deren Rechtsmaterien ihre Stelle gehabt hatten. Für alle im §. 243. aufgeführten Fälle iſt aber die Zuchthausſtrafe für zu hart erachtet worden, man iſt vielmehr bei Abfaſſung des Ent- wurfs von 1850. von der Anſicht ausgegangen, daß dergleichen Be- trügereien nicht füglich härter beſtraft werden können, als ein unter er- ſchwerenden Umſtänden verübter einfacher Diebſtahl (§. 217.), und die für dieſes Vergehen feſtgeſtellte Strafe iſt daher auch hier beibehalten worden, jedoch in Verbindung mit der für den Betrug überhaupt an- geordneten Geldbuße und unter Ausſchließung der Berückſichtigung mil- dernder Umſtände. v) In Beziehung auf die aufgezählten ſieben Vergehen kann aber noch die Frage entſtehen, ob ſie nur als geſetzlich ausgezeichnete Arten des Betruges zu betrachten ſind, oder ſelbſtändige Vergehen bilden, welche ihren beſonderen Thatbeſtand haben, und nur wegen ihrer allgemeinen Verwandtſchaft mit dem Betruge demſelben im Syſteme zugeordnet ſind. Von praktiſcher Bedeutung würde das namentlich für die beiden letzten Fälle ſein, für welche die gewinnſüchtige Abſicht dann nicht nothwendig anzunehmen ſein würde. Zur Unterſtützung der Anſicht, daß man es hier mit ganz ſelbſtändig geordneten Vergehen zu thun habe, ließe ſich u) Reviſion von 1845. III. S. 35. 36. — Verhandlungen der Staats- raths-Kommiſſion von 1846. S. 159. v) Motive zum Entwurf von 1850. §. 221.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/474>, abgerufen am 03.05.2024.