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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXIII. Urkundenfälschung.
oder Thatsachen in öffentliche Urkunden, Bücher oder Register bewirkt.
Es wird darunter der Fall verstanden, welchen die Französische Juris-
prudenz im Gegensatz zur materiellen Fälschung, bei welcher eine Ver-
änderung an dem Aeußern der Urkunde vorgenommen wird, als die
intellektuelle Fälschung bezeichnet. Der Thatbestand des Verbrechens ist
in dem Gesetzbuch genau angegeben; ein wesentlicher Unterschied von
dem der Urkundenfälschung im engeren Sinne besteht darin, daß bei einer
solchen intellektuellen Fälschung der Gebrauch der unrichtigen Urkunde
von Seiten des Thäters, nicht für nothwendig erklärt ist, so daß das
Verbrechen, wie bei der Münzfälschung, schon mit der Thatsache der
bewirkten Fälschung vollendet ist. Das Strafgesetzbuch stimmt also in
diesem Fall mit dem Code penal überein. -- Der wissentliche Gebrauch
eines solchen Dokuments wird der Fälschung gleich bestraft, voraus-
gesetzt, daß derjenige, welcher den Gebrauch davon macht, zum Nach-
theile eines Anderen handelt. b) Liegt also der Fall vor, daß jemand
eine solche falsche Beurkundung bewirkt und selbst davon Gebrauch
gemacht hat, so findet eigentlich ein Zusammentreffen mehrerer Ver-
brechen statt, und es käme auf die besonderen Umstände an, ob die
Regel des §. 55. oder die des §. 56. darauf zur Anwendung zu bringen
wäre. Indessen scheint nach der Fassung des §. 252. Abs. 2. eine so
strenge Durchführung des Princips nicht in der Absicht des Gesetzgebers
gelegen zu haben; denn die Vorschrift bezieht sich doch nur auf solche
Personen, welche nicht selbst die Fälschung bewirkt haben.

Der Entwurf von 1847. §. 319. hatte noch eine Strafvorschrift
für den Fall, wenn die Aufnahme unrichtiger Thatsachen in öffentliche
Urkunden u. s. w. vorsätzlich, jedoch nicht in der Absicht, einen Gewinn
zu machen oder Schaden zuzufügen, bewirkt ist. Der vereinigte stän-
dische Ausschuß beschloß aber den Wegfall dieser Bestimmung. c)

§. 253.

Wer unächtes Stempelpapier anfertigt, oder ächtes Stempelpapier ver-
fälscht, ingleichen wer wissentlich von falschem oder verfälschtem Stempelpapier
Gebrauch macht, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, sowie mit
zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft.

Eine gleiche Strafe hat derjenige verwirkt, welcher sich einer dieser Hand-
lungen in Beziehung auf Postfreimarken oder gestempelte Briefcouverts
schuldig macht.



Die Fälschung von Stempelpapier, welcher die von Postfreimarken

b) Chauveau et Helie Faustin. l. c. chap. XXVI.
c) Verhandlungen. IV. S. 310-13.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIII. Urkundenfälſchung.
oder Thatſachen in öffentliche Urkunden, Bücher oder Regiſter bewirkt.
Es wird darunter der Fall verſtanden, welchen die Franzöſiſche Juris-
prudenz im Gegenſatz zur materiellen Fälſchung, bei welcher eine Ver-
änderung an dem Aeußern der Urkunde vorgenommen wird, als die
intellektuelle Fälſchung bezeichnet. Der Thatbeſtand des Verbrechens iſt
in dem Geſetzbuch genau angegeben; ein weſentlicher Unterſchied von
dem der Urkundenfälſchung im engeren Sinne beſteht darin, daß bei einer
ſolchen intellektuellen Fälſchung der Gebrauch der unrichtigen Urkunde
von Seiten des Thäters, nicht für nothwendig erklärt iſt, ſo daß das
Verbrechen, wie bei der Münzfälſchung, ſchon mit der Thatſache der
bewirkten Fälſchung vollendet iſt. Das Strafgeſetzbuch ſtimmt alſo in
dieſem Fall mit dem Code pénal überein. — Der wiſſentliche Gebrauch
eines ſolchen Dokuments wird der Fälſchung gleich beſtraft, voraus-
geſetzt, daß derjenige, welcher den Gebrauch davon macht, zum Nach-
theile eines Anderen handelt. b) Liegt alſo der Fall vor, daß jemand
eine ſolche falſche Beurkundung bewirkt und ſelbſt davon Gebrauch
gemacht hat, ſo findet eigentlich ein Zuſammentreffen mehrerer Ver-
brechen ſtatt, und es käme auf die beſonderen Umſtände an, ob die
Regel des §. 55. oder die des §. 56. darauf zur Anwendung zu bringen
wäre. Indeſſen ſcheint nach der Faſſung des §. 252. Abſ. 2. eine ſo
ſtrenge Durchführung des Princips nicht in der Abſicht des Geſetzgebers
gelegen zu haben; denn die Vorſchrift bezieht ſich doch nur auf ſolche
Perſonen, welche nicht ſelbſt die Fälſchung bewirkt haben.

Der Entwurf von 1847. §. 319. hatte noch eine Strafvorſchrift
für den Fall, wenn die Aufnahme unrichtiger Thatſachen in öffentliche
Urkunden u. ſ. w. vorſätzlich, jedoch nicht in der Abſicht, einen Gewinn
zu machen oder Schaden zuzufügen, bewirkt iſt. Der vereinigte ſtän-
diſche Ausſchuß beſchloß aber den Wegfall dieſer Beſtimmung. c)

§. 253.

Wer unächtes Stempelpapier anfertigt, oder ächtes Stempelpapier ver-
fälſcht, ingleichen wer wiſſentlich von falſchem oder verfälſchtem Stempelpapier
Gebrauch macht, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, ſowie mit
zeitiger Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beſtraft.

Eine gleiche Strafe hat derjenige verwirkt, welcher ſich einer dieſer Hand-
lungen in Beziehung auf Poſtfreimarken oder geſtempelte Briefcouverts
ſchuldig macht.



Die Fälſchung von Stempelpapier, welcher die von Poſtfreimarken

b) Chauveau et Hélie Faustin. l. c. chap. XXVI.
c) Verhandlungen. IV. S. 310-13.
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[480/0490] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIII. Urkundenfälſchung. oder Thatſachen in öffentliche Urkunden, Bücher oder Regiſter bewirkt. Es wird darunter der Fall verſtanden, welchen die Franzöſiſche Juris- prudenz im Gegenſatz zur materiellen Fälſchung, bei welcher eine Ver- änderung an dem Aeußern der Urkunde vorgenommen wird, als die intellektuelle Fälſchung bezeichnet. Der Thatbeſtand des Verbrechens iſt in dem Geſetzbuch genau angegeben; ein weſentlicher Unterſchied von dem der Urkundenfälſchung im engeren Sinne beſteht darin, daß bei einer ſolchen intellektuellen Fälſchung der Gebrauch der unrichtigen Urkunde von Seiten des Thäters, nicht für nothwendig erklärt iſt, ſo daß das Verbrechen, wie bei der Münzfälſchung, ſchon mit der Thatſache der bewirkten Fälſchung vollendet iſt. Das Strafgeſetzbuch ſtimmt alſo in dieſem Fall mit dem Code pénal überein. — Der wiſſentliche Gebrauch eines ſolchen Dokuments wird der Fälſchung gleich beſtraft, voraus- geſetzt, daß derjenige, welcher den Gebrauch davon macht, zum Nach- theile eines Anderen handelt. b) Liegt alſo der Fall vor, daß jemand eine ſolche falſche Beurkundung bewirkt und ſelbſt davon Gebrauch gemacht hat, ſo findet eigentlich ein Zuſammentreffen mehrerer Ver- brechen ſtatt, und es käme auf die beſonderen Umſtände an, ob die Regel des §. 55. oder die des §. 56. darauf zur Anwendung zu bringen wäre. Indeſſen ſcheint nach der Faſſung des §. 252. Abſ. 2. eine ſo ſtrenge Durchführung des Princips nicht in der Abſicht des Geſetzgebers gelegen zu haben; denn die Vorſchrift bezieht ſich doch nur auf ſolche Perſonen, welche nicht ſelbſt die Fälſchung bewirkt haben. Der Entwurf von 1847. §. 319. hatte noch eine Strafvorſchrift für den Fall, wenn die Aufnahme unrichtiger Thatſachen in öffentliche Urkunden u. ſ. w. vorſätzlich, jedoch nicht in der Abſicht, einen Gewinn zu machen oder Schaden zuzufügen, bewirkt iſt. Der vereinigte ſtän- diſche Ausſchuß beſchloß aber den Wegfall dieſer Beſtimmung. c) §. 253. Wer unächtes Stempelpapier anfertigt, oder ächtes Stempelpapier ver- fälſcht, ingleichen wer wiſſentlich von falſchem oder verfälſchtem Stempelpapier Gebrauch macht, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, ſowie mit zeitiger Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beſtraft. Eine gleiche Strafe hat derjenige verwirkt, welcher ſich einer dieſer Hand- lungen in Beziehung auf Poſtfreimarken oder geſtempelte Briefcouverts ſchuldig macht. Die Fälſchung von Stempelpapier, welcher die von Poſtfreimarken b) Chauveau et Hélie Faustin. l. c. chap. XXVI. c) Verhandlungen. IV. S. 310-13.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/490>, abgerufen am 29.04.2024.