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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 304. Vergiftung von Brunnen u. s. w.
Folge der Handlung ein Mensch das Leben verloren hat, auf Gefängniß von
zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen.



Es sind hier folgende Handlungen mit Strafe bedroht:

a. Jemand vergiftet Brunnen oder Wasserbehälter, welche zum Ge-
brauche Anderer dienen;
b. es werden Waaren vergiftet, welche zum öffentlichen Verkaufe
oder Gebrauche bestimmt sind;
c. es werden solche vergiftete Sachen verkauft oder feil gehalten.

Die Strafvorschriften, welche sich auf diese Fälle beziehen, sind erst
allmählich während der Revision an einander gereiht worden; l) obgleich
sie im Allgemeinen übereinstimmen, kommen doch einzelne besondere Ge-
sichtspunkte dabei in Betracht.

I. Die Strafe des Verbrechens trifft nur die vorsätzlichen Hand-
lungen; die Fahrlässigkeit wird nur, wenn Schaden dadurch entstanden
ist, geahndet. Der Dolus ist aber, wenn die strafbare Handlung in
dem Verkaufen oder Feilhalten der vergifteten Waaren besteht, darein
gesetzt, daß wissentlich und mit Verschweigung der geschehenen Beimi-
schung gehandelt wird. Daß auch die Verschweigung in diesem Fall
vorsätzlich geschehen sein muß, folgt daraus, daß überhaupt ein Dolus
verlangt wird; m) denn ein Theil des Thatbestandes kann unter dieser
Voraussetzung nicht auf Fahrlässigkeit beruhen.

II. Neben dem Vergiften ist auch das Beimischen solcher Stoffe
genannt, von denen bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu
zerstören geeignet sind. Die Erwähnung solcher "gefährlicher" Stoffe
neben dem Gifte beruht hier auf demselben Grunde, welcher bei dem
Verbrechen der Vergiftung (§. 197.) dazu geführt hat. Die Unbe-
stimmtheit des Begriffs, welcher mit Gift im technischen Sinne verbun-
den wird, machte einen solchen Zusatz nothwendig.

III. Daß die Todesstrafe eintritt, wenn in Folge der vorsätzlichen
Handlung ein Mensch das Leben verloren hat, entspricht der allge-
meinen Anordnung der Strafen bei den gemeingefährlichen Ver-
brechen. n)

IV. Der Entwurf von 1847. §. 347. hatte noch in Verbindung

l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 440. -- Revision von 1845.
III. S. 73. -- Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846.
S. 176.
m) Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. IV.
S. 416.
n) a. a. O. S. 405-15.
Beseler Kommentar. 35

§. 304. Vergiftung von Brunnen u. ſ. w.
Folge der Handlung ein Menſch das Leben verloren hat, auf Gefängniß von
zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen.



Es ſind hier folgende Handlungen mit Strafe bedroht:

a. Jemand vergiftet Brunnen oder Waſſerbehälter, welche zum Ge-
brauche Anderer dienen;
b. es werden Waaren vergiftet, welche zum öffentlichen Verkaufe
oder Gebrauche beſtimmt ſind;
c. es werden ſolche vergiftete Sachen verkauft oder feil gehalten.

Die Strafvorſchriften, welche ſich auf dieſe Fälle beziehen, ſind erſt
allmählich während der Reviſion an einander gereiht worden; l) obgleich
ſie im Allgemeinen übereinſtimmen, kommen doch einzelne beſondere Ge-
ſichtspunkte dabei in Betracht.

I. Die Strafe des Verbrechens trifft nur die vorſätzlichen Hand-
lungen; die Fahrläſſigkeit wird nur, wenn Schaden dadurch entſtanden
iſt, geahndet. Der Dolus iſt aber, wenn die ſtrafbare Handlung in
dem Verkaufen oder Feilhalten der vergifteten Waaren beſteht, darein
geſetzt, daß wiſſentlich und mit Verſchweigung der geſchehenen Beimi-
ſchung gehandelt wird. Daß auch die Verſchweigung in dieſem Fall
vorſätzlich geſchehen ſein muß, folgt daraus, daß überhaupt ein Dolus
verlangt wird; m) denn ein Theil des Thatbeſtandes kann unter dieſer
Vorausſetzung nicht auf Fahrläſſigkeit beruhen.

II. Neben dem Vergiften iſt auch das Beimiſchen ſolcher Stoffe
genannt, von denen bekannt iſt, daß ſie die menſchliche Geſundheit zu
zerſtören geeignet ſind. Die Erwähnung ſolcher „gefährlicher“ Stoffe
neben dem Gifte beruht hier auf demſelben Grunde, welcher bei dem
Verbrechen der Vergiftung (§. 197.) dazu geführt hat. Die Unbe-
ſtimmtheit des Begriffs, welcher mit Gift im techniſchen Sinne verbun-
den wird, machte einen ſolchen Zuſatz nothwendig.

III. Daß die Todesſtrafe eintritt, wenn in Folge der vorſätzlichen
Handlung ein Menſch das Leben verloren hat, entſpricht der allge-
meinen Anordnung der Strafen bei den gemeingefährlichen Ver-
brechen. n)

IV. Der Entwurf von 1847. §. 347. hatte noch in Verbindung

l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 440. — Reviſion von 1845.
III. S. 73. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 176.
m) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV.
S. 416.
n) a. a. O. S. 405-15.
Beſeler Kommentar. 35
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[537/0547] §. 304. Vergiftung von Brunnen u. ſ. w. Folge der Handlung ein Menſch das Leben verloren hat, auf Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren zu erkennen. Es ſind hier folgende Handlungen mit Strafe bedroht: a. Jemand vergiftet Brunnen oder Waſſerbehälter, welche zum Ge- brauche Anderer dienen; b. es werden Waaren vergiftet, welche zum öffentlichen Verkaufe oder Gebrauche beſtimmt ſind; c. es werden ſolche vergiftete Sachen verkauft oder feil gehalten. Die Strafvorſchriften, welche ſich auf dieſe Fälle beziehen, ſind erſt allmählich während der Reviſion an einander gereiht worden; l) obgleich ſie im Allgemeinen übereinſtimmen, kommen doch einzelne beſondere Ge- ſichtspunkte dabei in Betracht. I. Die Strafe des Verbrechens trifft nur die vorſätzlichen Hand- lungen; die Fahrläſſigkeit wird nur, wenn Schaden dadurch entſtanden iſt, geahndet. Der Dolus iſt aber, wenn die ſtrafbare Handlung in dem Verkaufen oder Feilhalten der vergifteten Waaren beſteht, darein geſetzt, daß wiſſentlich und mit Verſchweigung der geſchehenen Beimi- ſchung gehandelt wird. Daß auch die Verſchweigung in dieſem Fall vorſätzlich geſchehen ſein muß, folgt daraus, daß überhaupt ein Dolus verlangt wird; m) denn ein Theil des Thatbeſtandes kann unter dieſer Vorausſetzung nicht auf Fahrläſſigkeit beruhen. II. Neben dem Vergiften iſt auch das Beimiſchen ſolcher Stoffe genannt, von denen bekannt iſt, daß ſie die menſchliche Geſundheit zu zerſtören geeignet ſind. Die Erwähnung ſolcher „gefährlicher“ Stoffe neben dem Gifte beruht hier auf demſelben Grunde, welcher bei dem Verbrechen der Vergiftung (§. 197.) dazu geführt hat. Die Unbe- ſtimmtheit des Begriffs, welcher mit Gift im techniſchen Sinne verbun- den wird, machte einen ſolchen Zuſatz nothwendig. III. Daß die Todesſtrafe eintritt, wenn in Folge der vorſätzlichen Handlung ein Menſch das Leben verloren hat, entſpricht der allge- meinen Anordnung der Strafen bei den gemeingefährlichen Ver- brechen. n) IV. Der Entwurf von 1847. §. 347. hatte noch in Verbindung l) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 440. — Reviſion von 1845. III. S. 73. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 176. m) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV. S. 416. n) a. a. O. S. 405-15. Beſeler Kommentar. 35

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/547>, abgerufen am 28.04.2024.