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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Sechstes Kapitel.
bringen, indem leichtsinnige und betrügerische Speculanten auf
Kosten ihrer getäuschten Mitbürger sich bereichern. Kann man
auch, in Erwägung dieser Uebelstände, geneigt werden, für
solche Unternehmungen die Staatsgenehmigung stets für wün-
schenswerth zu halten, so bleibt es doch zweifelhaft, ob sie wirk-
lich ein sicheres Gegenmittel enthält, und ob nicht der Scha-
den, den eine übertriebene Bevormundung mit sich führt, die
Nachtheile, welche durch sie beseitigt werden sollen, überwiegt.
Am Ende wird sich doch der Grundsatz auch hier bewähren,
daß jeder Einzelne für seinen Vortheil am besten zu sorgen
pflegt, und wo ein tüchtiges öffentliches Leben besteht, welches
namentlich in den Volksgerichten und der freien Presse seine
Organe findet, da wird auch das Volk selbst schon im Allge-
meinen eine Controle auszuüben wissen. Der Staat sorge
nur durch angemessene Strafgesetze für eine strenge Ahndung
wirklich betrügerischer Schwindeleien.

f. Daß überhaupt eine weise Gesetzgebung, welche das
Recht der Genossenschaft umfaßte, und namentlich hinsichtlich
ihrer Entstehung einen festen Formalismus wahrte, sehr wohl-
thätig einwirken und sowohl die Rechtssicherheit befördern, als
auch überhaupt der Entartung des Associationsgeistes mit Er-
folg entgegen treten könnte, soll gar nicht in Abrede gestellt
werden. Nur wäre zu wünschen, daß eine solche Gesetzgebung
eben das ganze Institut, und nicht bloß die Actiengesellschaft
ins Auge faßte, so wie es ihre Hauptaufgabe seyn müßte, die
leitenden Principien nur insoweit zu fixiren, daß die freie Be-
wegung des Rechtslebens in seiner organischen Entfaltung da-
durch nicht bedroht würde. Namentlich möchte auch darauf
Rücksicht zu nehmen seyn, ob nicht manche Genossenschaften
in ein bestimmtes Verhältniß zur Gemeinde gebracht werden

Sechſtes Kapitel.
bringen, indem leichtſinnige und betruͤgeriſche Speculanten auf
Koſten ihrer getaͤuſchten Mitbuͤrger ſich bereichern. Kann man
auch, in Erwaͤgung dieſer Uebelſtaͤnde, geneigt werden, fuͤr
ſolche Unternehmungen die Staatsgenehmigung ſtets fuͤr wuͤn-
ſchenswerth zu halten, ſo bleibt es doch zweifelhaft, ob ſie wirk-
lich ein ſicheres Gegenmittel enthaͤlt, und ob nicht der Scha-
den, den eine uͤbertriebene Bevormundung mit ſich fuͤhrt, die
Nachtheile, welche durch ſie beſeitigt werden ſollen, uͤberwiegt.
Am Ende wird ſich doch der Grundſatz auch hier bewaͤhren,
daß jeder Einzelne fuͤr ſeinen Vortheil am beſten zu ſorgen
pflegt, und wo ein tuͤchtiges oͤffentliches Leben beſteht, welches
namentlich in den Volksgerichten und der freien Preſſe ſeine
Organe findet, da wird auch das Volk ſelbſt ſchon im Allge-
meinen eine Controle auszuuͤben wiſſen. Der Staat ſorge
nur durch angemeſſene Strafgeſetze fuͤr eine ſtrenge Ahndung
wirklich betruͤgeriſcher Schwindeleien.

f. Daß uͤberhaupt eine weiſe Geſetzgebung, welche das
Recht der Genoſſenſchaft umfaßte, und namentlich hinſichtlich
ihrer Entſtehung einen feſten Formalismus wahrte, ſehr wohl-
thaͤtig einwirken und ſowohl die Rechtsſicherheit befoͤrdern, als
auch uͤberhaupt der Entartung des Aſſociationsgeiſtes mit Er-
folg entgegen treten koͤnnte, ſoll gar nicht in Abrede geſtellt
werden. Nur waͤre zu wuͤnſchen, daß eine ſolche Geſetzgebung
eben das ganze Inſtitut, und nicht bloß die Actiengeſellſchaft
ins Auge faßte, ſo wie es ihre Hauptaufgabe ſeyn muͤßte, die
leitenden Principien nur inſoweit zu fixiren, daß die freie Be-
wegung des Rechtslebens in ſeiner organiſchen Entfaltung da-
durch nicht bedroht wuͤrde. Namentlich moͤchte auch darauf
Ruͤckſicht zu nehmen ſeyn, ob nicht manche Genoſſenſchaften
in ein beſtimmtes Verhaͤltniß zur Gemeinde gebracht werden

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[180/0192] Sechſtes Kapitel. bringen, indem leichtſinnige und betruͤgeriſche Speculanten auf Koſten ihrer getaͤuſchten Mitbuͤrger ſich bereichern. Kann man auch, in Erwaͤgung dieſer Uebelſtaͤnde, geneigt werden, fuͤr ſolche Unternehmungen die Staatsgenehmigung ſtets fuͤr wuͤn- ſchenswerth zu halten, ſo bleibt es doch zweifelhaft, ob ſie wirk- lich ein ſicheres Gegenmittel enthaͤlt, und ob nicht der Scha- den, den eine uͤbertriebene Bevormundung mit ſich fuͤhrt, die Nachtheile, welche durch ſie beſeitigt werden ſollen, uͤberwiegt. Am Ende wird ſich doch der Grundſatz auch hier bewaͤhren, daß jeder Einzelne fuͤr ſeinen Vortheil am beſten zu ſorgen pflegt, und wo ein tuͤchtiges oͤffentliches Leben beſteht, welches namentlich in den Volksgerichten und der freien Preſſe ſeine Organe findet, da wird auch das Volk ſelbſt ſchon im Allge- meinen eine Controle auszuuͤben wiſſen. Der Staat ſorge nur durch angemeſſene Strafgeſetze fuͤr eine ſtrenge Ahndung wirklich betruͤgeriſcher Schwindeleien. f. Daß uͤberhaupt eine weiſe Geſetzgebung, welche das Recht der Genoſſenſchaft umfaßte, und namentlich hinſichtlich ihrer Entſtehung einen feſten Formalismus wahrte, ſehr wohl- thaͤtig einwirken und ſowohl die Rechtsſicherheit befoͤrdern, als auch uͤberhaupt der Entartung des Aſſociationsgeiſtes mit Er- folg entgegen treten koͤnnte, ſoll gar nicht in Abrede geſtellt werden. Nur waͤre zu wuͤnſchen, daß eine ſolche Geſetzgebung eben das ganze Inſtitut, und nicht bloß die Actiengeſellſchaft ins Auge faßte, ſo wie es ihre Hauptaufgabe ſeyn muͤßte, die leitenden Principien nur inſoweit zu fixiren, daß die freie Be- wegung des Rechtslebens in ſeiner organiſchen Entfaltung da- durch nicht bedroht wuͤrde. Namentlich moͤchte auch darauf Ruͤckſicht zu nehmen ſeyn, ob nicht manche Genoſſenſchaften in ein beſtimmtes Verhaͤltniß zur Gemeinde gebracht werden

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/192>, abgerufen am 26.04.2024.