Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Feststellung des Gegenstandes. wie v. Savigny es thut, daß das letztere in seiner späterenErscheinung vorzugsweise als Juristenrecht auftritt, so kann doch auch dieses, insoweit es das recipirte römische Recht zu seinem Inhalte hat, nicht als eine Fortsetzung des Volksrechts erscheinen. Werfen wir nun einen Blick auf die vorhergehende Er- I. Das Recht ist in seiner ersten Entstehung Volksrecht, wenn auch durch den Einfluß der Gesetzgebung we- sentlich bedingt. II. Das Volksrecht kann auch in den Zeiten einer vor- gerückten Cultur noch bestehen, und vom Volke un- mittelbar erzeugt werden. III. Dem Volksrecht steht das Gewohnheitsrecht gegen- über, bald in gleichgültiger, bald in feindlicher Haltung. IV. Das Juristenrecht ist nicht nothwendig eine Fortfüh- rung des Volksrechts, es kann auch bloßes Gewohn- heitsrecht seyn. Diese Sätze, hier nur kurz hervorgehoben, werden im wei- Feſtſtellung des Gegenſtandes. wie v. Savigny es thut, daß das letztere in ſeiner ſpaͤterenErſcheinung vorzugsweiſe als Juriſtenrecht auftritt, ſo kann doch auch dieſes, inſoweit es das recipirte roͤmiſche Recht zu ſeinem Inhalte hat, nicht als eine Fortſetzung des Volksrechts erſcheinen. Werfen wir nun einen Blick auf die vorhergehende Er- I. Das Recht iſt in ſeiner erſten Entſtehung Volksrecht, wenn auch durch den Einfluß der Geſetzgebung we- ſentlich bedingt. II. Das Volksrecht kann auch in den Zeiten einer vor- geruͤckten Cultur noch beſtehen, und vom Volke un- mittelbar erzeugt werden. III. Dem Volksrecht ſteht das Gewohnheitsrecht gegen- uͤber, bald in gleichguͤltiger, bald in feindlicher Haltung. IV. Das Juriſtenrecht iſt nicht nothwendig eine Fortfuͤh- rung des Volksrechts, es kann auch bloßes Gewohn- heitsrecht ſeyn. Dieſe Saͤtze, hier nur kurz hervorgehoben, werden im wei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Feſtſtellung des Gegenſtandes</hi>.</fw><lb/> wie v. Savigny es thut, daß das letztere in ſeiner ſpaͤteren<lb/> Erſcheinung vorzugsweiſe als Juriſtenrecht auftritt, ſo kann<lb/> doch auch dieſes, inſoweit es das recipirte roͤmiſche Recht zu<lb/> ſeinem Inhalte hat, nicht als eine Fortſetzung des Volksrechts<lb/> erſcheinen.</p><lb/> <p>Werfen wir nun einen Blick auf die vorhergehende Er-<lb/> oͤrterung zuruͤck, und faſſen wir das Ergebniß derſelben in kur-<lb/> zen Saͤtzen zuſammen, ſo laſſen ſich deren folgende aufſtellen,<lb/> welche als die Grundlage dieſer Schrift anzuſehen ſind:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Das Recht iſt in ſeiner erſten Entſtehung Volksrecht,<lb/> wenn auch durch den Einfluß der Geſetzgebung we-<lb/> ſentlich bedingt.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Volksrecht kann auch in den Zeiten einer vor-<lb/> geruͤckten Cultur noch beſtehen, und vom Volke un-<lb/> mittelbar erzeugt werden.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Dem Volksrecht ſteht das Gewohnheitsrecht gegen-<lb/> uͤber, bald in gleichguͤltiger, bald in feindlicher Haltung.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> Das Juriſtenrecht iſt nicht nothwendig eine Fortfuͤh-<lb/> rung des Volksrechts, es kann auch bloßes Gewohn-<lb/> heitsrecht ſeyn.</item> </list><lb/> <p>Dieſe Saͤtze, hier nur kurz hervorgehoben, werden im wei-<lb/> teren Verlaufe der Schrift ihre naͤhere Begruͤndung und Ent-<lb/> wicklung erhalten. Die Aufgabe geht zunaͤchſt dahin, das noch<lb/> jetzt im deutſchen Rechtsleben geltende Volksrecht zum wiſſen-<lb/> ſchaftlichen Verſtaͤndniß zu bringen, und das Weſen und den<lb/> Werth des deutſchen Juriſtenrechts zu pruͤfen, — Beides aber<lb/> vom Standpuncte des gemeinen Rechts aus, welches einer ſol-<lb/> chen Unterſuchung vor Allem zu beduͤrfen ſcheint. Bevor nun<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0091]
Feſtſtellung des Gegenſtandes.
wie v. Savigny es thut, daß das letztere in ſeiner ſpaͤteren
Erſcheinung vorzugsweiſe als Juriſtenrecht auftritt, ſo kann
doch auch dieſes, inſoweit es das recipirte roͤmiſche Recht zu
ſeinem Inhalte hat, nicht als eine Fortſetzung des Volksrechts
erſcheinen.
Werfen wir nun einen Blick auf die vorhergehende Er-
oͤrterung zuruͤck, und faſſen wir das Ergebniß derſelben in kur-
zen Saͤtzen zuſammen, ſo laſſen ſich deren folgende aufſtellen,
welche als die Grundlage dieſer Schrift anzuſehen ſind:
I. Das Recht iſt in ſeiner erſten Entſtehung Volksrecht,
wenn auch durch den Einfluß der Geſetzgebung we-
ſentlich bedingt.
II. Das Volksrecht kann auch in den Zeiten einer vor-
geruͤckten Cultur noch beſtehen, und vom Volke un-
mittelbar erzeugt werden.
III. Dem Volksrecht ſteht das Gewohnheitsrecht gegen-
uͤber, bald in gleichguͤltiger, bald in feindlicher Haltung.
IV. Das Juriſtenrecht iſt nicht nothwendig eine Fortfuͤh-
rung des Volksrechts, es kann auch bloßes Gewohn-
heitsrecht ſeyn.
Dieſe Saͤtze, hier nur kurz hervorgehoben, werden im wei-
teren Verlaufe der Schrift ihre naͤhere Begruͤndung und Ent-
wicklung erhalten. Die Aufgabe geht zunaͤchſt dahin, das noch
jetzt im deutſchen Rechtsleben geltende Volksrecht zum wiſſen-
ſchaftlichen Verſtaͤndniß zu bringen, und das Weſen und den
Werth des deutſchen Juriſtenrechts zu pruͤfen, — Beides aber
vom Standpuncte des gemeinen Rechts aus, welches einer ſol-
chen Unterſuchung vor Allem zu beduͤrfen ſcheint. Bevor nun
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