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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele, p1b_127.002
Der Frühlingsfeier freies Glück; p1b_127.003
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle, p1b_127.004
Vom letzten, ernsten Schritt zurück. p1b_127.005
O tönet fort ihr süßen Himmelslieder! p1b_127.006
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
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(Goethe, Faust.)

p1b_127.008
Das Sinnige, Jnnige des i ist auch in folgender Strophe Cäsars von p1b_127.009
Lengerke ausgedrückt:

p1b_127.010
Jch sprach: Ja mach dich auf geschwind, p1b_127.011
Zu küssen mir mein Herzenskind, p1b_127.012
Zu grüßen mir mein süßes Lieb, p1b_127.013
Wie's beiden geht, mir Kunde gieb!

p1b_127.014
Geibels Nachtigallenschlag "Tio, tjo, tio, tjo, tiotinx, o wie süß, o wie p1b_127.015
süß" (Ged. II. 261) verschmilzt i und o.

p1b_127.016
Durch das i ist auch der Spott, die Satire zu bezeichnen:

p1b_127.017
Kikeriki! p1b_127.018
Die Zeit ist hie! p1b_127.019
O sieh! O sieh! p1b_127.020
Welch' schönes Vieh! p1b_127.021
So was ist nie p1b_127.022
Gesehn allhie! p1b_127.023
Kikeriki!
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(Rückert, Napoleon I. 13.)

p1b_127.025
Die durch Umlaute (und Diphthonge § 25 d) erzeugten gemischten Gefühle p1b_127.026
werden durch folgende Strophe illustriert:

p1b_127.027
Wie die Knospe hütend, p1b_127.028
Daß sie nicht Blume werde, p1b_127.029
Liegt's so dumpf und brütend p1b_127.030
Über der drängenden Erde.
p1b_127.031

(Friedr. Hebbel.)

p1b_127.032
Die brausende, fortdringende Gewalt des au, das Kräftig=wirkende des a, p1b_127.033
das Freudig=liebliche des i, das Ergreifende des ei bringt nachstehender Vers von p1b_127.034
Clemens Brentano zum Ausdruck:

p1b_127.035
Es brauset und sauset das Tambourin, p1b_127.036
Es prasseln und rasseln die Schellen darin! p1b_127.037
Die Becken hell flimmern von tönenden Schimmern, p1b_127.038
Um Kling und um Klang, p1b_127.039
Um Sing und um Sang p1b_127.040
Schweifen die Pfeifen und greifen an's Herz p1b_127.041
Mit Freud' und mit Schmerz.

p1b_127.042
Mit wenig Vokalen malt Uhland im weißen Hirsch Flucht, Schießen und p1b_127.043
Hörnerjubel: "Husch husch! piff paff! trara!" Ähnlich mit verständnisvoller

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/161>, abgerufen am 07.05.2024.