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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Verhandlungen über Bennigsens Eintritt ins Ministerium.
punkte an, bedingt durch die Auffassung, daß es für jetzt und bis
nach den nächsten großen Kriegen nur darauf ankomme, Deutsch¬
land fest zusammenwachsen zu lassen, es durch seine Wehrhaftigkeit
gegen äußere Gefahren und durch seine Verfassung gegen innere
dynastische Brüche sicher zu stellen. Ob wir uns nachher im Innern
etwas conservativer oder etwas liberaler einrichteten, das werde
eine Zweckmäßigkeitsfrage sein, die man erst ruhig erwägen könne,
wenn das Haus wetterfest sei. Ich hätte den aufrichtigen Wunsch,
ihn zu überreden, daß er, wie ich mich ausdrückte, zu mir in das
Schiff springe und mir bei dem Steuern helfe; ich läge am Lan¬
dungsplatze und wartete auf sein Einsteigen.

Bennigsen blieb aber dabei, nicht ohne Forckenbeck und Stauffen¬
berg eintreten zu wollen, und ließ mich unter dem Eindrucke, daß
mein Versuch mißlungen sei, einem Eindrucke, der schnell verstärkt
wurde durch das Einlaufen eines ungewöhnlich ungnädigen Schrei¬
bens des Kaisers, aus dem ich ersah, daß Graf Eulenburg zu
ihm mit der Frage in das Zimmer getreten sei: "Haben Eure
Majestät schon von dem neuen Ministerium gehört? Bennigsen."
Dieser Mittheilung folgte der lebhafte schriftliche Ausbruch kaiser¬
licher Entrüstung über meine Eigenmächtigkeit und über die Zu¬
muthung, daß Er aufhören solle, "conservativ" zu regiren. Ich
war unwohl und abgespannt, und der Text des kaiserlichen Schrei¬
bens und der Eulenburgische Angriff fielen mir dermaßen auf die
Nerven, daß ich von Neuem ziemlich schwer erkrankte, nachdem ich
dem Kaiser durch Roon geantwortet hatte, ich könne ihm einen
Nachfolger Eulenburgs doch nicht vorschlagen, ohne mich vorher
vergewissert zu haben, daß der Betreffende die Ernennung an¬
nehmen werde; ich hätte Bennigsen für geeignet gehalten und seine
Stimmungen sondirt, bei ihm aber nicht die Auffassung gefunden,
die ich erwartet hätte, und die Ueberzeugung gewonnen, daß ich
ihn nicht zum Minister vorschlagen könne; die ungnädige Ver¬
urtheilung, die ich durch das Schreiben erfahren hätte, nöthige
mich, mein Abschiedsgesuch vom Frühjahr zu erneuern. Diese

Verhandlungen über Bennigſens Eintritt ins Miniſterium.
punkte an, bedingt durch die Auffaſſung, daß es für jetzt und bis
nach den nächſten großen Kriegen nur darauf ankomme, Deutſch¬
land feſt zuſammenwachſen zu laſſen, es durch ſeine Wehrhaftigkeit
gegen äußere Gefahren und durch ſeine Verfaſſung gegen innere
dynaſtiſche Brüche ſicher zu ſtellen. Ob wir uns nachher im Innern
etwas conſervativer oder etwas liberaler einrichteten, das werde
eine Zweckmäßigkeitsfrage ſein, die man erſt ruhig erwägen könne,
wenn das Haus wetterfeſt ſei. Ich hätte den aufrichtigen Wunſch,
ihn zu überreden, daß er, wie ich mich ausdrückte, zu mir in das
Schiff ſpringe und mir bei dem Steuern helfe; ich läge am Lan¬
dungsplatze und wartete auf ſein Einſteigen.

Bennigſen blieb aber dabei, nicht ohne Forckenbeck und Stauffen¬
berg eintreten zu wollen, und ließ mich unter dem Eindrucke, daß
mein Verſuch mißlungen ſei, einem Eindrucke, der ſchnell verſtärkt
wurde durch das Einlaufen eines ungewöhnlich ungnädigen Schrei¬
bens des Kaiſers, aus dem ich erſah, daß Graf Eulenburg zu
ihm mit der Frage in das Zimmer getreten ſei: „Haben Eure
Majeſtät ſchon von dem neuen Miniſterium gehört? Bennigſen.“
Dieſer Mittheilung folgte der lebhafte ſchriftliche Ausbruch kaiſer¬
licher Entrüſtung über meine Eigenmächtigkeit und über die Zu¬
muthung, daß Er aufhören ſolle, „conſervativ“ zu regiren. Ich
war unwohl und abgeſpannt, und der Text des kaiſerlichen Schrei¬
bens und der Eulenburgiſche Angriff fielen mir dermaßen auf die
Nerven, daß ich von Neuem ziemlich ſchwer erkrankte, nachdem ich
dem Kaiſer durch Roon geantwortet hatte, ich könne ihm einen
Nachfolger Eulenburgs doch nicht vorſchlagen, ohne mich vorher
vergewiſſert zu haben, daß der Betreffende die Ernennung an¬
nehmen werde; ich hätte Bennigſen für geeignet gehalten und ſeine
Stimmungen ſondirt, bei ihm aber nicht die Auffaſſung gefunden,
die ich erwartet hätte, und die Ueberzeugung gewonnen, daß ich
ihn nicht zum Miniſter vorſchlagen könne; die ungnädige Ver¬
urtheilung, die ich durch das Schreiben erfahren hätte, nöthige
mich, mein Abſchiedsgeſuch vom Frühjahr zu erneuern. Dieſe

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[183/0207] Verhandlungen über Bennigſens Eintritt ins Miniſterium. punkte an, bedingt durch die Auffaſſung, daß es für jetzt und bis nach den nächſten großen Kriegen nur darauf ankomme, Deutſch¬ land feſt zuſammenwachſen zu laſſen, es durch ſeine Wehrhaftigkeit gegen äußere Gefahren und durch ſeine Verfaſſung gegen innere dynaſtiſche Brüche ſicher zu ſtellen. Ob wir uns nachher im Innern etwas conſervativer oder etwas liberaler einrichteten, das werde eine Zweckmäßigkeitsfrage ſein, die man erſt ruhig erwägen könne, wenn das Haus wetterfeſt ſei. Ich hätte den aufrichtigen Wunſch, ihn zu überreden, daß er, wie ich mich ausdrückte, zu mir in das Schiff ſpringe und mir bei dem Steuern helfe; ich läge am Lan¬ dungsplatze und wartete auf ſein Einſteigen. Bennigſen blieb aber dabei, nicht ohne Forckenbeck und Stauffen¬ berg eintreten zu wollen, und ließ mich unter dem Eindrucke, daß mein Verſuch mißlungen ſei, einem Eindrucke, der ſchnell verſtärkt wurde durch das Einlaufen eines ungewöhnlich ungnädigen Schrei¬ bens des Kaiſers, aus dem ich erſah, daß Graf Eulenburg zu ihm mit der Frage in das Zimmer getreten ſei: „Haben Eure Majeſtät ſchon von dem neuen Miniſterium gehört? Bennigſen.“ Dieſer Mittheilung folgte der lebhafte ſchriftliche Ausbruch kaiſer¬ licher Entrüſtung über meine Eigenmächtigkeit und über die Zu¬ muthung, daß Er aufhören ſolle, „conſervativ“ zu regiren. Ich war unwohl und abgeſpannt, und der Text des kaiſerlichen Schrei¬ bens und der Eulenburgiſche Angriff fielen mir dermaßen auf die Nerven, daß ich von Neuem ziemlich ſchwer erkrankte, nachdem ich dem Kaiſer durch Roon geantwortet hatte, ich könne ihm einen Nachfolger Eulenburgs doch nicht vorſchlagen, ohne mich vorher vergewiſſert zu haben, daß der Betreffende die Ernennung an¬ nehmen werde; ich hätte Bennigſen für geeignet gehalten und ſeine Stimmungen ſondirt, bei ihm aber nicht die Auffaſſung gefunden, die ich erwartet hätte, und die Ueberzeugung gewonnen, daß ich ihn nicht zum Miniſter vorſchlagen könne; die ungnädige Ver¬ urtheilung, die ich durch das Schreiben erfahren hätte, nöthige mich, mein Abſchiedsgeſuch vom Frühjahr zu erneuern. Dieſe

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/207>, abgerufen am 07.05.2024.