Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

der alleinige Orakelspruch, der nichts un-
entschieden gelassen hat, was Glückseligkeit
unter Menschen veranlassen und verbreiten
kann. Dieser füllt die Linien aus, die die
zweifelnde Vernunft nur mit unterbroch-
nen, blassen Zügen gezeichnet hat. Liebe
ist im Himmel und auf Erden die Krone al-
ler Tugenden, die Quelle aller Seligkeit.
Gott ist die Liebe. Aus Liebe duldet er
dich; aus Liebe verzeiht er dir eine Last
von Schulden, die dich zu Boden drückte;
alte, wiederhohlte, aufgehäufte Verschul-
dungen, alle verzeiht er dir. Und du woll-
test mit deinem Bruder zürnen, der dich,
nur einmal oder zweymal, an einer klei-
nen, empfindlichen Stelle berührte? Weg
von dem Angesichte des Herrn, verächtli-
cher Sterblicher, hinweg! Dir, soll man Al-
les, und du, willst Nichts thun? Bete noch
einmal: Vergib uns unsre Schuld, wie wir

der alleinige Orakelſpruch, der nichts un-
entſchieden gelaſsen hat, was Glückſeligkeit
unter Menſchen veranlaſsen und verbreiten
kann. Dieſer füllt die Linien aus, die die
zweifelnde Vernunft nur mit unterbroch-
nen, blaſsen Zügen gezeichnet hat. Liebe
iſt im Himmel und auf Erden die Krone al-
ler Tugenden, die Quelle aller Seligkeit.
Gott iſt die Liebe. Aus Liebe duldet er
dich; aus Liebe verzeiht er dir eine Laſt
von Schulden, die dich zu Boden drückte;
alte, wiederhohlte, aufgehäufte Verſchul-
dungen, alle verzeiht er dir. Und du woll-
teſt mit deinem Bruder zürnen, der dich,
nur einmal oder zweymal, an einer klei-
nen, empfindlichen Stelle berührte? Weg
von dem Angeſichte des Herrn, verächtli-
cher Sterblicher, hinweg! Dir, ſoll man Al-
les, und du, willſt Nichts thun? Bete noch
einmal: Vergib uns unſre Schuld, wie wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0075" n="67"/>
der alleinige Orakel&#x017F;pruch, der nichts un-<lb/>
ent&#x017F;chieden gela&#x017F;sen hat, was Glück&#x017F;eligkeit<lb/>
unter Men&#x017F;chen veranla&#x017F;sen und verbreiten<lb/>
kann. Die&#x017F;er füllt die Linien aus, die die<lb/>
zweifelnde Vernunft nur mit unterbroch-<lb/>
nen, bla&#x017F;sen Zügen gezeichnet hat. Liebe<lb/>
i&#x017F;t im Himmel und auf Erden die Krone al-<lb/>
ler Tugenden, die Quelle aller Seligkeit.<lb/>
Gott i&#x017F;t die Liebe. Aus Liebe duldet er<lb/>
dich; aus Liebe verzeiht er dir eine La&#x017F;t<lb/>
von Schulden, die dich zu Boden drückte;<lb/>
alte, wiederhohlte, aufgehäufte Ver&#x017F;chul-<lb/>
dungen, alle verzeiht er dir. Und du woll-<lb/>
te&#x017F;t mit deinem Bruder zürnen, der dich,<lb/>
nur einmal oder zweymal, an einer klei-<lb/>
nen, empfindlichen Stelle berührte? Weg<lb/>
von dem Ange&#x017F;ichte des Herrn, verächtli-<lb/>
cher Sterblicher, hinweg! Dir, &#x017F;oll man Al-<lb/>
les, und du, will&#x017F;t Nichts thun? Bete noch<lb/>
einmal: Vergib uns un&#x017F;re Schuld, wie wir<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0075] der alleinige Orakelſpruch, der nichts un- entſchieden gelaſsen hat, was Glückſeligkeit unter Menſchen veranlaſsen und verbreiten kann. Dieſer füllt die Linien aus, die die zweifelnde Vernunft nur mit unterbroch- nen, blaſsen Zügen gezeichnet hat. Liebe iſt im Himmel und auf Erden die Krone al- ler Tugenden, die Quelle aller Seligkeit. Gott iſt die Liebe. Aus Liebe duldet er dich; aus Liebe verzeiht er dir eine Laſt von Schulden, die dich zu Boden drückte; alte, wiederhohlte, aufgehäufte Verſchul- dungen, alle verzeiht er dir. Und du woll- teſt mit deinem Bruder zürnen, der dich, nur einmal oder zweymal, an einer klei- nen, empfindlichen Stelle berührte? Weg von dem Angeſichte des Herrn, verächtli- cher Sterblicher, hinweg! Dir, ſoll man Al- les, und du, willſt Nichts thun? Bete noch einmal: Vergib uns unſre Schuld, wie wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/75
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/75>, abgerufen am 02.05.2024.