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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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det, ist eine Lücke im halben Bogen, welche man an
den Kinnbackenbeinen der menschlichen Früchte und
Kinder schräg über bey den Höhlen der Schneidezähne
erblickt, und welche, wie allgemein bekannt, auch
jezuweilen bey Erwachsenen noch übrig ist24). Daß
aber diese Lücke unrichtig durch die Benennung
Nath bezeichnet werde, hat schon vor zweyhundert
Jahren und drüber weislich und nach der wahren
Natur der scharfsinnige Fallopius angemerkt25).
Daß sich aber auf der Gesichtsoberfläche der Kinnla-
denknochen, im menschlichen Schädel nicht einmal
durch eine solche Spalte, geschweige eine Nach be-
merkbar mache, welche bey dem Affen so sichtbar
ist26), verdient kaum eine Erinnerung.

Was aber die andere Frage betrift, ob dem
Menschen allein unter den Säugthieren der Zwischen-
kinnladenknochen mangle, da muß ich freylich beken-
nen, daß ich ihn in mehrerern Hirnschädeln vierhän-
diger Thiere vergebens gesucht habe.

Die Näthe, welche diesen Knochen umschrän-
ken, fehlen in dem Skelett der unzeitigen Meerkatze,
welches in dem akademischen Museum aufbewahret
wird, an deren Hirnschädel sonst die übrigen Näthe
ziemlich deutlich zu sehen sind.

24) Man sehe schon Vesalius und Coiters Abbildungen.
25) Ich bin nicht der Meinung derer, welche öffentlich
bezeugen, daß man unter dem Gaumen eine Nath
finde, die schräg über zu den beyden Hundszähnen
gehöre, welche bey Kindern erkennbar sey, bey Er-
wachsenen aber so vertilgt werde, daß keine Spur
davon übrig bleibe. Denn ich finde, daß dies mehr
eine Theilung oder Lücke ist, als eine Nath, da sie
Knochen nicht von Knochen trennt, noch
äußerlich sichtbar wird
.
26) S. Eustathius Tab. anat. 46. 2te Fig.

det, ist eine Lücke im halben Bogen, welche man an
den Kinnbackenbeinen der menschlichen Früchte und
Kinder schräg über bey den Höhlen der Schneidezähne
erblickt, und welche, wie allgemein bekannt, auch
jezuweilen bey Erwachsenen noch übrig ist24). Daß
aber diese Lücke unrichtig durch die Benennung
Nath bezeichnet werde, hat schon vor zweyhundert
Jahren und drüber weislich und nach der wahren
Natur der scharfsinnige Fallopius angemerkt25).
Daß sich aber auf der Gesichtsoberfläche der Kinnla-
denknochen, im menschlichen Schädel nicht einmal
durch eine solche Spalte, geschweige eine Nach be-
merkbar mache, welche bey dem Affen so sichtbar
ist26), verdient kaum eine Erinnerung.

Was aber die andere Frage betrift, ob dem
Menschen allein unter den Säugthieren der Zwischen-
kinnladenknochen mangle, da muß ich freylich beken-
nen, daß ich ihn in mehrerern Hirnschädeln vierhän-
diger Thiere vergebens gesucht habe.

Die Näthe, welche diesen Knochen umschrän-
ken, fehlen in dem Skelett der unzeitigen Meerkatze,
welches in dem akademischen Museum aufbewahret
wird, an deren Hirnschädel sonst die übrigen Näthe
ziemlich deutlich zu sehen sind.

24) Man sehe schon Vesalius und Coiters Abbildungen.
25) Ich bin nicht der Meinung derer, welche öffentlich
bezeugen, daß man unter dem Gaumen eine Nath
finde, die schräg über zu den beyden Hundszähnen
gehöre, welche bey Kindern erkennbar sey, bey Er-
wachsenen aber so vertilgt werde, daß keine Spur
davon übrig bleibe. Denn ich finde, daß dies mehr
eine Theilung oder Lücke ist, als eine Nath, da sie
Knochen nicht von Knochen trennt, noch
äußerlich sichtbar wird
.
26) S. Eustathius Tab. anat. 46. 2te Fig.
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[40/0074] det, ist eine Lücke im halben Bogen, welche man an den Kinnbackenbeinen der menschlichen Früchte und Kinder schräg über bey den Höhlen der Schneidezähne erblickt, und welche, wie allgemein bekannt, auch jezuweilen bey Erwachsenen noch übrig ist 24). Daß aber diese Lücke unrichtig durch die Benennung Nath bezeichnet werde, hat schon vor zweyhundert Jahren und drüber weislich und nach der wahren Natur der scharfsinnige Fallopius angemerkt 25). Daß sich aber auf der Gesichtsoberfläche der Kinnla- denknochen, im menschlichen Schädel nicht einmal durch eine solche Spalte, geschweige eine Nach be- merkbar mache, welche bey dem Affen so sichtbar ist 26), verdient kaum eine Erinnerung. Was aber die andere Frage betrift, ob dem Menschen allein unter den Säugthieren der Zwischen- kinnladenknochen mangle, da muß ich freylich beken- nen, daß ich ihn in mehrerern Hirnschädeln vierhän- diger Thiere vergebens gesucht habe. Die Näthe, welche diesen Knochen umschrän- ken, fehlen in dem Skelett der unzeitigen Meerkatze, welches in dem akademischen Museum aufbewahret wird, an deren Hirnschädel sonst die übrigen Näthe ziemlich deutlich zu sehen sind. 24) Man sehe schon Vesalius und Coiters Abbildungen. 25) Ich bin nicht der Meinung derer, welche öffentlich bezeugen, daß man unter dem Gaumen eine Nath finde, die schräg über zu den beyden Hundszähnen gehöre, welche bey Kindern erkennbar sey, bey Er- wachsenen aber so vertilgt werde, daß keine Spur davon übrig bleibe. Denn ich finde, daß dies mehr eine Theilung oder Lücke ist, als eine Nath, da sie Knochen nicht von Knochen trennt, noch äußerlich sichtbar wird. 26) S. Eustathius Tab. anat. 46. 2te Fig.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/74>, abgerufen am 28.04.2024.