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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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Instinct oder Naturtrieb, da sie nemlich
aus einem angebohrnen, unwillkürlichen, blin-
den Drange, ohne allen Unterricht, von freyen
Stücken sich mannichfaltigen, zweckmäsigen,
und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung
abzielenden Handlungen, unterziehen. Daß
diese so wichtigen Handlungen wirklich ganz
unüberlegt blos maschinenmäsig vollzogen wer-
den wird durch tausend Bemerkungen z. B.
dadurch offenbar erweislich, daß die Hamster
auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer-
brechen ehe sie weiter anbeisen; daß die Meisen
auch todten Thieren doch zuerst nach den Augen
hacken; daß die Schmeisfliegen sich so oft durch
den aashaften Geruch mancher Blumen (stape-
lia variegata
u. a.m.) verführen laßen ihre Eyer
drauf zu legen, welchen Irthum doch nachher
die auskriechenden Maden aus Mangel der
Nahrung mit dem Leben büßen müßen u. s. w.
Zu diesen Instincten rechnen wir nun ganz vor-
züglich den Trieb zum gesellschaftlichen Le-
ben, wogegen sich zwar einige unsrer neuern
Weltweisen empören wollen, der doch aber
ganzen Gattungen von Thieren z. B. den Bie-
nen und Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert,
die sie ohne denselben unmöglich gegen ihre
zahlreichen grössern Feinde zu behaupten ver-
möchten. Eben dahin gehören die mannichfalti-
gen Mittel wodurch so viele Gattungen von Thie-
ren ihrem sonstigen Untergang in der rauhesten

Instinct oder Naturtrieb, da sie nemlich
aus einem angebohrnen, unwillkürlichen, blin-
den Drange, ohne allen Unterricht, von freyen
Stücken sich mannichfaltigen, zweckmäsigen,
und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung
abzielenden Handlungen, unterziehen. Daß
diese so wichtigen Handlungen wirklich ganz
unüberlegt blos maschinenmäsig vollzogen wer-
den wird durch tausend Bemerkungen z. B.
dadurch offenbar erweislich, daß die Hamster
auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer-
brechen ehe sie weiter anbeisen; daß die Meisen
auch todten Thieren doch zuerst nach den Augen
hacken; daß die Schmeisfliegen sich so oft durch
den aashaften Geruch mancher Blumen (stape-
lia variegata
u. a.m.) verführen laßen ihre Eyer
drauf zu legen, welchen Irthum doch nachher
die auskriechenden Maden aus Mangel der
Nahrung mit dem Leben büßen müßen u. s. w.
Zu diesen Instincten rechnen wir nun ganz vor-
züglich den Trieb zum gesellschaftlichen Le-
ben, wogegen sich zwar einige unsrer neuern
Weltweisen empören wollen, der doch aber
ganzen Gattungen von Thieren z. B. den Bie-
nen und Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert,
die sie ohne denselben unmöglich gegen ihre
zahlreichen grössern Feinde zu behaupten ver-
möchten. Eben dahin gehören die mannichfalti-
gen Mittel wodurch so viele Gattungen von Thie-
ren ihrem sonstigen Untergang in der rauhesten

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[37/0049] Instinct oder Naturtrieb, da sie nemlich aus einem angebohrnen, unwillkürlichen, blin- den Drange, ohne allen Unterricht, von freyen Stücken sich mannichfaltigen, zweckmäsigen, und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung abzielenden Handlungen, unterziehen. Daß diese so wichtigen Handlungen wirklich ganz unüberlegt blos maschinenmäsig vollzogen wer- den wird durch tausend Bemerkungen z. B. dadurch offenbar erweislich, daß die Hamster auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zer- brechen ehe sie weiter anbeisen; daß die Meisen auch todten Thieren doch zuerst nach den Augen hacken; daß die Schmeisfliegen sich so oft durch den aashaften Geruch mancher Blumen (stape- lia variegata u. a.m.) verführen laßen ihre Eyer drauf zu legen, welchen Irthum doch nachher die auskriechenden Maden aus Mangel der Nahrung mit dem Leben büßen müßen u. s. w. Zu diesen Instincten rechnen wir nun ganz vor- züglich den Trieb zum gesellschaftlichen Le- ben, wogegen sich zwar einige unsrer neuern Weltweisen empören wollen, der doch aber ganzen Gattungen von Thieren z. B. den Bie- nen und Ameisen ihre Lebenserhaltung sichert, die sie ohne denselben unmöglich gegen ihre zahlreichen grössern Feinde zu behaupten ver- möchten. Eben dahin gehören die mannichfalti- gen Mittel wodurch so viele Gattungen von Thie- ren ihrem sonstigen Untergang in der rauhesten

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/49>, abgerufen am 26.04.2024.