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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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des deutschen Witzes.
"als mit uns, thun müßte: Diese würden es
"ihm ohnfehlbar zu sagen wissen, ob die Göt-
"tinger
nahrhafter sind, als andere Leute, und
"welcher Nation sie in diesem Stücke am ähn-
"lichsten kommen?" 6.) "Es geht mit seiner
"Schrift alles gantz natürlich zu! so sehr mir
"bey seinen 24. Jahren bange war, es mögte
"etwas Hexerey mit unterlauffen. Allein was
"thut eine gute Erbschaft von nützlichen Anmer-
"kungen nicht? Nunmehro weis ich, wie es
"den Lesern gehen wird. Unser 24. jähriger
"Moraliste wird es machen, wie jener junge
"Arzt, der von seinem Vater ein Faß voll al-
"ter bewährter Recepte ererbte. So bald ein
"Krancker zu ihm schickte, fiel er vor diesem Fasse
"nieder, betete andächtig, und griff darauf
"hinein. Das erste Recept, welches ihm in
"die Hand kam, das gab er hin; vors übrige
"ließ er den Himmel und die gute Natur des
"Patienten sorgen. So wird es mit unsrem
"jungen Sittenrichter auch ergehen. Darum
"verdient er wohl, daß seine Leser einen andäch-
"tigen Seufzer für ihn thun; damit seine Hand
"stets zur nützlichsten Anmerckung gelenckt wer-
"de." 7.) "Es wäre ewig schad, wenn die
"menschliche Gesellschaft ein so theures Mitglied
"vor seinem 90. Jahre verlieren sollte!" 8.)
"Wer hätte das gedacht, daß der stoltze Samm-
"ler, welcher sich Anfangs keinen geringern, als
"die Schweitzer-Maler, zum Vorbilde an-
"nimmt, nunmehro denen Gelehrten nachah-
"men will, welche, wenn sie Bücher schreiben,
"so
des deutſchen Witzes.
„als mit uns, thun muͤßte: Dieſe wuͤrden es
„ihm ohnfehlbar zu ſagen wiſſen, ob die Goͤt-
„tinger
nahrhafter ſind, als andere Leute, und
„welcher Nation ſie in dieſem Stuͤcke am aͤhn-
„lichſten kommen?„ 6.) „Es geht mit ſeiner
„Schrift alles gantz natuͤrlich zu! ſo ſehr mir
„bey ſeinen 24. Jahren bange war, es moͤgte
„etwas Hexerey mit unterlauffen. Allein was
„thut eine gute Erbſchaft von nuͤtzlichen Anmer-
„kungen nicht? Nunmehro weis ich, wie es
„den Leſern gehen wird. Unſer 24. jaͤhriger
„Moraliſte wird es machen, wie jener junge
„Arzt, der von ſeinem Vater ein Faß voll al-
„ter bewaͤhrter Recepte ererbte. So bald ein
„Krancker zu ihm ſchickte, fiel er vor dieſem Faſſe
„nieder, betete andaͤchtig, und griff darauf
„hinein. Das erſte Recept, welches ihm in
„die Hand kam, das gab er hin; vors uͤbrige
„ließ er den Himmel und die gute Natur des
„Patienten ſorgen. So wird es mit unſrem
„jungen Sittenrichter auch ergehen. Darum
„verdient er wohl, daß ſeine Leſer einen andaͤch-
„tigen Seufzer fuͤr ihn thun; damit ſeine Hand
„ſtets zur nuͤtzlichſten Anmerckung gelenckt wer-
„de.„ 7.) „Es waͤre ewig ſchad, wenn die
„menſchliche Geſellſchaft ein ſo theures Mitglied
„vor ſeinem 90. Jahre verlieren ſollte!„ 8.)
„Wer haͤtte das gedacht, daß der ſtoltze Samm-
„ler, welcher ſich Anfangs keinen geringern, als
„die Schweitzer-Maler, zum Vorbilde an-
„nimmt, nunmehro denen Gelehrten nachah-
„men will, welche, wenn ſie Buͤcher ſchreiben,
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[27/0027] des deutſchen Witzes. „als mit uns, thun muͤßte: Dieſe wuͤrden es „ihm ohnfehlbar zu ſagen wiſſen, ob die Goͤt- „tinger nahrhafter ſind, als andere Leute, und „welcher Nation ſie in dieſem Stuͤcke am aͤhn- „lichſten kommen?„ 6.) „Es geht mit ſeiner „Schrift alles gantz natuͤrlich zu! ſo ſehr mir „bey ſeinen 24. Jahren bange war, es moͤgte „etwas Hexerey mit unterlauffen. Allein was „thut eine gute Erbſchaft von nuͤtzlichen Anmer- „kungen nicht? Nunmehro weis ich, wie es „den Leſern gehen wird. Unſer 24. jaͤhriger „Moraliſte wird es machen, wie jener junge „Arzt, der von ſeinem Vater ein Faß voll al- „ter bewaͤhrter Recepte ererbte. So bald ein „Krancker zu ihm ſchickte, fiel er vor dieſem Faſſe „nieder, betete andaͤchtig, und griff darauf „hinein. Das erſte Recept, welches ihm in „die Hand kam, das gab er hin; vors uͤbrige „ließ er den Himmel und die gute Natur des „Patienten ſorgen. So wird es mit unſrem „jungen Sittenrichter auch ergehen. Darum „verdient er wohl, daß ſeine Leſer einen andaͤch- „tigen Seufzer fuͤr ihn thun; damit ſeine Hand „ſtets zur nuͤtzlichſten Anmerckung gelenckt wer- „de.„ 7.) „Es waͤre ewig ſchad, wenn die „menſchliche Geſellſchaft ein ſo theures Mitglied „vor ſeinem 90. Jahre verlieren ſollte!„ 8.) „Wer haͤtte das gedacht, daß der ſtoltze Samm- „ler, welcher ſich Anfangs keinen geringern, als „die Schweitzer-Maler, zum Vorbilde an- „nimmt, nunmehro denen Gelehrten nachah- „men will, welche, wenn ſie Buͤcher ſchreiben, „ſo

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/27>, abgerufen am 19.04.2024.