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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhunderts.
ehedem einfältig; da die Gerechtigkeit aus den Städ-
ten und den Mauren floh, wollte sie in strohern
Hütten seyn, ehe denn die Bauern Wein tran-
ken. Jhnen schmeckt der Zwilch nicht mehr, wie
ehemals, sie wollen kein Gippen mehr, es muß
lündisches und mechelsches Kleid seyn, und gantz
zerhacket und gespreitet, mit allen Farben wild
über wild, und auf dem Ermel ein Gauchsbild.
Der zuvor ein Bürgerkauffmann war, will edel
und Rittersgenosse seyn, der Edelmann begehrt
ein Frey, der Graf gefürstet zu seyn, der Fürst
begehrt die Krone des Königs.

Von der Pracht mit den Grabmählern sagt er:
Die Seele hilft ein köstliches Grab nichts, oder daß
man es von Marmor habe, und Schild, Helm
und Panier aufhänge. - Dann erstechen sich die
Freunde um das Gut, welcher es gantz behalten solle;
die Teufel sind der Seele gewiß und triumphie-
ren wüste mit derselben, führen sie bald von ei-
nem in das andere, von eitel Kälte in eitel Hitze.
Wir Menschen leben gantz ohne Witz, daß wir
der Seele nicht wahrnehmen, und immerdar des
Leibes sorgen. Alle Erde ist Gott gesegnet, der
liegt wohl, der da wohl todt ist. Der Himmel
decket manchen Todten, der sich unter keinem
Steine streckt; wie könnte der ein schöneres Grab
haben, dem das Gestirne von oben herab leuch-
tet. Wer wohl stirbt, dessen Grab ist das höhe-
ste, der Tod der Sünder ist der böseste.

Wie schwer es sey den Frauen recht zu thun:
Die gröste Weisheit auf Erden ist thun können,
was jeder begehrt, und wo man das nicht vor

gut
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des ſechszehnten Jahrhunderts.
ehedem einfaͤltig; da die Gerechtigkeit aus den Staͤd-
ten und den Mauren floh, wollte ſie in ſtrohern
Huͤtten ſeyn, ehe denn die Bauern Wein tran-
ken. Jhnen ſchmeckt der Zwilch nicht mehr, wie
ehemals, ſie wollen kein Gippen mehr, es muß
luͤndiſches und mechelſches Kleid ſeyn, und gantz
zerhacket und geſpreitet, mit allen Farben wild
uͤber wild, und auf dem Ermel ein Gauchsbild.
Der zuvor ein Buͤrgerkauffmann war, will edel
und Rittersgenoſſe ſeyn, der Edelmann begehrt
ein Frey, der Graf gefuͤrſtet zu ſeyn, der Fuͤrſt
begehrt die Krone des Koͤnigs.

Von der Pracht mit den Grabmaͤhlern ſagt er:
Die Seele hilft ein koͤſtliches Grab nichts, oder daß
man es von Marmor habe, und Schild, Helm
und Panier aufhaͤnge. - Dann erſtechen ſich die
Freunde um das Gut, welcher es gantz behalten ſolle;
die Teufel ſind der Seele gewiß und triumphie-
ren wuͤſte mit derſelben, fuͤhren ſie bald von ei-
nem in das andere, von eitel Kaͤlte in eitel Hitze.
Wir Menſchen leben gantz ohne Witz, daß wir
der Seele nicht wahrnehmen, und immerdar des
Leibes ſorgen. Alle Erde iſt Gott geſegnet, der
liegt wohl, der da wohl todt iſt. Der Himmel
decket manchen Todten, der ſich unter keinem
Steine ſtreckt; wie koͤnnte der ein ſchoͤneres Grab
haben, dem das Geſtirne von oben herab leuch-
tet. Wer wohl ſtirbt, deſſen Grab iſt das hoͤhe-
ſte, der Tod der Suͤnder iſt der boͤſeſte.

Wie ſchwer es ſey den Frauen recht zu thun:
Die groͤſte Weisheit auf Erden iſt thun koͤnnen,
was jeder begehrt, und wo man das nicht vor

gut
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[9/0009] des ſechszehnten Jahrhunderts. ehedem einfaͤltig; da die Gerechtigkeit aus den Staͤd- ten und den Mauren floh, wollte ſie in ſtrohern Huͤtten ſeyn, ehe denn die Bauern Wein tran- ken. Jhnen ſchmeckt der Zwilch nicht mehr, wie ehemals, ſie wollen kein Gippen mehr, es muß luͤndiſches und mechelſches Kleid ſeyn, und gantz zerhacket und geſpreitet, mit allen Farben wild uͤber wild, und auf dem Ermel ein Gauchsbild. Der zuvor ein Buͤrgerkauffmann war, will edel und Rittersgenoſſe ſeyn, der Edelmann begehrt ein Frey, der Graf gefuͤrſtet zu ſeyn, der Fuͤrſt begehrt die Krone des Koͤnigs. Von der Pracht mit den Grabmaͤhlern ſagt er: Die Seele hilft ein koͤſtliches Grab nichts, oder daß man es von Marmor habe, und Schild, Helm und Panier aufhaͤnge. - Dann erſtechen ſich die Freunde um das Gut, welcher es gantz behalten ſolle; die Teufel ſind der Seele gewiß und triumphie- ren wuͤſte mit derſelben, fuͤhren ſie bald von ei- nem in das andere, von eitel Kaͤlte in eitel Hitze. Wir Menſchen leben gantz ohne Witz, daß wir der Seele nicht wahrnehmen, und immerdar des Leibes ſorgen. Alle Erde iſt Gott geſegnet, der liegt wohl, der da wohl todt iſt. Der Himmel decket manchen Todten, der ſich unter keinem Steine ſtreckt; wie koͤnnte der ein ſchoͤneres Grab haben, dem das Geſtirne von oben herab leuch- tet. Wer wohl ſtirbt, deſſen Grab iſt das hoͤhe- ſte, der Tod der Suͤnder iſt der boͤſeſte. Wie ſchwer es ſey den Frauen recht zu thun: Die groͤſte Weisheit auf Erden iſt thun koͤnnen, was jeder begehrt, und wo man das nicht vor gut A 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/9>, abgerufen am 15.10.2024.