Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
von David.
Drum solte Jonathan allein dem Feind entgegen.
Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen,130.
Findt Abner es für gut, daß ers dem König sagt.
Er gieng in sein Gemach des Morgens unbefragt,
Als Saul noch lag zur Ruh: doch wann nur Ruh zu nennen
Die Schreckens-volle Träum, das innerliche Brennen,
Die Schwermuth seines Geists, die ihn niemahls verließ,
So daß sein Schlaffen recht ein stetes Wachen hieß.
Sobald er Abner sah, fieng sein Hertz an zu schlagen,
Und furchte sich für was, das er nicht konnte sagen,
Er reichte ihm die Hand, und sah ihn zitternd an,
Und Abner bringt es für, so gut er immer kan.140.
Mein König, sagte er, es giebt ein neues Siegen,
Gott hat dir was geschickt, dein Hertze zu vergnügen,
Man sieht, dir dienet nicht die stille Einsamkeit,
Du bist nur kranck, weil du nicht mehr ziehst in den Streit.
Schau doch ein Volck von Gad kömmt an, und will es wagen,
Sich mit dir, Grosser Saul! in einem Streit zu schlagen,
Bey Socho stehen sie, und seynd dazu bestimmt,
Daß dort dein Helden-Muth ihr Toben ihnen nimmt.
Der König schwiege still, und dacht in seinen Sinnen,
Wo ist mein erster Muth, mein tapferes Beginnen?150.
Wo find ich Saul in mir? ich bin sein Bild allein,
Was ehmahls war mein Wunsch, macht mir anjetzo Pein.
Als Abner nun kein Wort vom König konnte bringen,
Vergieng ihm schier der Muth, daß es ihm würd gelingen.
Doch sagt er noch einmahl, wie ist dann Saul verkehrt,
Daß er sein Volck nicht mehr zu schützen nun begehrt?
Auf König thu dein Amt, daß Juda werd befreyet.
Ach! brache Saul heraus, ob zwar mein Hertz nicht scheuet
Diß unbeschnittne Volck, so ist doch Gott von mir;
Was kan ich ohne Gott? Gott sagte mir sonst für,160.
Des Siegs gewiß zu seyn; der hat mich nun verlassen,
Sein Geist denckt nicht an mich, sein Will ist mich zu hassen.

Ey!
V. 130. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen)
[Spaltenumbruch] Die lange Erzehlung scheinet
mir eben so lange, als die lange
[Spaltenumbruch] Berathschlagung über eine Sa-
che von dieser Natur.
B 5
von David.
Drum ſolte Jonathan allein dem Feind entgegen.
Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen,130.
Findt Abner es fuͤr gut, daß ers dem Koͤnig ſagt.
Er gieng in ſein Gemach des Morgens unbefragt,
Als Saul noch lag zur Ruh: doch wann nur Ruh zu nennen
Die Schreckens-volle Traͤum, das innerliche Brennen,
Die Schwermuth ſeines Geiſts, die ihn niemahls verließ,
So daß ſein Schlaffen recht ein ſtetes Wachen hieß.
Sobald er Abner ſah, fieng ſein Hertz an zu ſchlagen,
Und furchte ſich fuͤr was, das er nicht konnte ſagen,
Er reichte ihm die Hand, und ſah ihn zitternd an,
Und Abner bringt es fuͤr, ſo gut er immer kan.140.
Mein Koͤnig, ſagte er, es giebt ein neues Siegen,
Gott hat dir was geſchickt, dein Hertze zu vergnuͤgen,
Man ſieht, dir dienet nicht die ſtille Einſamkeit,
Du biſt nur kranck, weil du nicht mehr ziehſt in den Streit.
Schau doch ein Volck von Gad koͤm̃t an, und will es wagen,
Sich mit dir, Groſſer Saul! in einem Streit zu ſchlagen,
Bey Socho ſtehen ſie, und ſeynd dazu beſtimmt,
Daß dort dein Helden-Muth ihr Toben ihnen nimmt.
Der Koͤnig ſchwiege ſtill, und dacht in ſeinen Sinnen,
Wo iſt mein erſter Muth, mein tapferes Beginnen?150.
Wo find ich Saul in mir? ich bin ſein Bild allein,
Was ehmahls war mein Wunſch, macht mir anjetzo Pein.
Als Abner nun kein Wort vom Koͤnig konnte bringen,
Vergieng ihm ſchier der Muth, daß es ihm wuͤrd gelingen.
Doch ſagt er noch einmahl, wie iſt dann Saul verkehrt,
Daß er ſein Volck nicht mehr zu ſchuͤtzen nun begehrt?
Auf Koͤnig thu dein Amt, daß Juda werd befreyet.
Ach! brache Saul heraus, ob zwar mein Hertz nicht ſcheuet
Diß unbeſchnittne Volck, ſo iſt doch Gott von mir;
Was kan ich ohne Gott? Gott ſagte mir ſonſt fuͤr,160.
Des Siegs gewiß zu ſeyn; der hat mich nun verlaſſen,
Sein Geiſt denckt nicht an mich, ſein Will iſt mich zu haſſen.

Ey!
V. 130. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen)
[Spaltenumbruch] Die lange Erzehlung ſcheinet
mir eben ſo lange, als die lange
[Spaltenumbruch] Berathſchlagung uͤber eine Sa-
che von dieſer Natur.
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0025" n="25"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">von David.</hi> </hi> </fw><lb/>
          <l>Drum &#x017F;olte Jonathan allein dem Feind entgegen.</l><lb/>
          <l>Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen,<note place="right">130.</note><note place="foot">V. 130. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen)<lb/><cb/>
Die lange Erzehlung &#x017F;cheinet<lb/>
mir eben &#x017F;o lange, als die lange<lb/><cb/>
Berath&#x017F;chlagung u&#x0364;ber eine Sa-<lb/>
che von die&#x017F;er Natur.</note></l><lb/>
          <l>Findt Abner es fu&#x0364;r gut, daß ers dem Ko&#x0364;nig &#x017F;agt.</l><lb/>
          <l>Er gieng in &#x017F;ein Gemach des Morgens unbefragt,</l><lb/>
          <l>Als Saul noch lag zur Ruh: doch wann nur Ruh zu nennen</l><lb/>
          <l>Die Schreckens-volle Tra&#x0364;um, das innerliche Brennen,</l><lb/>
          <l>Die Schwermuth &#x017F;eines Gei&#x017F;ts, die ihn niemahls verließ,</l><lb/>
          <l>So daß &#x017F;ein Schlaffen recht ein &#x017F;tetes Wachen hieß.</l><lb/>
          <l>Sobald er Abner &#x017F;ah, fieng &#x017F;ein Hertz an zu &#x017F;chlagen,</l><lb/>
          <l>Und furchte &#x017F;ich fu&#x0364;r was, das er nicht konnte &#x017F;agen,</l><lb/>
          <l>Er reichte ihm die Hand, und &#x017F;ah ihn zitternd an,</l><lb/>
          <l>Und Abner bringt es fu&#x0364;r, &#x017F;o gut er immer kan.<note place="right">140.</note></l><lb/>
          <l>Mein Ko&#x0364;nig, &#x017F;agte er, es giebt ein neues Siegen,</l><lb/>
          <l>Gott hat dir was ge&#x017F;chickt, dein Hertze zu vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
          <l>Man &#x017F;ieht, dir dienet nicht die &#x017F;tille Ein&#x017F;amkeit,</l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t nur kranck, weil du nicht mehr zieh&#x017F;t in den Streit.</l><lb/>
          <l>Schau doch ein Volck von Gad ko&#x0364;m&#x0303;t an, und will es wagen,</l><lb/>
          <l>Sich mit dir, Gro&#x017F;&#x017F;er Saul! in einem Streit zu &#x017F;chlagen,</l><lb/>
          <l>Bey Socho &#x017F;tehen &#x017F;ie, und &#x017F;eynd dazu be&#x017F;timmt,</l><lb/>
          <l>Daß dort dein Helden-Muth ihr Toben ihnen nimmt.</l><lb/>
          <l>Der Ko&#x0364;nig &#x017F;chwiege &#x017F;till, und dacht in &#x017F;einen Sinnen,</l><lb/>
          <l>Wo i&#x017F;t mein er&#x017F;ter Muth, mein tapferes Beginnen?<note place="right">150.</note></l><lb/>
          <l>Wo find ich Saul in mir? ich bin &#x017F;ein Bild allein,</l><lb/>
          <l>Was ehmahls war mein Wun&#x017F;ch, macht mir anjetzo Pein.</l><lb/>
          <l>Als Abner nun kein Wort vom Ko&#x0364;nig konnte bringen,</l><lb/>
          <l>Vergieng ihm &#x017F;chier der Muth, daß es ihm wu&#x0364;rd gelingen.</l><lb/>
          <l>Doch &#x017F;agt er noch einmahl, wie i&#x017F;t dann Saul verkehrt,</l><lb/>
          <l>Daß er &#x017F;ein Volck nicht mehr zu &#x017F;chu&#x0364;tzen nun begehrt?</l><lb/>
          <l>Auf Ko&#x0364;nig thu dein Amt, daß Juda werd befreyet.</l><lb/>
          <l>Ach! brache Saul heraus, ob zwar mein Hertz nicht &#x017F;cheuet</l><lb/>
          <l>Diß unbe&#x017F;chnittne Volck, &#x017F;o i&#x017F;t doch Gott von mir;</l><lb/>
          <l>Was kan ich ohne Gott? Gott &#x017F;agte mir &#x017F;on&#x017F;t fu&#x0364;r,<note place="right">160.</note></l><lb/>
          <l>Des Siegs gewiß zu &#x017F;eyn; der hat mich nun verla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Sein Gei&#x017F;t denckt nicht an mich, &#x017F;ein Will i&#x017F;t mich zu ha&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ey!</fw><lb/>
          <l/><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0025] von David. Drum ſolte Jonathan allein dem Feind entgegen. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen, Findt Abner es fuͤr gut, daß ers dem Koͤnig ſagt. Er gieng in ſein Gemach des Morgens unbefragt, Als Saul noch lag zur Ruh: doch wann nur Ruh zu nennen Die Schreckens-volle Traͤum, das innerliche Brennen, Die Schwermuth ſeines Geiſts, die ihn niemahls verließ, So daß ſein Schlaffen recht ein ſtetes Wachen hieß. Sobald er Abner ſah, fieng ſein Hertz an zu ſchlagen, Und furchte ſich fuͤr was, das er nicht konnte ſagen, Er reichte ihm die Hand, und ſah ihn zitternd an, Und Abner bringt es fuͤr, ſo gut er immer kan. Mein Koͤnig, ſagte er, es giebt ein neues Siegen, Gott hat dir was geſchickt, dein Hertze zu vergnuͤgen, Man ſieht, dir dienet nicht die ſtille Einſamkeit, Du biſt nur kranck, weil du nicht mehr ziehſt in den Streit. Schau doch ein Volck von Gad koͤm̃t an, und will es wagen, Sich mit dir, Groſſer Saul! in einem Streit zu ſchlagen, Bey Socho ſtehen ſie, und ſeynd dazu beſtimmt, Daß dort dein Helden-Muth ihr Toben ihnen nimmt. Der Koͤnig ſchwiege ſtill, und dacht in ſeinen Sinnen, Wo iſt mein erſter Muth, mein tapferes Beginnen? Wo find ich Saul in mir? ich bin ſein Bild allein, Was ehmahls war mein Wunſch, macht mir anjetzo Pein. Als Abner nun kein Wort vom Koͤnig konnte bringen, Vergieng ihm ſchier der Muth, daß es ihm wuͤrd gelingen. Doch ſagt er noch einmahl, wie iſt dann Saul verkehrt, Daß er ſein Volck nicht mehr zu ſchuͤtzen nun begehrt? Auf Koͤnig thu dein Amt, daß Juda werd befreyet. Ach! brache Saul heraus, ob zwar mein Hertz nicht ſcheuet Diß unbeſchnittne Volck, ſo iſt doch Gott von mir; Was kan ich ohne Gott? Gott ſagte mir ſonſt fuͤr, Des Siegs gewiß zu ſeyn; der hat mich nun verlaſſen, Sein Geiſt denckt nicht an mich, ſein Will iſt mich zu haſſen. Ey! V. 130. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen) Die lange Erzehlung ſcheinet mir eben ſo lange, als die lange Berathſchlagung uͤber eine Sa- che von dieſer Natur. B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/25
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/25>, abgerufen am 26.04.2024.