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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

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an die d. Ges. von Greifswalde.
"nicht die vortreffliche Critick zu dem gehässig-
"sten Dinge von der Welt machen, wo man
"fortfähret, auch die gröbsten Spöttereyen
"darein zu mischen? Oder ist der vortrefflich-
"ste Criticus vielleicht derjenige, der den an-
"dern am lächerlichsten machen kan? Man ver-
"hüte doch, damit unsre Welt nicht anfange,
"Critische und Satyrische Schrifften für einer-
"ley zu halten!"

Es wird schwer seyn, die vor-
treffliche Critick für die elenden Scribenten oh-
ne Nachtheil der Wahrheit jemahls angenehm
zu machen: Und die höfliche Bescheidenheit, die
Jhr euch in euren Urtheilen zur Regel gesetzet,
mag euch den Unterscheid zwischen einem feinen
und gründlichen Schertz, und zwischen den gröb-
sten Spöttereyen
verborgen gehalten haben.
Oder muß ein Criticus, der es mit einem stol-
zen Verfasser aufgenommen hat, der sich selbst
lächerlich machet, weinen, wenn er sein Be-
finden darüber entdecken soll? Man würde sich
fast bereden, wenn man diese Klage ließt, daß
euch entweder die grossentheils unbillige und
schimpfliche Art der Critick, welche Gottsched
in seinen Beyträgen seit zehn Jahren in Deutsch-
land ohne Einrede auch gegen die grösten Män-
ner geführet hat, gantz unbekannt seyn müßte,
oder daß ihr sie heimlich billigtet, da ihr so emp-
findlich werdet, so bald man diesem stoltzen und
eigenmächtigen Richter der deutschen Welt we-
gen solcher Fehler, die keineswegs zu entschul-
digen sind, mit einer schertzenden Mine die
Wahrheit saget, daß ihr euch nicht enthalten

kön-
C 2
an die d. Geſ. von Greifswalde.
„nicht die vortreffliche Critick zu dem gehaͤſſig-
„ſten Dinge von der Welt machen, wo man
„fortfaͤhret, auch die groͤbſten Spoͤttereyen
„darein zu miſchen? Oder iſt der vortrefflich-
„ſte Criticus vielleicht derjenige, der den an-
„dern am laͤcherlichſten machen kan? Man ver-
„huͤte doch, damit unſre Welt nicht anfange,
„Critiſche und Satyriſche Schrifften fuͤr einer-
„ley zu halten!„

Es wird ſchwer ſeyn, die vor-
treffliche Critick fuͤr die elenden Scribenten oh-
ne Nachtheil der Wahrheit jemahls angenehm
zu machen: Und die hoͤfliche Beſcheidenheit, die
Jhr euch in euren Urtheilen zur Regel geſetzet,
mag euch den Unterſcheid zwiſchen einem feinen
und gruͤndlichen Schertz, und zwiſchen den groͤb-
ſten Spoͤttereyen
verborgen gehalten haben.
Oder muß ein Criticus, der es mit einem ſtol-
zen Verfaſſer aufgenommen hat, der ſich ſelbſt
laͤcherlich machet, weinen, wenn er ſein Be-
finden daruͤber entdecken ſoll? Man wuͤrde ſich
faſt bereden, wenn man dieſe Klage ließt, daß
euch entweder die groſſentheils unbillige und
ſchimpfliche Art der Critick, welche Gottſched
in ſeinen Beytraͤgen ſeit zehn Jahren in Deutſch-
land ohne Einrede auch gegen die groͤſten Maͤn-
ner gefuͤhret hat, gantz unbekannt ſeyn muͤßte,
oder daß ihr ſie heimlich billigtet, da ihr ſo emp-
findlich werdet, ſo bald man dieſem ſtoltzen und
eigenmaͤchtigen Richter der deutſchen Welt we-
gen ſolcher Fehler, die keineswegs zu entſchul-
digen ſind, mit einer ſchertzenden Mine die
Wahrheit ſaget, daß ihr euch nicht enthalten

koͤn-
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[35/0037] an die d. Geſ. von Greifswalde. „nicht die vortreffliche Critick zu dem gehaͤſſig- „ſten Dinge von der Welt machen, wo man „fortfaͤhret, auch die groͤbſten Spoͤttereyen „darein zu miſchen? Oder iſt der vortrefflich- „ſte Criticus vielleicht derjenige, der den an- „dern am laͤcherlichſten machen kan? Man ver- „huͤte doch, damit unſre Welt nicht anfange, „Critiſche und Satyriſche Schrifften fuͤr einer- „ley zu halten!„ Es wird ſchwer ſeyn, die vor- treffliche Critick fuͤr die elenden Scribenten oh- ne Nachtheil der Wahrheit jemahls angenehm zu machen: Und die hoͤfliche Beſcheidenheit, die Jhr euch in euren Urtheilen zur Regel geſetzet, mag euch den Unterſcheid zwiſchen einem feinen und gruͤndlichen Schertz, und zwiſchen den groͤb- ſten Spoͤttereyen verborgen gehalten haben. Oder muß ein Criticus, der es mit einem ſtol- zen Verfaſſer aufgenommen hat, der ſich ſelbſt laͤcherlich machet, weinen, wenn er ſein Be- finden daruͤber entdecken ſoll? Man wuͤrde ſich faſt bereden, wenn man dieſe Klage ließt, daß euch entweder die groſſentheils unbillige und ſchimpfliche Art der Critick, welche Gottſched in ſeinen Beytraͤgen ſeit zehn Jahren in Deutſch- land ohne Einrede auch gegen die groͤſten Maͤn- ner gefuͤhret hat, gantz unbekannt ſeyn muͤßte, oder daß ihr ſie heimlich billigtet, da ihr ſo emp- findlich werdet, ſo bald man dieſem ſtoltzen und eigenmaͤchtigen Richter der deutſchen Welt we- gen ſolcher Fehler, die keineswegs zu entſchul- digen ſind, mit einer ſchertzenden Mine die Wahrheit ſaget, daß ihr euch nicht enthalten koͤn- C 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/37>, abgerufen am 26.04.2024.