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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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war es auch so; auch hier haben die Zöglinge der
polytechnischen Schule alles angefangen und das
Meiste geendigt. Das gefällt mir, daß jetzt die Ju¬
gend dem Alter die Ruthe gibt. Wie wird es aber
den arm Polen ergehen? Werden sie es durch¬
fechten? Ich zweifle; aber gleichviel. Verloren
wird ihr Blut nicht seyn. Und unsere armen Teu¬
fel von Deutschen! Sie sind die Lampenputzer im
Welttheater, sie sind weder Schauspieler noch zu
Zuschauer, sie putzen die Lichter und stinken sehr
nach Oel.

Wie können Sie mir nur jetzt mit den Juden
kommen und verlangen, daß ich für sie schreibe? Sie
sollen Lärm machen, sie sollen schreien. Mit guten
Worten richtet man nichts aus, aber mit Drohungen
viel. Die Regierungen sind jetzt so schreckhaft, daß
man alles von ihnen erlangen kann, wenn man nur
selbst nicht zaghaft ist.

In Warschau haben die Weiber und Kinder
auch mitgefochten. Constantin soll am Kopfe ver¬
wundet seyn; aber das sind alle Fürsten. -- Die
Preußische Staatszeitung lese ich, wie auch die mei¬
sten deutschen Blätter. Gestern habe ich sogar das
Frankfurter Journal und die Didaskalia aufgefunden.
Ich habe sie mit Küssen bedeckt. -- Die Cholera
Morbus ist eine prächtige Erfindung. Das ist etwas,

war es auch ſo; auch hier haben die Zöglinge der
polytechniſchen Schule alles angefangen und das
Meiſte geendigt. Das gefällt mir, daß jetzt die Ju¬
gend dem Alter die Ruthe gibt. Wie wird es aber
den arm Polen ergehen? Werden ſie es durch¬
fechten? Ich zweifle; aber gleichviel. Verloren
wird ihr Blut nicht ſeyn. Und unſere armen Teu¬
fel von Deutſchen! Sie ſind die Lampenputzer im
Welttheater, ſie ſind weder Schauſpieler noch zu
Zuſchauer, ſie putzen die Lichter und ſtinken ſehr
nach Oel.

Wie können Sie mir nur jetzt mit den Juden
kommen und verlangen, daß ich für ſie ſchreibe? Sie
ſollen Lärm machen, ſie ſollen ſchreien. Mit guten
Worten richtet man nichts aus, aber mit Drohungen
viel. Die Regierungen ſind jetzt ſo ſchreckhaft, daß
man alles von ihnen erlangen kann, wenn man nur
ſelbſt nicht zaghaft iſt.

In Warſchau haben die Weiber und Kinder
auch mitgefochten. Conſtantin ſoll am Kopfe ver¬
wundet ſeyn; aber das ſind alle Fürſten. — Die
Preußiſche Staatszeitung leſe ich, wie auch die mei¬
ſten deutſchen Blätter. Geſtern habe ich ſogar das
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[130/0144] war es auch ſo; auch hier haben die Zöglinge der polytechniſchen Schule alles angefangen und das Meiſte geendigt. Das gefällt mir, daß jetzt die Ju¬ gend dem Alter die Ruthe gibt. Wie wird es aber den arm Polen ergehen? Werden ſie es durch¬ fechten? Ich zweifle; aber gleichviel. Verloren wird ihr Blut nicht ſeyn. Und unſere armen Teu¬ fel von Deutſchen! Sie ſind die Lampenputzer im Welttheater, ſie ſind weder Schauſpieler noch zu Zuſchauer, ſie putzen die Lichter und ſtinken ſehr nach Oel. Wie können Sie mir nur jetzt mit den Juden kommen und verlangen, daß ich für ſie ſchreibe? Sie ſollen Lärm machen, ſie ſollen ſchreien. Mit guten Worten richtet man nichts aus, aber mit Drohungen viel. Die Regierungen ſind jetzt ſo ſchreckhaft, daß man alles von ihnen erlangen kann, wenn man nur ſelbſt nicht zaghaft iſt. In Warſchau haben die Weiber und Kinder auch mitgefochten. Conſtantin ſoll am Kopfe ver¬ wundet ſeyn; aber das ſind alle Fürſten. — Die Preußiſche Staatszeitung leſe ich, wie auch die mei¬ ſten deutſchen Blätter. Geſtern habe ich ſogar das Frankfurter Journal und die Didaskalia aufgefunden. Ich habe ſie mit Küſſen bedeckt. — Die Cholera Morbus iſt eine prächtige Erfindung. Das iſt etwas,

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/144>, abgerufen am 30.04.2024.